27.06.2022

«Synode 22» in Erinnerung und Fortführung der Synode von 1972 bis 1975
Eine fröhliche und selbstbewusste Minderheit

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Mitten in den weltweiten synodalen Prozess von 2021 bis 2023 fällt das 50-Jahr-Jubiläum der Synode 72 in der Schweiz.
  • Mit der Tagung «Synode 22: Macht und Partizipation» in der Paulusakademie in Zürich begingen der Verein tagsatzung.ch und die Fachstelle Bildung und Propstei dieses Jubiläum.
  • Das Treffen von über 100 Katholikinnen und Katholiken berührte eine Fülle an Themen. So soll sich die Kirche in die Politik einbringen und stärker mit der Klimajugend zusammenarbeiten, um eine fröhliche und selbstbewusste Minderheit zu werden.

Die Weltkirche steckt mitten im synodalen Prozess, welchen Papst Franziskus für den Zeitraum von 2021 bis 2023 ausgerufen hat. Im vergangenen Herbst startete der Prozess mit den Beratungen in den Diözesen rund um die Welt. Nun folgt die Beratung auf kontinentaler Ebene, im Herbst 2023 bildet die Bischofssynode in Rom den Abschluss des synodalen Prozesses. Mitten in diesen weltweiten Prozess fällt das 50-Jahr-Jubiläum der Synode 72 in der Schweiz. Unter diesem Namen fasst man die Veranstaltungen zusammen, die hierzulande zwischen 1972 und 1975 stattfanden und zum Ziel hatten, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils für die Schweizer Ortskirchen umzusetzen.

Mitorganisator Felix Senn vom Verein tagsatzung.ch erinnerte zu Beginn an den einmaligen basisdemokratischen Prozess der Synode 72. | Foto: mca
Der Verein tagsatzung.ch und die Fachstelle Bildung und Propstei der Aargauer Landeskirche hatten am 11. Juni zur Tagung «Synode 22: Macht und Partizipation. 50 Jahre Synode 72 – Wie weiter?» in die Paulusakademie in Zürich geladen. Die Veranstalter hatten sich vorgenommen, das Jubiläum der Synode 72 dazu zu nutzen, dringlichen Reformanliegen der kirchlichen Basis Gehör zu verschaffen. Das Treffen von über 100 Katholikinnen und Katholiken berührte eine Fülle an Themen. So soll sich die Kirche in der Politik einbringen und stärker mit der Klima-Jugend zusammenarbeiten, um eine fröhliche und selbstbewusste Minderheit zu werden.

Initiative – einmal mehr – von unten

Im Jahr 1972 hatten 330’000 Schweizerinnen und Schweizer an Befragungen teilgenommen, darunter Pfarreien, Vereine, Verbände und Ordensleute. «Bis heute gab es keinen auch nur annähernd so basisdemokratischen Prozess», rief Felix Senn den Tagungsteilnehmern in Erinnerung. Der Theologe und Mitorganisator erläuterte, die Initiative zur Synode 72 sei damals klar von oben gekommen: unter anderem vom damaligen Churer Bischof Johannes Vonderach und dem Basler Weihbischof Otto Wüst. Aus diesem Grund habe man im Vorfeld des Jubiläums bei den Schweizer Bischöfen angefragt, ob ein Erinnerungsakt geplant sei. Weil aber keine Zeichen der Bischöfe kamen, dass sie die Synode 72 erinnern wollten, habe man – einmal mehr – die Initiative von unten ergriffen.

Kein Argument gegen Reformen

Marie-Claire Graf engagiert sich in der Klimajugend, ist aktiv in internationalen Netzwerken und setzt sich für Klimagerechtigkeit ein. | Foto: mca
Der Vormittag war Impulsreferaten gewidmet. Der Theologe Odilo Noti sprach über Kirche und Politik, Marie-Claire Graf, Klimastreik-Mitinitiantin, informierte über Klimagerechtigkeit und der St. Galler Ständerat Paul Rechsteiner machte eine Auslegeordnung über das Stimmrecht für alle. Eva-Maria Faber, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur, widmete sich in ihrem Referat der Sakramententheologie, die Theologin und Pfarreiseelsorgerin Charlotte Küng sprach über den Ausschluss der Frauen vom Amt und Daniel Kosch, Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ, stellte Instrumente der Partizipation vor.

Daniel Kosch stellte eine Überbewertung des Institutionellen und der Kirchenstrukturen fest. In erster Linie sei die Kirche eine Nachfolgegemeinschaft Jesu. | Foto: mca
Kosch klärte gleich zu Beginn eines der Missverständnisse, die oft mit Reformforderungen der Kirche einhergehen: «Eine Trendumkehr bei den Mitgliederzahlen ist illusorisch, den die Säkularisierung entspricht einem gesellschaftlichen Megatrend.» Doch diese Tatsache sei keineswegs ein Argument gegen Reformen, denn Reformen würden die verbleibenden Katholiken zu einer fröhlicheren und selbstbewussteren Minderheit machen.

Kirche muss Thematisierungskompetenz verbessern

Das fulminante Referat von Odilo Noti griff den Vorwurf auf, die Kirche mische sich unstatthaft in die Politik ein. Er scheute sich nicht, unangenehme Wahrheiten auszusprechen: «Das kirchliche Engagement in politischen Fragen kann den gesellschaftlichen Mainstream nicht beeinflussen oder ändern.» Dennoch betonte Noti, die Beteiligung der Kirchen an der politischen Diskussion sei eine Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit. Abstinenz hiesse, den Anspruch auf Relevanz aufzugeben.

Der Bundespräses von Jungwacht Blauring Schweiz, Moritz Bauer, sieht das Hauptproblem in der fehlenden Glaubwürdigkeit der Kirche. | Foto: mca
Um mitzureden, müsse die Kirche jedoch ihre Thematisierungskompetenz verbessern, forderte Noti. Wie das funktionieren könnte, diskutierten die Teilnehmer des Ateliers «Kirche und Politik» am Nachmittag unter der Leitung von Claudia Mennen, Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei der Aargauer Landeskirche. Moritz Bauer, Bundespräses von Jungwacht Blauring, wies darauf hin, dass die Kirche gerade dort, wo sie in Austausch mit jungen Menschen sein könnte, kein Player sei. Ihre Fähigkeit, Themen zu setzen, sei eingeschränkt durch ein gravierendes Glaubwürdigkeitsproblem. Thomas Wallimann, Leiter von ethik22, dem Institut für Sozialethik, plädierte für mehr taktische Klugheit: «Die Kirche muss nach den politischen Spielregeln spielen. Politik ist wie Jassen – ich muss taktieren.» Claudia Mennen fasste in der Schlusspräsentation zusammen: «Kirche ist politisch. Wenn sie es nicht ist, verfehlt sie ihr Wesen.»

Schlussdokument in Arbeit

Thomas Wallimann, Leiter von ethik22, zog im Atelier «Kirche und Politik» Parallelen vom Jassen zur Politik. | Foto: mca
Alle Ateliers präsentierten im Abschlussplenum ihre Feststellungen und Forderungen. Einen Link zur Übersicht finden Sie hier. Im Nachgang zu dieser Tagung soll aus den Reflexionen und Ergebnissen ein Schlussdokument entstehen, das die Impulse, Anregungen und Forderung dokumentiert. Felix Senn sagte: «Das Dokument soll dann der kirchlichen Öffentlichkeit, den Bischöfen und Kirchenleitungen zur Weiterarbeit übergeben werden.» Die «Synode 22» soll mit dieser Tagung nicht zu ihrem Abschluss kommen.

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