11.07.2016

Erneuerung mit Brennesseln

Von Georges Scherrer, kath.ch

Der ehemalige Einsiedler Abt Martin Werlen will die Glut unter der Asche nach oben kehren, damit wieder richtig Leben in die Kirche kommt. Der Aargauer Priester Adrian Bolzern bevorzugt für diese Erneuerung Brennesseln. Der Priester setzt sich an vorderster Front für die Kampagne «Chance Kirchenberufe» ein, welche die katholische Kirche in der Deutschschweiz lanciert hat.

Selbstmitleid sei der falsche Weg, bemerkte Adrian Bolzern, anlässlich der Vorstellung der Pfingstaktion der Kampagne «Chance Kirchenberufe» in Aarau. Man müsse selbstbewusst auftreten, um die katholische Kirche wieder auf Vordermann zu bringen. Dieses Ziel verfolgt auch der ehemalige Abt von Einsiedeln, heut kurz «Mönch Martin» genannt. Er sorgte als Abt mit seiner Broschüre «Miteinander die Glut unter der Asche entdecken» im Jahr 2012 für grosses Aufsehen. Adrian Bolzern will jedoch nicht die Asche kehren, sondern die Glut auf andere Weise entfachen. Er plädiert für Brennesseln. Diese sind, wie er auch in der Predigt zu sagen pflege, das reale Zeichen für das, was der Heilige Geist erneuert. «Erneuerung kann auch weh tun», lässt der Priester durchblicken. Wer mit entblössten Beinen in Brennesseln tritt, «ist auf einmal sehr wach». Man wird aus seiner Gleichgültigkeit herausgerissen. Der Geist, der abwesend war, ist plötzlich voll präsent. Genau das will der Priester. Darum setzt er sich bedingungslos für die Kampagne «Chance Kirchenberufe» ein. Die Kirche soll nicht Asche hüten, sondern offen sein für Neues.

Jugendliche wollen, dass Kirche ihnen entgegenkommt

«Chance Kirchenberufe» will  stärker auf die Jugend zugehen. zu diesem Zweck lancierte die Aktion eine Umfrage und brachte im März Jugendliche im Alter von 17 bis 23 Jahren mit dem Basler Bischof Felix Gmür zusammen. Die Kirche müsse sich wandeln, hatte die 18-jährige Andrea Keusch aus Boswil im Freiamt gefordert. Die Gesellschaft ändere sich, die Kirche müsse sich mit den Gottesdiensten anpassen. Die Aargauerin erhielt Unterstützung von Lea Willauer aus Wetzikon, die sagte: «Ich wünsche, dass die Kirche uns entgegenkommt und nicht wir uns anpassen müssen.»

Adrian Bolzern will aufgeweckte Menschen, welche die Welt verstehen und auch deuten sollen. Im sozialen Wald, den die Gesellschaft bildet, soll die Kirche als Brennessel wirken. Das Risiko ist gross. «Das beste Beispiel für die Brennessel ist Jesus Christus. Er hat die Menschen so gebrannt, dass sie ihn am Schluss umgebracht haben.» Die Kirche ist nicht eine «Kuschelreligion, die sagt: Wir sind alle lieb. Sie kann ab und zu einmal hart austeilen», meint der Priester – auch wenn Jesus mit Palmzweigen in Jerusalem begrüsst wurde. Bolzern weist darauf hin, dass der «Palmsonntag» nicht die gleiche Bedeutung wie «Pfingsten» hat. Letzteres ist das Fest des Heiligen Geistes. Nach dem Pfingstereignis hatten die Jünger auf einmal den Mut, in die Welt hinaus zu gehen.

«Wir haben etwas zu bieten»

Anders als der Palmzweig soll die Brennessel «uns brennen, damit wir aufwachen und nicht mehr klagen, es kommt niemand mehr in die Kirche. Sondern sagen: Wir haben etwas zu bieten. Wir sind wach, wir versuchen, auch bei den jungen Menschen zu sein.» Die Kirche müsse zeigen, dass sie eine attraktive Organisation ist, «in der man nicht nur arbeiten kann, sondern in der sich auch lohnt, sich in der Freiwilligenarbeit zu engagieren». Die Jugend stehe heute leider mehr auf Hanf als auf Brennessel, meint Adrian Bolzern augenzwinkernd und ergänzt: «In der Kirche brauchen wir keinen Hanf, da haben wir den Weihrauch. Wir sind schon abgedeckt.»

Wieder ernst fügt er hinzu, dass er sich schon oftmals gefragt habe, warum Gott überhaupt so ein Gewächs wie die Brennessel geschaffen habe. Auch diese Pflanze habe positive Seiten. «Sehr viele ältere Menschen haben bestätigt, dass die Brennessel ein Heilmittel ist. Sie hat heilende Wirkung – und dass passt ganz genau zum Heiligen Geist.»

www.chance-kirchenberufe.ch

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