23.05.2024

Lourdes – als Kraftort für Mädchen und Frauen
Eine Wallfahrt für Lourdes-Skeptiker*innen

Von Leonie Wollensack

  • Monika Hungerbühler, Theologin und Seelsorgerin, bietet zum zweiten Mal eine feministische Lourdes-Wallfahrt an.
  • Die Teilnehmenden sind eingeladen, einen neuen Blick auf Gottes- und Marienbilder zu werfen.
  • Und sie lernen Bernadette Soubirou, deren Erscheinungen den Beginn der Wallfahrtsstätte kennzeichnen, ganz anders kennen.

Lourdes – der Wallfahrtsort der Kranken. Es wird gemeinsam geklagt und gesungen, die Kranken werden gesegnet und tauchen in die Quelle hinab. Dieses Bild haben wohl die meisten Menschen im Kopf, wenn sie an Lourdes denken. Lourdes – der Kraftort für Mädchen und Frauen. Das ist für viele sicher ein neues Bild, das Monika Hungerbühler ins Zentrum der feministischen Wallfahrt stellt.

Neue Zugänge zu Bernadette und Maria

Hungerbühler war sich lange sicher: Nach Lourdes würde sie nie fahren. Mit dieser Form der Marienfrömmigkeit konnte sie nichts anfangen. Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums der ersten Erscheinung in Lourdes hörte sie ein Interview, bei dem die Soziologin und analytische Psychotherapeutin, Ursula Bernauer, ihren Blick auf Bernadette Soubirou richtete; auf das Mädchen, das die Erscheinungen in Lourdes hatte. «Dieses Interview hat für mich eine ganz grosse Tür geöffnet, hin zu Bernadette und darüber hinaus zu einem neuen Bild von Maria», erklärt Hungerbühler. Am Anfang der Geschichte steht ein ungebildetes, armes, krankes pyrenäisches Bauernmädchen, dem eine weibliche Gestalt erscheint. Bernadette spielt heute an diesem Ort jedoch nur noch eine verschwindende Rolle. Hungerbühler schaut hier mit dem feministisch-theologischen Blick genauer hin: Wer war diese 14-jährige Jugendliche, die diese Erscheinungen hatte? Welche Bedeutung kann das für Mädchen an der Schwelle zum Frausein haben? Ausserdem möchte Hungerbühler die dogmatisierte Maria ihrer Dogmen, also der lehramtlichen Glaubenssätze, entkleiden, auf Grundlage der biblischen Zeugnisse. Sie fragt: Um wen handelt es sich bei Maria? Inwieweit hat sie auch die Position und Funktion von antiken Göttinnen übernommen? «Es geht um Wiederaneignung von Tradition, es geht um Ermächtigung von Frauen und von all denen, die Vorbilder suchen und brauchen», so Hungerbühler.

Information und Anmeldung

Die feministische Wallfahrt nach Lourdes dauert von Samstag, 24. August bis Samstag, 31. August 2024. Via Autun und Bourges geht die Reise nach Nevers, wo Berdadette Soubirou im Kloster gelebt hat. Von Nevers reist die Gruppe zur Schwarzen Madonna nach Rocamadour und dann nach Lourdes, wo die Teilnehmenden einen neuen Blick auf den Wallfahrtsort wagen. Hinter dem Rummel des Ortes kann ein besonderer Mädchen-und Frauenkraftort entdeckt werden. Die Wallfahrt ist konzipiert vür 20 bis 25 Interessierte jeden Geschlechts. Rückfragen und Anmeldung: info@monika-hungerbühler.ch. Anmeldefrist ist der 1. Juli 2024.

Das pyrenäische Mädchen im Mittelpunkt

Bei den Aufenthalten in Lourdes möchte Hungerbühler Bernadette eine Stimme geben. Wie schildert das Mädchen das, was es gesehen hat? Bernadette beschreibt eine weibliche Person – so gross und so alt wie sie, barfuss, wie sie, die im selben pyrenäischen Dialekt zu ihr spricht. Wenn sie später davon berichtet, bezeichnet sie die Erscheinung in ihrem Dialekt als «Aquerò», zu deutsch «das da». Bis zuletzt übernimmt sie an keiner Stelle die Bezeichnung von der Jungfrau Maria. Etwa ab der Mitte der Erscheinungen wird der Druck seitens der Kirche so gross, dass sie die Erscheinung fragt, wer sie sei. Diese antwortet ihr: «Ich bin die unbefleckte Empfängnis.» Ab diesem Zeitpunkt hat das für sie «ganz Andere», das Unaussprechliche, einen Namen und die Menschen um sie herum können es nun verstehen und Anteil daran haben. Einige Jahre später wird ein Bildhauer beauftragt, eine Statue für den Wallfahrtsort anzufertigen. Bernadette wurde bei der Konzeption nicht miteinbezogen. Als sie die Statue sieht, sagt sie: «So hat sie nicht ausgesehen. Sie hat mich angesehen, ihr Kopf war mir zugeneigt.» Doch Bernadettes Meinung scheint keine Rolle zu spielen. Die feministische Wallfahrt gibt den Pilgernden die Möglichkeit, genauer auf Bernadette zu schauen. Mit diesem Wissen über das Mädchen, dem sich die Erscheinung gezeigt hat, können sich die Reisenden dem Ort neu widmen.

Schwarze Madonnen

Lourdes ist nicht die einzige Station der Wallfahrt. Auf dem Programm steht etwa auch Rocamadour, das bekannt ist für seine Schwarze Madonna. «Dort gehen wir der Frage nach, wie der Zusammenhang der Schwarzen Madonna zu anderen schwarzen Göttinnen ist», sagt Hungerbühler. Sie möchte Menschen erreichen, die bei einer traditionellen Wallfahrt sagen würden: «Lourdes, das ist nichts für mich.» Ihnen soll die Wallfahrt die Möglichkeit geben, Marienwallfahrtsorte als Kraftorte für Frauen zu entdecken.

Die Autorin arbeitet beim Basler Pfarrblatt «Kirche heute», das mit «Horizonte» fusioniert. Ab August 2024 wird Leonie Wollensack Teil der Redaktion des neuen Pfarrblatts Nordwestschweiz sein.

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