11.03.2019

Fastenkampagne: «Etwas zum Besseren verändern»

Von Andreas C. Müller

  • Seit über 50 Jahren führen die Hilfswerke «Brot für alle» und Fastenopfer jährlich eine Ökumenische Kampagne während Fastenzeit durch. Künftig soll diese nicht nur Spenden generieren, sondern auch dazu anregen, den eigenen Lebensstil u verändern.
  • Laut Direktor Bern Nilles will sich Fastenopfer nach der Konzernverantwortungsinitiative weiter politisch engagieren. Man sei Kirche und Kirche müsse politisch sein, so das Credo des gebürtigen Deutschen.

 

Herr Nilles, Sie leiten seit zwei Jahren das Hilfswerk Fastenopfer und leben seither mit Ihrer Familie in der Schweiz. Sie meinten einmal, dass kein anderes Land so heftig darüber diskutiert, ob die Kirche politisch sein soll.
Bernd Nilles: In Belgien und Deutschland, wo ich vorher gearbeitet habe, scheint es jedenfalls selbstverständlich, dass sich auch die Kirche zu politischen und wirtschaftlichen Themen äussert.

Die Schweizer Bischöfe tun das selten direkt, sondern in der Regel über ihre Kommission «Justitia et Pax». Sollten die Bischöfe nicht in politischen Fragen klar Stellung beziehen?
Es ist gut, wenn Bischöfe sich durch Fachstellen beraten lassen. Wenn sie gut informiert ihre Entscheide fällen und sich zu wichtigen ethischen Fragen äussern, verstärkt das die Wirkung in der Gesellschaft. Dabei gilt es meines Erachtens im Einzelfall abzuwägen, ob man es der Fachorganisation überlässt, Stellung zu nehmen oder es als Bischofskonferenz auf Grundlage einer Empfehlung der Fachorganisation tut.

Fastenopfer unterstützt aktiv die Konzernverantwortungsinitiative. Inwieweit sind die christlichen Hilfswerke wie Fastenopfer oder «Brot für alle» so etwas wie der verlängerte politische Arm der Kirchen?
Wir sind kein verlängerter Arm, wir sind Kirche. Es gibt entsprechend auch nicht nur eine Stimme in der Kirche oder nur eine Meinung. Kirche lebt von Vielfalt. Aber es gibt Grundsätze christlichen Handelns, auf die wir Christinnen und Christen uns verschreiben.

Welche sind das Ihrer Ansicht nach?
Solidarität, Menschenwürde und Nächstenliebe. Gerade unser Einsatz für die Konzernverantwortungsinitiative ist verwurzelt in unserem Verständnis, dass die Verwirklichung der Menschenrechte eine Bedingung für ein Leben in Würde und für Gerechtigkeit ist. Und zwar weltweit, weil so ziemlich alles, was wir in der globalisierten Welt tun, konsumieren oder produzieren, weltweite Auswirkungen hat. Ich möchte sicher sein, dass das, was ich in der Schweiz kaufe, nicht das Leben anderer zerstört hat.

Sind weitere politischen Engagements im Sinne der «Kovi» geplant?
Selbstverständlich. Auch wenn wir aktuell der Konzernverantwortung viel Aufmerksamkeit schenken, werden wir bei anderen Zusammenhängen globaler Solidarität politisch aktiv werden – wie immer nicht parteipolitisch, sondern sachpolitisch. Parteiisch sind wir zugunsten der Armen. Das gilt auch bei einem weiteren wichtigen Thema – dem Klimawandel.

Ist denn das politische Engagement eines kirchlichen Hilfswerks in der Bevölkerung eher akzeptiert als dasjenige der Kirchen?
Fastenopfer hat den Auftrag, Armut zu bekämpfen und zu Gerechtigkeit beizutragen. Wenn politische Entscheidungen hier in der Schweiz oder im globalen Süden Armut und Ungerechtigkeit verschärfen oder nicht ausreichend sind, um diese zu überwinden, muss Fastenopfer sich zu Wort melden. Das tun wir seit beinahe 60 Jahren. Die Schweizerinnen und Schweizer spenden für Fastenopfer nicht, damit alles so bleibt, wie es ist, sondern weil sie etwas zum Besseren verändern wollen.

Seit über 50 Jahren führen die Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer jährlich eine Ökumenische Kampagne während Fastenzeit durch. Hat sich diese Zusammenarbeit bewährt? Ist sie gar Modell für weitere ökumenische Projekte?
Ja. Und wir werden mit neuen, gemeinsamen Aktionen überraschen. Der gemeinsame Einsatz für einen Wandel geht weiter, hier im globalen Norden wie im Süden. Dazu gehört eine neue Initiative, bei der wir mit vielen Menschen und Gemeinden den Co2-Fussabdruck in der Schweiz deutlich senken wollen.

Worum genau wird es dabei gehen?
Um Lebensstilwandel – das ist ein wichtiger Akt der Solidarität! Zuletzt haben wir die Online-Plattform «Join my Challenge» auf den Weg gebracht, die auch in diese Richtung wirkt und zudem Menschen für unsere Arbeit interessieren soll.

Die ökumenische Jubiläumskampagne 2019 setzt sich für eine Stärkung der Rechte der Frauen ein. Was soll die Kampagne konkret bewirken?
Die 50 Jahre der Ökumenischen Kampagne sind ein guter Anlass, um das Engagement von 50 Frauen zu zeigen, die stellvertretend für alle Menschen stehen, die sich für eine bessere Welt einsetzen. Um allerdings den Erfolg dieser Frauen zu sichern, müssen die Rechte der Frauen gestärkt werden. Dafür setzen wir uns ein. Denn Frauen leiden oft am stärksten unter Diskriminierung und verwehrtem Zugang zu Bildung, zu Rechten, zu bezahlter Arbeit.

Die Frage, wie politisch Kirche sein soll, sorgte Anfang Jahr für neuerlichen Wirbel, als ein so genannter Think Tank «Kirche/Politik» um Gerhard Pfister und Béatrice Acklin politische Äusserungen von Kirchenexponenten kritisierten.
Diese Debatte ist wichtig. Die Provokation seitens von Herrn Pfister und Frau Acklin führt hoffentlich dazu, dass sich noch mehr Menschen in der Kirche, aber auch die Bischöfe selbst deutlich zu Wort melden. Ein Think Tank zu Ethikfragen könnte helfen, dem «Schrei der Armen und der Erde» (Laudato Si) Gehör zu verschaffen. Gerade zu Grundsatzfragen wie Menschenrechten und der Bewahrung der Schöpfung braucht der politische Diskurs Impulse. Diese dürfen wir nicht den Berner Wirtschafts-Lobbyisten überlassen.

Apropos Politik: Der neue Aussenminister Ignazio Cassis wünscht eine engere Verknüpfung der Entwicklungshilfe mit politischen und ökonomischen Interessen der Schweiz. Welche Konsequenzen wird das für Fastenopfer haben? Ihr Hilfswerk bezieht ja auch Mittel von der DEZA.
Frieden, Gerechtigkeit, Schutz der Menschenrechte, Umweltschutz, Armut überwinden – all das sind Schweizer Interessen. Für diese setzt sich das Parlament, die Schweizer Diplomatie weltweit ein und eben auch die DEZA. Zudem ist die Schweiz wirtschaftlich stark und kann es sich leisten, in der Schweiz ansässigen Konzernen Vorgaben zu machen – wie die Einhaltung der Menschenrechte.

Es macht aber nicht den Anschein, dass es Ignazio Cassis um das geht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass EDA und DEZA auch in Zukunft verlässliche Partner in der Entwicklungszusammenarbeit sind. Dass Bundesrat Cassis und ich uns auch mal über ein Thema streiten, gehört zur politischen Kultur dieses Landes. So habe ich ihm bereits zu seinem Besuch bei Glencore in Sambia geschrieben und ihm ein Gespräch angeboten. Dem hat er zugestimmt, es wird voraussichtlich im März stattfinden.

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