16.11.2023

Während im Gazastreifen der Krieg tobt, ist das Caritas Baby Hospital fast im Normalbetrieb.
Grosse Not und leere Betten

Von Eva Meienberg

  • Das Caritas Baby Hospital ist in Betrieb aber nur wenige Kinder sind vor Ort.
  • Die Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in der Schweiz ist die Betreiberin des einzigen Kinderspitals im Westjordanland.
  • Seit dem Angriff der Hamas ist die Geschäftsführerin des Vereins, Sybille Oetliker, in täglichem Kontakt mit der Spitalleitung und spürt: «Die Unsicherheit wächst und die Angst wird grösser.»

Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober steht Sybille Oetliker, als Geschäftsleiterin der Kinderhilfe Bethlehem, täglich im Kontakt mit dem Caritas Baby Hospital in Bethlehem. Als ehemalige Nahostkorrespondentin der Aargauer Zeitung hat Sybille Oetliker viele Kontakte nach Israel und Palästina und sagt: «Die Verunsicherung der Menschen ist gross und die Angst vor einer Ausweitung des Konflikts belastend.»

Der Abschied von den Kindern fällt seit dem erneuten Krieg im Gazastreifen noch schwerer. | Foto: Meinrad Schade

Der Verein Kinderhilfe Bethlehem ist die Trägerin und Betreiberin des Caritas Baby Hospitals. Es ist das einzige auf Pädiatrie spezialisierte Spital im Westjordanland und versorgt Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und berät deren Eltern. Nach dem Angriff kämen nur noch etwa 40 Prozent der Kinder ins Ambulatorium zur Behandlung. Auch stationär seien lediglich ein Viertel der 70 Betten belegt, sagt Sybille Oetliker. Zu gross sei die Angst der Eltern, die Kinder nicht mehr besuchen zu können oder vom Besuch im Spital nicht mehr nach Hause zu kommen. Überall blockierten israelische Checkpoints die Zugangsstrassen zu den Städten und Dörfer im Westjordanland. Nur in Ausnahmefällen sei es möglich die Schranken zu passieren. In Notfällen führen die Ambulanzen noch aber die Wege seien länger, weil Strassensperren umfahren werden müssten.

Die Chefärztin des Spitals, Hiyam Marzouqa, habe ihr versichert, dass sie momentan über genügend Medikamente verfügten. Auch Lebensmittel seien ausreichend vorhanden. Für komplizierte medizinische Fälle arbeitet das Kinderspital mit Spitälern in Jerusalem zusammen. Bis jetzt bestehe diese Zusammenarbeit noch. Auch die Zusammenarbeit mit anderen palästinensischen Spitälern und Apotheken funktioniere gut.

Medikamente für chronisch kranke Kinder

Neben dem Ambulatorium und der Krankenstation betreibt das Spital auch einen Sozialdienst. Momentan sei es den Sozialarbeitenden aber nicht möglich die Familien aufzusuchen. Telefonisch seien sie aber im Kontakt mit ihnen und helfen, die notwendigen Medikamente etwa für chronisch kranke Kinder in nahegelegenen Apotheken oder Spitälern zu organisieren.

Ein Bild aus friedlicheren Tagen. Eine Ärztin spielt Fussball mit ihren Patienten. | Foto: Meinrad Schade

Obwohl im Spital die kleinen Patientinnen und Patienten fehlen, werde der Spitalbetrieb sieben Tage die Woche rund um die Uhr weitergeführt. Das Spitalpersonal nutze die freigewordene Zeit, um an Weiterbildungen teilzunehmen und Arbeiten zu erledigen, die in der hektischen Tagesroutine auf später verschoben worden seien. «Wir wollen, wenn immer möglich keine Mitarbeitenden entlassen», sagt Sybille Oetliker.

Spital als wichtiger Arbeitgeber

Viele Menschen in Bethlehem leben vom Tourismus und haben im Moment kein Einkommen. Wo in friedlicheren Zeiten Reisebusse und hupende Autos Bethlehems Strassen verstopften und alle Menschen über die Staus klagten, seien die Strassen nun leer, sagt Sybille Oetliker. «Bethlehem ist tot», habe die Chefärztin die Stadt beschrieben. Palästinenserinnen und Palästinenser, die in Israel arbeiten, dürfen das Westjordanland nicht verlassen. Umso wichtiger sei es, dass das Spital als einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region niemanden entlasse, sagt die Geschäftsleiterin.

Strassensperren blockieren die Strassen zwischen den Dörfern und Städten im Westjordanland. | Foto: zVg

Das Caritas Baby Hospital würde gerne Soforthilfe leisten und chronisch kranke Kinder aus Gaza aufnehmen aber im Moment sei selbst für kranke Kinder die Grenze geschlossen. Auch vor dem Krieg hätten sie kaum Kinder aus Gaza hospitalisieren können. Zu restriktiv waren die Genehmigungen des israelischen Staates zur Ausreise, sagt Sybille Oetliker.

Soforthilfe für Gaza

Aktuell leistet der Verein Kinderhilfe Bethlehem mit 20’000 US-Dollar Hilfe, um die Wasserversorgung von Zivilisten in Gaza-Stadt zu unterstützen. Die Mittel stammen aus Reserven des Vereins und die Spende geht über das Lateinische Patriarchat von Jerusalem. Nach Luftangriffen auf Gaza-Stadt wurde sowohl die orthodoxe Kirche des Heiligen Porphyrius als auch die katholische Pfarrei beschädigt, wohin sich viele Menschen geflüchtet hatten.

Caritas Baby Hospital

Das Caritas Baby Hospital geht auf die Staatsgründung von Israel im Jahr 1948 zurück. Damals lebten tausende palästinensische Vertriebene in Zelten. Die Caritas-Mitarbeiterin Hedwig Vetter und Dr. Antoine Dabdoub richteten in Bethlehem medizinische Hilfe für Mütter und ihre Kinder ein. 1978 wurde das Caritas Baby Hospital eingeweiht.

Die Leitung des Caritas Baby Hospital ist in lokaler Hand. Betrieben und finanziert wird das Spital vom Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern. Sybille Hardegger ist die Präsidentin des Vereins. Bischof Felix Gmür vom Bistum Basel und Stephan Burger, Erzbischof von Freiburg im Breisgau sind die Protektoren des Kinderspitals. Spenden werden ausschliesslich für die medizinische Versorgung der Kinder verwendet.

Der Betrieb des Caritas Baby Hospitals ist zu zwei Dritteln von Spenden aus der Schweiz, Deutschland und Italien abhängig. Der Trägerverein überweist monatlich Geld für Löhne, Medikamente und Unterhaltskosten. Glücklicherweise funktioniere der Zahlungsverkehr bis jetzt uneingeschränkt. Nach drei Tagen sei das Oktober-Geld angekommen. Ein Drittel erwirtschaftet das Spital durch Leistungsverträge mit dem Gesundheitsministerium und der United Nations Relief and Works Agency, kurz UNRWA. Diese Verträge würden eingehalten. Ein weiterer Teil der Erträge schliesslich stammt aus dem Selbstbehalt der Patientinnen und Patienten. Da viele Einkommen nun wegfielen und die Armut der Bevölkerung zunehme, sei das Spital vermutlich auf weitere Spenden angewiesen.

Treue Spenderinnen in der Schweiz

«Wir haben viele treue Spenderinnen und Spender», sagt die Geschäftsleiterin der Kinderhilfe Bethlehem. Darunter sind Einzelpersonen, Stiftungen, Städte, Gemeinden, Kantone, Kirchgemeinden und Pfarreien. In der Schweiz wird die Arbeit der Kinderhilfe Bethlehem zudem durch die Schweizer Bischofskonferenz unterstützt, die seit 1964 den Pfarreien vorgibt, die Weihnachtskollekte für das Caritas Baby Hospital aufzunehmen.

In den täglichen Telefonaten mit dem Spitaldirektor, Issa Bandak und der Chefärztin Hiyam Marzouqa spürt Sybille Oetliker, wie die Unsicherheit wächst und die Angst grösser wird. Viele Palästinenserinnen und Palästinenser fühlten sich verlassen von der Welt und machtlos, solange Raketen auf den Gazastreifen geschossen werden. Das hat die Präsidentin der Kinderhilfe Bethlehem, Sybille Hardegger, zum Anlass genommen, allen Mitarbeitenden des Spitals einen Brief zu schreiben, indem sie ihnen ungebrochene Solidarität und Unterstützung zugesichert hat.

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