09.02.2022

Es bleibt ein fahler Nachgeschmack

Von Christian Breitschmid

In ihrem gestrigen Newsletter veröffentlichten die Vatican News zwei Dokumente, die der Welt beweisen sollen, dass der emeritierte Papst Benedikt XVI. ein Schuldbewusstsein hat, im Sinne der an ihn gerichteten Vorwürfe aber unschuldig sei. Es geht um das Thema Missbrauchsfälle in der ehemaligen Diözese Papst Benedikts, dem Erzbistum München und Freising. In einem Brief an die Gläubigen des Erzbistums, die er als «liebe Schwestern und Brüder» anspricht und als «liebe Freunde» am Ende seines Schreibens segnet, bekennt er immerhin, dass während seiner Amtszeit in München-Freising, 1977 bis 1982, Fälle von sexuellen Übergriffen stattgefunden haben. Reue über sein Versagen als Vorgesetzter und Leitungsperson kann man seinen Äusserungen bestenfalls indirekt entnehmen: «Ich habe in der katholischen Kirche grosse Verantwortung getragen. Umso grösser ist mein Schmerz über die Vergehen und Fehler, die in meinen Amtszeiten und an den betreffenden Orten geschehen sind.» Elegant weitet er die Sicht auf die Missbrauchsthematik in der Kirche generell, und auf Grund vieler Gespräche mit Betroffenen rund um den Globus «kann ich nur noch einmal meine tiefe Scham, meinen grossen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen».

Gestützt durch den ebenfalls auf Vatican News veröffentlichten Faktencheck der Mitarbeiter von Papst emer. Benedikt XVI., betont dieser, dass er in seiner Stellungnahme zum unabhängigen Gutachten zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising nicht gelogen und nichts vertuscht habe. Die Mitarbeiter, die Benedikt XVI. in seinem Brief ebenfalls als «Freunde» bezeichnet und verdankt, sind drei Kirchenrechtler und ein auf Äusserungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt. Entsprechend liest sich das von diesen «Freunden» veröffentlichte Dokument, das juristisch erhärtet, was der Brief des zurückgetretenen heiligen Vaters, stilistisch geschickt formuliert, nur zwischen den Zeilen erkennen lässt: Hier wird keine Verantwortung übernommen, und Fehler haben, wenn überhaupt, andere gemacht. Dafür appelliert Benedikt XVI. an das Mitgefühl der Menschen, einem alten Mann zu vergeben, der «bald vor dem endgültigen Richter» seines Lebens stehe. Ein Ereignis, das er trotz «viel Grund zum Erschrecken und zur Angst» auch «frohen Mutes» erwarte, «weil ich fest darauf vertraue, dass der Herr nicht nur der gerechte Richter ist, sondern zugleich der Freund und Bruder».