13.12.2018

Kirchen als Bauunternehmer

Von Fabrice Müller

  • Verschiedene Kirchgemeinden im Aargau investieren in Wohnprojekte. Dabei stehen meist Bemühungen um faire, soziale Wohnformen im Zentrum.
  • Grössere Projekte sind aktuell in Würenlos und Lupfig geplant. Allein in Lupfig sollen 30 Wohnungen entstehen.
  • Bei kirchlichen Bauprojekten im Aargau mischt auch die Wohnbaugenossenschaft der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau mit.

 

Die «Chilemetzg» ist ein rund 400 Jahre altes Gebäude in Würenlos. Dieses beherbergte einst eine Metzgerei mit Wohnungen. Die römisch-katholische Kirchgemeinde erwarb das Gebäude mit dem Ziel, es zu einem Pfarreiheim herzurichten. Mittlerweile steht das Haus jedoch teilweise leer. Die schlechte Statik lässt keine weitere Nutzung mehr zu. Eine Renovation käme zu teuer, wie Alfred Koller, Präsident der Kirchenpflege Würenlos, informiert. Deshalb hat sich die Kirchgemeinde entschieden, die Planung für einen Neubau mit Wohnungen und Geschäftsräumen in Angriff zu nehmen.

Würenlos: Räume zu günstigen Zinsen mit Rendite

Seit 2010 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit einem Neubauprojekt «Chilematt». An der Kirchgemeindeversammlung vom 13. November 2017 stimmten – nach langen Diskussionen – die Stimmberechtigten dem 7,59-Millionen-Franken-Projekt «Chilematt» zu. Dieses beinhaltet den Neubau mit sechs Dreieinhalb- und zwei Viereinhalb-Zimmer-Mietwohnungen sowie Geschäftsräumlichkeiten und einem Begegnungssaal für kirchennahe Vereine und andere Institutionen im Erdgeschoss. «Unser Ziel ist es, die Räumlichkeiten zu kostengünstigen Zinsen anzubieten», betont Alfred Koller. Trotzdem soll die Liegenschaft auch eine Rendite abwerfen. Alfred Koller geht davon aus, dass das Bauprojekt 2021 fertiggestellt sein wird.

Neben Würenlos investieren verschiedene Kirchgemeinden im Kanton Aargau in Wohnprojekte. «Die Kirchgemeinden sind diesem Thema gegenüber affiner geworden», beobachtet Luc Humbel, Präsident der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau. Bei den Bauprojekten stünden sowohl diakonische als auch finanztechnische Aspekte im Vordergrund. So etwa beim Projekt der Kirchgemeinde Brugg, die in Lupfig neben einem neuen Kirchenzentrum in Zusammenarbeit mit der kirchlichen Wohnbaugenossenschaft «Faires Wohnen» einen Neubau mit Wohnungen plant. Dazu wie Hans Schilling, Präsident der Kirchenpflege: «Das Projekt beinhaltet einen sozialen Wohnungsbau mit durchmischten Wohnformen für Familien, ältere Menschen, Wohngemeinschaften und unsere Kindertagesstätte im Erdgeschoss.»

Lupfig: 30 Wohnungen geplant

Insgesamt sind in Lupfig 30 Wohnungen vorgesehen. Ein Architekturwettbewerb wird 2019 ausgeschrieben. Hans Schilling rechnet mit Projektkosten für die Kirch-gemeinde zwischen neun und elf Millionen Franken. Die genaue Kostenaufteilung zwischen der Kirchgemeinde und der Wohnbaugenossenschaft sei noch offen. «Wir haben uns für dieses Projekt entschieden, weil wir das Grundstück an bester Lage vernünftig und für die Gesellschaft gewinnbringend bebauen wollen», begründet Hans Schilling.

Für die Kirchgemeinde soll das Projekt kostendeckend sein und eine Rendite abwerfen, die etwas halb so hoch ist wie bei herkömmlichen Wohnliegenschaften. «Das Projekt ist unser Bekenntnis zum Standort Lupfig. Wir rechnen künftig mit weiteren Einwohnern und wollen als Kirche vor Ort präsent sein», betont der Kirchenpflegepräsident.

Mehr soziale Gerechtigkeit im Wohnungsmarkt

Für Luc Humbel, der ebenfalls im Vorstand der Kirchlichen Wohnbaugenossenschaft «Faires Wohnen» vertreten ist, steht das Projekt in Lupfig «exemplarisch für die Mischnutzung von Pfarreibedürfnissen und Mietern». Deshalb habe die Wohnbaugenossenschaft nach einer Analyse von diversen Projekten beschlossen, prioritär das Bauprojekt mit der Kirchgemeinde Brugg in Lupfig zu verfolgen. Unter dem Leitsatz «Faires Wohnen» errichtet die 2015 gegründete Genossenschaft in erster Linie gemeinnützige und preisgünstige Wohnungen in enger Zusammenarbeit mit Kirchgemeinden und anderen Interessenten.

Die Landeskirche Aargau hat sich laut Luc Humbel «in grossem Ausmass» an der Eigenfinanzierung der Genossenschaft beteiligt. In grossen Projekten sollen – wie im Beispiel von Lupfig – Mehrfachnutzungen wie Gemeinschaftsräume, Tagesstätten und andere Begegnungsräume Platz finden. Spekulationen und Ertragsabschöpfungen werden nach eigenen Angaben ausgeschlossen. «Wir engagieren uns langfristig für mehr soziale Gerechtigkeit im Wohnungsmarkt», sagt Luc Humbel. Das Modell von genossenschaftlichem Wohnen führe zu fairen Preisen, weil jegliche Rendite wieder dem Wohnbau und damit den Mietern zu Gute komme.

Ennetbaden: Aus dem Pfarrhaus wurde ein Wohnhaus

In Ennetbaden profitieren mehrere Mieter von den Investitionen der Kirchgemeinde Baden-Ennetbaden. Wie Beatrice Eglin, Präsidentin der Kirchenpflege Baden-Ennetbaden, berichtet, wurde vor zwei Jahren das Pfarrhaus in Ennetbaden in ein Wohnhaus mit zwei Mietwohnungen umgebaut. Auch eines der Pfrundhäuser am Chileplatz 3 wurde in ein Stadthaus mit Mietwohnungen umgebaut. Zurzeit beschäftigt sich die Kirchenpflege mit dem Umbau der Liegenschaft an der Schönaustrasse in Wettingen: Dort wurden das Kanti-Foyer renoviert; nun sollen zusätzlich eine Zweieinhalb- und Dreieinhalb-Zimmerwohnung sowie ein Einzimmerloft im Gartenhaus errichtet werden. «Die Mietzinsen für unsere neu renovierten Wohnungen sollen der Kirche eine kleine Einnahmequelle sein und unsere Investitionen tragen», sagt Beatrice Eglin.

Die römisch-katholische Kreiskirchgemeinde Aarau besitzt in Kölliken ein über 5‘000 Quadratmeter grosses Grundstück in der Wohn- und Arbeitszone, das sich unmittelbar neben der Kirche befindet. Der Verkauf von Teilen dieser Parzelle dient laut Werner Ryter, Verantwortlicher für Bau und Infrastruktur in der Kreiskirchenpflege, als Desinvestition und zur Refinanzierung der Erneuerung und Sanierung der Kirche Mutter Gottes. Die Arbeiten wurden letztes Jahr abgeschlossen.

Kölliken: Ziel ist eine Überbauung mit Vorzeigecharakter

Für das angrenzende Grundstück liess die Kreiskirchgemeinde verschiedene Überbauungsmöglichkeiten abklären. Am 2. November 2017 bewilligte die Kreiskirchgemeindeversammlung einen Planungskredit von 150‘000 Franken für die Durchführung eines Studienauftrags. Aus den über 30 Eingaben wählte die Planungskommission im Spätsommer 2018 fünf Büros aus. Die Jurierung der Überbauungsvorschläge erfolgt im März 2019. Das Projekt ist kein Renditeobjekt, betont Werner Ryter. «Es soll eine dichte und qualitätsvolle Überbauung mit Vorzeigecharakter entstehen. Ökonomie und Ökologie sollen in einem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen.»

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