16.03.2023

Fabienne Sterrantino hat sich mit der Ausbildung zur Katechetin einen Traum erfüllt
«Gott ist Liebe und Kirche Beziehungsarbeit»

Von Eva Meienberg

Kinder mit grossem Schulthek auf dem Rücken rennen über den Pausenplatz des Wettinger Schulhauses Märgelacker. Die Nachmittagsschule ist aus. Nur wenige Kinder bleiben auf dem Pausenplatz. Ihre Drittklässler holt Fabienne Sterrantino gerade für den Religionsunterricht ab.

Die Katechetin in Turnschuhen und Kapuzenpulli findet die Kinder schnell, die sich zum Spass versteckt haben. Die 42-Jährige hat vor Kurzem ihr Diplom als Katechetin erhalten. Während drei Jahren hat sie die ökumenisch organisierte Ausbildung ModulAar gemacht. Ein sportlicher Fahrplan sei das gewesen, sagt die zweifache Mutter und ohne die Unterstützung ihres Mannes gar nicht zu machen. Mit der Ausbildung habe sie sich ihren Traum erfüllt, Lehrerin zu werden – zum Glück, ohne Noten geben zu müssen, und mit weniger Elternarbeit als in der Regelschule.

Was es für den Beruf braucht

Die Idee zur Ausbildung kam ihr an einem Anlass ihres Sohnes. Damals stand sie mit Susi Estermann, Fachmitarbeiterin Katechese und Medien der Aargauer Landeskirche, am Feuer und briet Würste. «Für diesen Beruf braucht es die Begeisterung, mit den Kindern auf dem Weg zu sein, und die habe ich bei Fabienne gespürt», erinnert sich Susi Estermann. Alles andere könne man lernen, selbst, in den Glauben hineinzuwachsen. Noch während der Zeit als Versicherungsbrokerin bei der ABB, wo Fabienne Sterrantino während zehn Jahren gearbeitet hat, sammelte sie bei ihrer zukünftigen Mentorin, Susi Estermann, im Religionsunterricht erste Erfahrungen.

Fabienne Sterrantino ist so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen | Foto: Felix Wey

Die heutige Religionsstunde beginnt Fabienne Sterrantino in einem Stuhlkreis. Auf dem Boden liegt ein rundes schwarzes Tuch, darauf steht ein mit Sand gefülltes Glas mit Muscheln und einer Kerze. Heute darf Benjamin sie anzünden. «Die Kerze zünden wir an, als Zeichen, dass Gott bei uns ist», antwortet Yara auf die Frage der Katechetin. Fabienne Sterrantino erzählt von der Fastenaktion und deren zehn Gebote der Nahrung. Aber zuerst schreiben alle ihr Lieblingsessen auf einen Zettel, legen ihn auf den Stuhl und sitzen drauf. Erst am Schluss soll das Geheimnis gelüftet werden. Schwierig. Am liebsten würden alle sofort erzählen.

Kommunikationspanne

Plötzlich stehen die Fünftklässler von nebenan vor der Türe. Kommunikationspanne. Die Schülerinnen und Schüler kommen verspätet von einer Exkursion zurück und haben ihre Religionslehrerin verpasst. Kurzerhand lädt Fabienne Sterrantino ihre Ehemaligen ein, damit sie zu Hause nicht vor verschlossener Türe stehen. Jetzt sitzen doppelt so viele Kinder im Kreis. Kein Problem für Fabienne Sterrantino, denn sie ist ein Leuchtturm. Steht ruhig in der Brandung. Leuchtet in die dunkle Nacht und behält den Überblick. Das Bild des Leuchtturms habe sie in einer Weiterbildung mit auf den Weg bekommen. Seither hat sie das Bild offensichtlich verinnerlicht. «Es ist ein Geschenk, dass ich Leuchtturm-Fähigkeiten habe», sagt Fabienne Sterrantino. Denn die Liebe zu den Kindern reiche nicht aus für die Arbeit als Katechetin. Was braucht es noch? Flexibilität, Eigenständigkeit, die Bereitschaft, in einem verzettelten Pensum und an den Wochenenden zu arbeiten.

Ein Licht, das für Gott brennt

Fabienne Sterrantino möchte in den Kindern ein Licht entfachen, das für Gott brennt. «Gott ist für mich Liebe, und Kirche ist Beziehungsarbeit», bringt Fabienne Sterrantino ihren Auftrag auf den Punkt. Sie selbst hat dies als Kind so erlebt. Ihre Religionslehrerin habe es geschafft, eine herzliche Verbindung zur Klasse aufzubauen und den Kindern besondere Erlebnisse zu bieten. Unvergessen sei das Essen wie zu biblischen Zeiten mit Fladenbrot und Oliven. «Es sind immer die Menschen, die uns begleiten, auf die es ankommt», sagt Fabienne Sterrantino.

Katechese-Ausbildung

ModulAar heisst die ökumenisch angelegte Ausbildung der katholischen und reformierten Landeskirche. Sie befähigt die Absolventinnen und Absolventen Religionsunterricht in Schulen zu erteilen, Katechese in Pastoralraum oder Pfarrei mitzugestalten, Gottesdienste mit Kindern und Jugendlichen zu feiern und religiöse Projekte und Angebote für Erwachsene und Kinder zu entwickeln. Weitere Informationen und Daten für Informationsveranstaltungen finden Sie auf www.aareka.ch.

Gemeinsam Sorge tragen

«Unsere Erde hat Temperatur. Wir wollen gemeinsam dafür schauen, dass sie kein Fieber bekommt», erklärt die Katechetin den Kindern. Mit dem bewussten Umgang mit den Nahrungsmitteln könnten alle helfen, der Schöpfung Sorge zu tragen, sagt sie und gibt den Kindern ein paar Tipps für den nächsten Einkauf mit den Eltern. In drei Wochen findet die Familienkirche statt. Bis dahin sollen die Schülerinnen und Schüler einen kleinen Film vorbereiten zu einem der zehn Gebote der Nahrung.

«Iss bewusst und massvoll», steht auf dem Zettel, den Shayenne, Alessia und Jamie bekommen haben. Gemeinsam beraten sie, wie sie das Gebot verfilmen wollen. Jemand habe viel zu viel gegessen und müsse erbrechen und der andere krümme sich vor Hunger am Boden, ist die Idee von Alessia für den Plot. Shayenne will ihre Stofftiere mitnehmen als Protagonisten für den Film. Die Sache ist abgemacht. In der nächsten Lektion geht es los. Zwei Mädchen tun sich schwer und finden keine Idee, bis die Schulglocke läutet. «Kein Problem», sagt die Katechetin «bleibt noch kurz, wir schauen das nachher zusammen an.»

Fabienne Sterrantino am Erlebnistag mit den Erstkommunionkindern | Foto: Marie-Christine Andres Schürch

Sie sei hochtourig unterwegs, sagt Fabienne Sterrantino von sich. Tatsächlich spricht sie schnell, der Blick schweift durch die Brille über die Köpfe der Kinder. Kleine Störmanöver kontert sie elegant. Nie wird sie laut, ein auffordernder Blick, eine ermutigende Anweisung bringen die Kinder wieder auf die Bahn.

Fabienne Sterrantino ist in Oberentfelden aufgewachsen. Auf dem Papier seien sie reformiert gewesen, aber nicht religiös praktizierend. Vor der Heirat hat sie zum Katholizismus konvertiert. Das Vaterunser hat sie erst in der Ausbildung gelernt. Die katholischen Riten und Bräuche habe sie schnell liebgewonnen und feiere heute den Jahreskreis mit grosser Freude mit den Kindern.

Gemeinschaft mit Frauen

«Wenn du es in einer Gemeinschaft guthast, dann willst du da wieder hin», sagt die Katechetin. So müsse Kirche sein. Fabienne Sterrantino hat den liberalen Geist in der Ausbildung zur Katechetin genossen. Während der Ausbildung und in der Pfarrei hat sie vor allem Frauen kennengelernt, von denen sie viel gelernt hat und mit denen sie gerne zusammenarbeitet. In einer schriftlichen Arbeit hat sie ihrem Ärger über die Ungleichbehandlung der Frauen in der Kirche Luft gemacht. In ihrem Arbeitsalltag fühle sie sich als Frau aber nicht diskriminiert.

Der Religionsunterricht ist fast zu Ende. Fabienne Sterrantino stimmt ein kurzes Lied an: «Ich dänke a dich, ich verzelle vo dir, ich spüre, du bisch bi mir.» Jetzt machen sich auch die Drittklässler mit ihren Schulthek auf den Weg nach Hause.

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