20.06.2022

Seit 40 Jahren finden Menschen in psychischen Nöten professionelle Hilfe beim BZBplus in Baden
«Die Sorgen kommen aus dem Netz»

Von Christian Breitschmid

  • Immer mehr Kinder und Jugendliche in der Schweiz brauchen psychologische oder psychiatrische Hilfe. Die entsprechenden Kliniken und Praxen haben ihre Kapazitätsgrenzen längst erreicht.
  • Im Beratungszentrum BZBplus in Baden finden Kinder und Jugendliche, aber auch deren Eltern und Angehörige schnelle und vor allem niederschwellige Hilfe in der Not.
  • Das BZBplus wurde vor 40 Jahren auf Initiative der politischen und kirchlichen Gemeinden des Bezirks Baden hin gegründet.

Vorbeugen ist besser als heilen. Das weiss kaum jemand besser als Michael Schwilk und sein Beratungsteam beim BZBplus. Im Haus an der Mellingerstrasse 30 in Baden arbeiten 14 Fachleute aus verschiedenen Bereichen der Psychologie/Psychiatrie, Sozialarbeit, Pädagogik und Administration. Hinzu kommen fünf Schulsozialarbeiterinnen und ein -arbeiter, die unter einem Rahmenvertrag mit den jeweiligen Schulen direkt vor Ort ihre Angebote realisieren.

Das grosse Plus des BZBplus ist der unkomplizierte Zugang. Über die Website des Beratungszentrums, https://bzbplus.ch, kann man sich per Kontaktformular gleich online anmelden. Aber auch via Telephonnummer 056 200 55 77 oder die Mailadresse info@bzbplus.ch können Ratsuchende den ersten Schritt tun. Immer dienstags findet von 12-13.30 Uhr eine offene Suchtsprechstunde im Zentrum statt. Für Beratungen stehen die BZB-Türen von Montag bis Freitag, jeweils von 9-12 und von 13-17 Uhr offen. Nur am Mittwochmorgen ist das Beratungszentrum geschlossen.

Grossherzige Trägerschaft

Und um die Werbung für dieses niederschwellige Hilfsangebot noch komplett zu machen: Die Berater des BZBplus unterstehen der Schweigepflicht und ihre Dienstleistungen sind für die meisten ihrer Klienten kostenlos. Das ist möglich, weil das Beratungszentrum finanziell getragen wird von 25 politischen Einwohnergemeinden und insgesamt 23 Kirchgemeinden, 16 davon katholisch, 6 reformiert und 1 christkatholisch, aus den Bezirken Baden und Zurzach.

Auch der Kanton beteiligt sich an den Kosten, indem er den Bereich Suchtberatung finanziert, die als Teil der flächendeckenden Suchtberatung im Aargau von allen Bürgern des Kantons kostenlos in Anspruch genommen werden darf. Die übrigen Beratungsangebote – Kinder & Familie, Jugend bis 25, Früherkennung – sind für Einwohner des Bezirks Baden kostenlos.

Patientenzahlen steigen

Gerade die jüngsten Krisen auf unserem Globus, die Coronapandemie und der Ukrainekrieg, führen der Menschheit vor Augen, wie verwundbar sie ist. Besonders verwundbar sind Kinder und Jugendlichen, die, beflügelt durch ihre Phantasie und mangels Lebenserfahrung, Bedrohungen oder Gefahren nicht richtig einschätzen, geschweige denn verarbeiten können. Die Warnrufe aus den Schweizer Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie sind nicht mehr zu überhören.

Schon vor der Pandemie stieg die Zahl der jungen Patienten von Jahr zu Jahr höher. Während der Pandemie kletterte sie auf aktuell rund 300’000. Damit hat sich ein bestehendes Problem verstärkt: Es gibt schweizweit zu wenig Therapieplätze für psychisch kranke Kinder und Jugendliche.

Corona hat den Prozess beschleunigt

«Corona war nur der Prozessbeschleuniger», sagt Michael Schwilk, «die Basis all dieser Probleme war schon vorher da.» Als Hauptursache für die psychischen Nöte der Kinder sieht Schwilk den steigenden, multifaktoriellen Druck, dem die Jugendlichen in unserer Wohlstandsgesellschaft permanent ausgesetzt sind. Es herrsche in der Schweiz eine hohe Arbeitsethik. Das Schulsystem leiste dieser Haltung noch Vorschub.

Die Massen- und sozialen Medien vermittelten den Jungen einen permanenten Präsentationsauftrag und zeigten ihnen, welche Kleider sie tragen, was sie essen und trinken, wie sie sich bewegen und wie sie aussehen müssen. «Es geht um Markenartikel und wohin man in die Ferien geht. Man muss auffallen und zeigen, was man hat. Die Medien pushen das gewaltig. Darum sage ich: Die Sorgen kommen aus dem Netz.»

Gelebte Diakonie

Wenn zum oben beschriebenen Druck von allen Seiten dann noch eine Krisensituation hinzukommt, wie eben eine Pandemie, ein Krieg oder auch nur schon die Umweltverschmutzung und die Klimaerwärmung, dann kriegen die jungen Menschen Angst. «Die Kinder und Jugendlichen müssen unheimlich viel schlucken», sagt Schwilk, «das kann irgendwann einfach zuviel werden.» Dann sei es wichtig, nicht nur für die Kinder, sondern auch für deren Eltern oder Angehörige, ohne grosses Prozedere mit einer Fachperson sprechen zu können. «Durch die neuen, virtuellen Möglichkeiten der Beratungen via Video, Telefon und E-Mail ist das BZBplus noch niederschwelliger geworden», schreibt Geschäftsleiter Michael Schwilk im Editorial des Jahresberichts 2021, der gerade erst erschienen ist.

Der Geschäftsbericht zeigt klar, wie wichtig das Angebot des BZBplus ist. Die Nachfrage steigt, die Erfolge sind nachweisbar. Vor 40 Jahren haben die Gemeinden des Bezirks Baden erkannt, dass Vorbeugen eben besser und auch billiger ist als heilen. In diesem Sinne lebt das BZBplus jeden Tag den christlichen Grundvollzug der Diakonie.

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