27.11.2023

«Horizonte»-Jahreskünstlerin Sonja Voser schaut zurück
«Ein Dialog zwischen mir und dem Papier»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Während des vergangenen Jahres hat Sonja Voser aus Wettingen zu den Hochfesten die Titelseiten der «Horizonte»-Printausgaben gestaltet.
  • Zum Abschluss ihres Engagements erzählt die Jahreskünstlerin, welches Fest für sie am herausforderndsten war und warum es heilsam sein kann, auch einmal ein Bild zu zerreissen.

Sieben Bilder für die «Horizonte»-Titelseiten hat Sonja Voser im vergangenen Jahr geschaffen. Sieben Bilder, so facettenreich wie die Hochfeste der katholischen Kirche. Siebenmal hat die Künstlerin überlegt, was sie selber mit diesem Fest verbindet, welche Aspekte sie betonen möchte und welche Maltechnik sie anwenden will. Am meisten Kopfzerbrechen hat ihr das Bild für die Ausgabe zu Karfreitag und Ostern bereitet. «Ostern war mein Sorgenbild, ich habe mich schon im Herbst damit beschäftigt. Ich hoffte, dass es mir so gelingt, wie ich es im Kopf hatte», erinnert sich Voser. Karfreitag sollte im Bild vorkommen, doch die Verzweiflung sollte nicht im Vordergrund stehen: «Zwar sollten die Kreuze Platz finden, denn ohne Kreuz gibt es keine Auferstehung. Doch den Fokus wollte ich auf die Auferstehung legen.»

Das Bild für die Ausgabe zu Karfreitag und Ostern von Sonja Voser. | Bild: zvg

Weg von der Erwartung

Mit dem fertigen Bild ist Sonja Voser zufrieden. Es zeigt den Blick aus einer Höhle in die aufgehende Sonne (siehe Bild unten). Bei der Arbeit mit Menschen in ihrem Atelier macht Voser die Erfahrung, dass fixe Vorstellungen die Kreativität hemmen. Viele Leute seien sehr hart im Urteil mit sich selbst, im Leben allgemein, aber eben auch im Malkurs oder in der Kunsttherapie. «Wir müssen weg von der Erwartung, hin zur wohlwollenden Erfahrung», sagt Voser. Statt zu sagen: «Das ist mir misslungen», kann jemand sein Werk betrachten und sagen: «Jetzt habe ich eine Idee, wie ich es das nächste Mal machen könnte.»

Zu gewinnen


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Als Kunsttherapeutin, Coach und Trauerbegleiterin hat Sonja Voser erlebt, wie heilsam es sein kann, etwas bewusst loszulassen. Sie hat einen konkreten Tipp: «Ein heilsamer Prozess kann sein, ein Werk in Stücke zu reissen und die Papierstücke in neuer Ordnung auf ein farbiges Papier aufzukleben. Vielleicht verbindet man die einzelnen Stücke noch mit Farbe. So entsteht etwas ganz Neues.» Auch in ihren Malkursen versucht Voser, Muster aufzubrechen: «Ich ermuntere die Leute, vom Kopieren wegzukommen und etwas Eigenes zu schaffen.» Als Künstlerin fordert sie sich immer wieder selber heraus, um zu wachsen. Weil sie nicht gerne grün malt, beschloss sie, ein Bild ganz in Grüntönen zu kreieren: «Ich habe einen inneren Widerstand gespürt, aber je länger ich malte, desto stärker habe ich das Grün zu meinem Grün gemacht. Das hatte etwas Versöhnliches.»

Irgendwo Frieden finden

Mit feinem Gespür für die Menschen arbeitet Sonja Voser als Trauerbegleiterin. Nicht nur der Tod naher Menschen kann Trauer auslösen, sondern ganz unterschiedliche Ereignisse wie eine Scheidung, der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Wohnortswechsel oder der Tod des Haustiers. Voser hilft den Menschen, ihre Emotionen zu ordnen: «So löst sich das Diffuse auf und die Gefühle kommen zum Vorschein. Gefühle müssen gefühlt werden.»

Durchs Malen oder Zeichnen können Gefühle einen Weg nach aussen finden. So gehen in Vosers Atelier zuweilen Kunst und Therapie fliessend ineinander über. Manche Menschen kommen etwa für einen Malkurs und beim kreativen Schaffen tauchen Themen auf, die sie stark beschäftigen. Andere kommen wegen einer Trauerbegleitung und finden im Atelier den Zugang zum Malen. Sonja Voser weiss: «Ein trauriges Ereignis anzunehmen, ist nicht immer möglich. Aber man kann lernen, es einzuordnen und irgendwo Frieden finden.»

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Voser hat jemanden erlebt, dessen Tinnitus beim Malen verstummt. Oder jemanden, der unter Knieschmerzen leidet, die während des Malkurses verschwinden. «Der Dialog zwischen mir und dem Papier vermag alles andere auszublenden», sagt die Künstlerin.

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