10.08.2020

Einzelne Ignoranten gefährden Mitchristen

Von Christian Breitschmid

  • Im Pastoralraum Region Brugg-Windisch wurden freiwillige Helfer von Gottesdienstbesuchern angepöbelt, weil sie für die Einhaltung der Coronaschutzmassnahmen eintraten.
  • Horizonte hat in weiteren Kirchenzentren des Kantons nachgefragt, wie es um das Verständnis der Kirchgänger für die Covid-19-Prävention steht.
  • Fazit: Die meisten Gläubigen haben verstanden, dass sie durch das Einhalten der Regeln nicht nur sich selber, sondern vor allem auch ihre Mitchristen vor einer Ansteckung bewahren.

 

 

Simon Meier versteht die Welt nicht mehr: «Diesen Leuten fehlt es an Respekt und Achtung, es fehlt die Grundhaltung eines Christen.» Die Geschichte soll hier nicht aufgebauscht werden. Pastoralraumleiter Meier sagt selber, dass es sich um Einzelfälle handelt. «Aber dennoch passiert es ein- bis zweimal pro Wochenende in unserem Pastoralraum.»

Erstaunliche Ignoranz

Die Rede ist von Gottesdienstbesuchern, die nicht einsehen, warum es Coronaschutzmassnahmen in den Kirchen gibt. Simon Meier hat auf diesen Umstand in der Horizonte-Ausgabe vom 19. Juli aufmerksam gemacht: «Leider kommt es immer wieder vor, dass die Helfer*innen beschimpft werden und sich Gottesdienstbesucher*innen ihren Anweisungen widersetzen.» Angesichts der Tatsache, dass die Ansteckungen mit Covid-19 in den vergangenen Wochen wieder kontinuierlich gestiegen sind, es noch kein klinisch erprobtes Heilmittel gibt und die Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung noch unbekannt sind, erstaunt eine solch ignorante Haltung nicht nur Fachleute.

Auch wenn es sich um Einzelfälle handelt, so fürchtet Simon Meier doch die Folgen: «Es sind Freiwillige, die sich in jedem Gottesdienst dafür engagieren, dass die Besucher sich nicht anstecken. Wenn diese Leute dann noch beschimpft werden für ihren Einsatz, dann löscht es denen doch irgendwann ab. Tatsache ist aber, dass uns das Thema Corona noch lange Zeit beschäftigen wird.»

Seitenschiffe aufgeteilt

Simon Meier erklärt sich die Halsstarrigkeit einzelner Kirchgänger so: «Die Leute leben heute alle selbständig und unabhängig. Da können sie es einfach nicht akzeptieren, wenn ihnen jemand sagt, wie sie sich verhalten und wo sie sich hinsetzen sollen – auch wenn es zu ihrem eigenen Besten und zum Schutz der Gemeinschaft ist.»

Nur 16 Kilometer weiter, in Frick, verhalten sich die Messebesucher grad gegenteilig. «Als man den Abstand von zwei auf eineinalb Meter verkürzen durfte», erzählt Pfarreiseelsorger Ulrich Feger, «da reagierten einige Gemeindemitglieder sehr sensibel. Einige der besonders gefährdeten Personen wünschten sich mehr Abstand. Also haben wir die zwei Seitenschiffe in unserer Kirche aufgeteilt, damit die Gottesdienstbesucher, die mehr Sicherheit brauchen, nun zwei Meter und die auf der anderen Seite eineinhalb Meter zwischen sich haben.»

«Noch alle fanden Platz»

Auch Baden, Zofingen und Muri vermelden keine Probleme mit widerspenstigen Gottesdienstbesuchern. Pfarrer Josef Stübi freut sich darüber, dass im Verhältnis zur Zeit vor Corona sogar «recht viele Leute» die Gottesdienste in Baden besuchen. «Bisher fanden noch alle einen Platz», sagt der Stadtpfarrer, «und wenn jemand nach dem Gottesdienst noch beichten will, dann setzen wir uns halt nicht in den Beichtstuhl, sondern gehen miteinander spazieren. So spricht es sich ohnehin viel leichter als auf so engem Raum, direkt vis-à-vis.»

«An Weihnachten kann es heikel werden»

«Man muss den Leuten halt immer mal wieder erklären, dass die Abstands- und Hygieneregeln zum Schutz von allen sind», betont der Pfarrer von Zofingen, Peter Friedli. Aus diesem Grund wird in Zofingen auch weiterhin auf gemeinsames Singen im Gottesdienst verzichtet. «Ich vermute nämlich, dass die Ansteckungen, die in Kirchen passieren, eher in freikirchlichen Kreisen zu suchen sind. Da herrscht ein viel spontanerer Umgang, gerade im gemeinsamen Singen und Beten. Aber wenn wir als Kirche die Menschen schon beraten, dann müssen wir auch mit gutem Beispiel vorangehen.»

Auch Pfarrer Friedli geht davon aus, dass die Coronakrise noch weiter anhalten wird. «Mit all den Lockerungen war es abzusehen, dass die Zahl der Ansteckungen wieder steigen würde», bekräftigt der Seelsorger. «Bei uns können 120 Personen in die Kirche. Das ist für einen normalen Sonntag kein Problem. Aber im Advent und an Weihnachten, da wird es unter diesen Voraussetzungen heikel. Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, kann es soweit kommen, dass dann an Weihnachten gar nichts geht.»

Gedenkfeier nach Corona

Im Pastoralraum Muri AG und Umgebung halten sich die Gottesdienstbesucher an die vorgegebenen Regeln. «Das liegt vielleicht auch daran, dass bei uns die Mitglieder der Pfarreiräte und Kirchenpflegen für die Umsetzung der Schutzmassnahmen in den Kirchen sorgen», erklärt Diakon und Pastoralraumkoordinator Francesco Marra. «Das sind Leute, die man kennt und denen man vertraut.»

Pfarreisekretärin Barbara Kaufmann bestätigt das Verständnis der Gläubigen für die Massnahmen: «Natürlich gab es am Anfang ein paar Murrli, die darauf beharrten, an ‹ihrem Platz› zu sitzen. Aber jetzt kennen sie die Abläufe und halten sich auch daran. Vieles kann man ja gut kommunizieren. Bei Beerdigungen etwa raten wir den Trauerfamilien, lieber gezielt einzuladen als breit zu publizieren. So können wir die Abstandsregeln gut einhalten.» Für die Trauernden sei dabei die Aussicht auf eine schöne Gedenkfeier nach der Coronakrise ein grosser Trost.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.