26.09.2014

Die Freuden und Sorgen eines Erntejahrs

Von Marie-Christine Andres Schürch

Laut lesen: Salanova, Datterini, Batavia und Ochsenherz! Das klingt doch wie ein Zauberspruch. Und was für die Ohren magisch klingt, verzaubert auch Augen und Gaumen. Den dunkelviolett-grünen Salanova-Salatkopf und die exquisiten Datterini-Tomätli gibt es auf dem Wochenmarkt. Jetzt im September teilen sie sich ihren Platz mit einer bunten Vielfalt anderer Gemüse und Früchte – Herbstzeit ist Erntezeit.

Eine erfolgreiche Ernte ist nicht selbstverständlich. Ernteausfälle waren früher für weite Teile der Bevölkerung ein existenzielles Problem. Wenn im Herbst die Ernte eingefahren und der Wintervorrat gesichert ist, wird darum auch heute noch gefeiert: am Erntefest, am Winzerfest, an der Älplerchilbi. In der Freude über die Ernte geht nicht vergessen, Gott, dem Schöpfer allen Lebens, zu danken. 

Gottesdienst auf dem Bauernhof
Die Familie Schibli, Produzentin der eingangs erwähnten Köstlichkeiten, freute sich deshalb über die Idee der Pfarrei Rütihof, auf ihrem Betrieb einen ökumenischen Erntedankgottesdienst zu feiern. «Eine gute Sache», erzählt Landwirt Gabriel Schibli, der im Anschluss an die Feier eine Stallführung anbot, «die Kombination Gottesdienst und Bauernhof zog viele jüngere Menschen an, etwa Familien mit kleinen Kindern». Die Katechetinnen von Rütihof organisieren mit ihren Schülern die Erntedankfeiern im Wechsel auf dem Hof der Familie Schibli und auf dem Nachbarhof bei Familie Käser. Dieses Jahr findet der Gottesdienst aufgrund eines personellen Wechsels zwar in der Kapelle statt, die Erntedankfeier draussen auf dem Bauernhof ist aber für die Verantwortlichen eine Idee mit Zukunft. 

Lebensmittel – Mittel zum Leben
«Ein Erntedankgottesdienst auf dem Bauernhof ist für mich etwas sehr Stimmiges», findet auch Hanni Vonlanthen, Katechetin und Bezugsperson für die Pfarrei Baldingen. Sie selber hat den Erntedankgottesdienst auch schon auf einem Hof gefeiert. Dass die Gottesdienstbesucher nach der Feier gemütlich zusammensitzen können und sich Gespräche rund um das Thema Agrarwirtschaft ergeben, findet sie wichtig. Wertvoll sei die Auseinandersetzung mit unserem Umgang mit Lebensmitteln anlässlich eines Erntedankgottesdiensts auf jeden Fall. «Da lässt sich auch liturgisch einiges einflechten», sagt Hanni Vonlanthen, «gerade bei einem Gottesdienst für Erwachsene kann man gut einmal über den Tellerrand hinausschauen». 

Kirche schmücken
Neben Erntedankfeiern draussen auf dem Hof, im Rebberg oder auf freiem Feld gibt es in den meisten Aargauer Pfarreien Gottesdienste in der festlich geschmückten Kirche. In Baldingen dekoriert der Frauenverein die Kirche mit Blumen aus den eigenen Gärten. Nach der Feier bekommt jeder einen gesegneten Apfel mit auf den Heimweg. Es gehört zum Brauchtum, dass die Gläubigen zum Erntedankfest «Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit» in Prozession zum Altar tragen. Mit den Naturalien bringen sie einen Teil ihres Lebens vor Gott und vertrauen es ihm an: die aufgewendete Zeit und Mühe ihrer Arbeit, die Freuden und Sorgen eines Erntejahres. 

Keinen Termin im liturgischen Kalender
Eine entfaltete Gabendarbringung, wie sie in der Messe zum Erntedank üblich ist, gehörte in den ersten christlichen Jahrhunderten zu jeder sonntäglichen Eucharistiefeier. Der Priester verwendete einen Teil der von den Gläubigen mitgebrachten Gaben für die Eucharistie; was übrig blieb, wurde an Bedürftige weitergegeben. Die katholische Kirche sieht für das Erntedankfest keinen eigenen Tag im liturgischen Kalender vor. Weil der Zeitpunkt der Ernte nach Erzeugnissen und Regionen unterschiedlich ist, lässt sich kein fester Termin bestimmen. Zudem richtet sich das liturgische Jahr nicht nach dem Wechsel der Jahreszeiten, sondern feiert die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen in Jesus Christus. Dennoch reicht der Brauch, nach Abschluss der Ernte einen besonderen Gottesdienst zu feiern, bis ins 3. Jahrhundert zurück. Im Aargau finden die meisten Erntedankfeiern zwischen Anfang September und Mitte Oktober statt.

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