21.07.2014

Friedensprozess um Jahre zurückgeworfen

Von Horizonte Aargau

Zwischen Israelis und Palästinensern ist es zu den schärfsten Auseinandersetzungen seit der letzten Gaza-Offensive im November 2012 gekommen. Die Kommission Justitia et Pax der katholischen Kirche im Heiligen Land ruft eindringlich zu einem radikalen Wandel in Israel und Palästina auf. Justitia et Pax in der Schweiz unterstützt diesen «Appell für einen mutigen Wandel. »Die gegenwärtige Eskalation der Gewalt wirft den israelisch-palästinensischen Friedensprozess stark zurück, befürchtet zudem der Sprecher der deutschen Benediktinerabtei Dormitio in Jerusalem, Nikodemus Schnabel.

Pater Nikodemus, wie schätzen Sie die gegenwärtige Lage im Heiligen Land ein?
Nikodemus Schnabel: Ich fühle mich zurückgeworfen in das Jahr 2012, dem letzten Gazakrieg. Positive Bewegungen in Richtung Frieden und Versöhnung wie etwa die Initiative von John Kerry, der Besuch von Papst Franziskus oder das Treffen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem israelischen Präsidenten Schimon Peres im Vatikan scheinen wie verpufft zu sein.

Wie betrifft die gegenwärtige Gewalteskalation die Christen vor Ort?
Die Christen sind wie immer diejenigen, die mit leisester Stimme sprechen, die keinen radikalen Flügel unterhalten. Sie kommen in der Wahrnehmung dieses Konfliktes zwischen jüdischen Israelis und muslimischen Palästinensern nicht vor. Die Christen sind somit vergessene Opfer, weil sie zahlenmässig untergehen. Allerdings würde ich auch sagen, dass Christen hier schon anderes durchgemacht haben und auch das überstehen, sie haben eine Überlebensmentalität.

Gibt es konkrete Auswirkungen für das Leben der Dormitio-Abtei?
Vor und während des Papstbesuches gab es viel Aufregung um die Nutzung des Abendmahlsaales. Es kam zu antichristlichen Demonstrationen und auf die Abteikirche ist ein Brandanschlag verübt worden. Dies alles ist jetzt in den Hintergrund getreten. Zynisch könnte man sagen, es gibt jetzt «Wichtigeres».

Die jüngste Eskalation folgt auf den Besuch des Papstes im Heiligen Land und das Friedensgebet, zu dem Papst Franziskus Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Israels Präsident Schimon Peres in den Vatikan eingeladen hat. Sehen Sie eine Verbindung zwischen den verstärkten Bemühungen um Frieden und dem wachsenden Extremismus?
Der Papst ist nicht an der Eskalation schuld, aber der Friedensprozess und die Handlungen des Papstes haben beiden Konfliktparteien viel abverlangt. Während des Papstbesuches hatten nach meiner Einschätzung die moderaten Kräfte die Oberhand, was die radikalen Kräfte grummelnd hinnehmen mussten. Jetzt verfallen beide Seiten wieder in altbekannte Muster und fast scheint es so etwas wie ein Aufatmen zu geben: Endlich weiss man wieder, wo dran man ist. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen mit den Friedensinitiativen überfordert waren. Man verlässt sich lieber auf die bekannten Hassmuster, als auf den anderen zuzugehen, das ist zu anstrengend. Für die Dialogbewegung ist die Eskalation allerdings ein Faustschlag. Viele, die sich sehr für den Frieden engagieren, sind frustriert und enttäuscht.

Ist in absehbarer Zeit mit Frieden oder zumindest dem Ende der Gewalt zu rechnen?
Der Friedensprozess ist sehr weit zurückgeworfen worden, viele Schritte wurden zunichte gemacht. Jetzt ist viel Wiederaufbau nötig, das Vertrauen muss wiedergewonnen werden. Was passieren kann, und darauf hoffe ich: Wenn die gesunde Zivilgesellschaft in Israel, die in diesem Konflikt der stärkere Partner ist, sich kritisch in Frage stellt und Stereotypen entlarvt, etwa in Bezug auf die bisher behauptete moralische Überlegenheit, dann könnten daraus zarte Pflänzchen entstehen und ein Umdenken einsetzen. Denn letzten Endes gibt es nur zwei Alternativen: Den kräftezehrenden und auch ökonomisch schädlichen Status Quo des Konflikts oder die zarte Stimme der Vernunft gegen Rassismus.

kipa/acm

 

www.dormitio.net

www.bischoefe.ch

 

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