10.11.2022

Engagement für den sozialen Zusammenhalt und die Gemeinschaft sichtbar machen
Herbstsynode der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau

Von Jeannette Häsler Daffré, Marie-Christine Andres

  • Am Mittwoch, 9. November 2022, tagte das Parlament der Römisch-Katholischen Landeskirche des Kantons Aargau im Grossratssaal in Aarau.
  • Für die zurücktretende Kirchenrätin Dorothee Fischer wurde Carsten Mumbauer gewählt, der Co-Pastoralraumleiter des Pastoralraums Region Brugg-Windisch.
  • Gastredner Michael Marti von der Ecoplan AG präsentierte im ersten Teil der Synode eine Studie zur Zukunft der Kirchenfinanzen, welche zeigte, wann und wie stark sich der aktuelle Mitgliederschwund auf die Steuereinnahmen auswirkt.
  • Das gezeigte Szenario gibt einerseits Anlass zur Sorge – ist aber auch Ansporn fürs Parlament, sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, dass die katholische Kirche im Aargau und darüber hinaus eine Zukunft hat.

Die Mitglieder der Synode bekamen im Grossratssaal die Energiesparmassnahmen der Aargauer Regierung am eigenen Leib zu spüren. Maximal 18 bis 20 Grad dürfe die Raumtemperatur noch betragen, verkündete Andreas Gubler, der Präsident der Synode. Wesentlich unangenehmer noch als die frische Temperatur im Saal war jedoch das Szenario, das Michael Marti, Bereichsleiter Gesellschaft der Ecoplan AG in Bern, in seinem Referat zur Studie «Zukunft der Kirchenfinanzen» zeichnete. Gemäss Bundesamt für Statistik gehören aktuell rund 5 Millionen der ca. 8,7 Millionen, also rund 57 Prozent der Einwohner der Schweiz einer der beiden grossen christlichen Kirchen an. Rund 3 Millionen der Gesamtbevölkerung bezeichnen sich als römisch-katholisch.

Graue Haare? Jetzt!

Fast alle Kurven zeigten nach unten: Michael Marti zur Entwicklung der Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen der Landeskirchen. | Foto: Marie-Christine Andres
Die von Marti durchgeführte Studie stellt nun in Aussicht, dass ab dem Jahr 2025 weniger als 50 Prozent der Bevölkerung Mitglied einer Landeskirche sein werden. Das Hauptszenario für die katholische Kirche in der Schweiz ist die Abnahme auf 1‘735‘000 Mitglieder bis ins Jahr 2045. Damit würde das Gesamtvolumen der Steuereinnahmen bis ins Jahr 2045 um rund einen Viertel schrumpfen. Da die Landeskirchen im Kanton Aargau keine Kirchensteuern von juristischen Personen und keinen Staatsbeitrag erhalten, sind die Gesamteinnahmen vollumfänglich von der Mitgliederzahl abhängig. Die Rückgänge betreffen vor allem die jüngeren Alterskategorien bis 44 Jahre. Auf die Frage aus dem Plenum, ab wann man beginnen sollte, sich ob der düsteren Prognose graue Haare wachsen zu lassen, lautete Martis Antwort schlicht: «Jetzt!».

Im Lauf der folgenden Sitzung machten Kirchenrat und Synode der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau klar, dass sie angesichts der Prognosen nicht in Resignation verfallen, sondern die ihnen anvertrauten Ressourcen engagiert und umsichtig zum Wohl der Menschen im Kanton einsetzen wollen. Es ist zentral zu zeigen, welche gesamtgesellschaftliche Bedeutung die seelsorgerischen und karitativen Leistungen die Kirche unter anderem für den sozialen Zusammenhalt und die Gemeinschaft erbringt.

Praxisbegleitung in der Ausbildung als Katechetin und Jugendarbeiter

Eine Massnahme, dem Mitgliederschwund mindestens indirekt entgegenzuwirken, schlug der Kirchenrat gleich selber vor. Er stellte der Synode in einem Antrag ein neues Praxisbegleitungskonzept für die Katechese und die kirchliche Jugendarbeit vor. Die Kirchenräte Dorothee Fischer und Michael Jablonowski präsentierten den Synodalen Werkzeuge und Ziele des Konzepts. Die Fachstellen Jugend und junge Erwachsene sowie Katechese-Medien, die im und für den Aargau Katechetinnen und Jugendarbeiter nach «ForModula» ausbilden, können neu sogenannte «Ausbildungs-Pastoralräume» schaffen, in denen die Ausbildung von qualifiziertem Personal noch besser gefördert werden kann. Die Auszubildenden dieser Pastoralräume besuchen ein Hospitationspraktikum, Interessierte an kirchlichen Berufen dürfen dort Schnupperpraktika absolvieren und Jugendliche können dort ihr Sozialpraktikum der Fachmittelschule absolvieren.

Die Landeskirche setzt ihre Ressourcen umsichtig ein. Ihr Engagement kommt längst nicht nur dem katholischen Teil der Bevölkerung zugute. | Foto: Marie-Christine Andres

Damit eine Person unkompliziert in einem Ausbildungs-Pastoralraum einen Ausbildungsplatz bekommt, unterstützt die Landeskirche die Ausbildung mit der Kostenübernahme der Stellenprozente für den Auszubildenden jeweils für ein Jahr und finanziert Mentorinnen und Mentoren, welche die Auszubildenden während und nach dem Praktikum begleiten. Dem Antrag des Kirchenrats, das neue Praxisbegleitungskonzept für die Katechese und kirchliche Jugendarbeit zu genehmigen, wurde zugestimmt.

«Kalte» Austritte vermindern

Erfreulicherweise hat bereits der grösste Teil der Kirchgemeinden die Software «KiKartei» für die Mitgliederdatenverwaltung eingeführt, für welche die Landeskirche die Kosten für die Kirchgemeinden vorfinanzierte. Eine einheitliche Mitgliederdatenverwaltung ermöglicht nicht nur Kosteneinsparungen und verursacht weniger administrativen Aufwand, sie wird dank dem Datenabgleich mit dem kantonalen Einwohnerregister auch die Qualität der Mitgliederdaten verbessern. Insbesondere wird es mit der Zeit möglich sein, kirchliche Informationen wie Tauf- oder Erstkommuniondaten auch nach einem Umzug zu sichern und damit die sogenannten «kalten» Austritte zu verringern. Die Synodalen genehmigten die Schlussabrechnung, so dass der Verpflichtungskredit abgeschlossen werden kann.

Landeskirche will ein attraktiver Arbeitgeber sein

Das Budget der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau für das Jahr 2023 mit einem Zentralkassenbeitragssatz von 2,7 Prozent wurde von den anwesenden rund 150 Synodalen einstimmig genehmigt und der Finanzplan 2024–2026 zur Kenntnis genommen. Kontrovers diskutiert wurde vorab die Frage, in welchem Umfang die aktuell hohe Teuerung bei den Löhnen ausgeglichen werden soll. Herr Francis Kuhlen, Kirchgemeinde Lenzburg, reichte einen entsprechenden Änderungsantrag ein, mit welchem er einen tieferen Teuerungsausgleich von 2,0 Prozent und einer individuellen Lohnerhöhung von 0,5 Prozent (mit Ausnahme der Verwaltung 1,0 Prozent) forderte. Das Parlament folgte schliesslich einem vermittelnden Vorschlag des Kirchenratspräsidenten, welcher gegenüber dem ursprünglichen Budget mit einem Teuerungsausgleich von 3,4 Prozent den Ausgleich neu bei 3 Prozent ansiedelt. Gleichzeitig wurde die Individuelle Lohnerhöhung von 0,75 Prozent auf 0,5 Prozent gekürzt, was Ersparnisse von insgesamt 60’000 Franken mit sich bringt. Luc Humbel betonte, dass die budgetierte Lohnsumme ein bewusster Entscheid des Kirchenrates gewesen sei, denn die Landeskirche wolle ein Arbeitgeber sein, der auch dann zu den Mitarbeitenden hält, wenn es phasenweise finanziell wehtue.

Kirchenratspräsident Luc Humbel informiert die Synode über laufende Projekte der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau. | Foto: Marie-Christine Andres

Überblick über Projekte und Personalsituation

Luc Humbel informierte die Synode über den Stand der laufenden Projekte. Auf gutem Weg sind die Kirchgemeinden mit der Umsetzung des Auftrags, ihr Informationsmanagement und die Archivierung gemäss den gesetzlichen Anforderungen zu regeln. Im Projekt «Zukunft Vielfalt Kirche Aargau», welches das Miteinander der «einheimischen Kirche» mit Migrantinnen und Migranten und auch den verschiedenen anderssprachigen Missionen weiterentwickeln will, wurden Anregungen zur Umsetzung erarbeitet.

Der Bistumsregionalverantwortliche Tobias Fontein verschaffte einen Überblick über die Personalsituation in den Aargauer Pastoralräumen. | Foto: Marie-Christine Andres
Der Bistumsregionalleiter Tobias Fontein bot der Synode einen Überblick über die personelle Situation in den verschiedenen Pfarreien und informierte über den Stand des synodalen Prozesses. Nach dem ausführlichen Bericht über die knifflige Personalsituation in einigen Aargauer Pastoralräumen schloss Fontein mit den Worten: «Nun wissen Sie, was wir im Bischofsvikariat den ganzen Tag machen.» Der nächste Schritt im synodalen Prozess im Bistum Basel ist für den 7. bis 9. September 2023 geplant, dann soll hier eine zweite Synodale Versammlung einberufen werden.

Dank für jahrelanges Engagement

Dorothee Fischer verlässt den Kirchenrat auf Ende 2022. | Foto: Marie-Christine Andres
Für die Nachfolge von Dorothee Fischer, die per Ende Dezember nach acht Jahren aus dem Kirchenrat zurücktritt, wurde Carsten Mumbauer für die Amtsperiode 2023-2026 neu in den Kirchenrat gewählt. Er ist Co-Pastoralraumleiter des Pastoralraums Region Brugg-Windisch und Gemeindeleiter der Pfarreien St. Nikolaus Brugg sowie St. Marien Windisch. Mumbauer übernimmt das Ressort Katechese, das Dorothee Fischer in den vergangenen Jahren als Theologin, Seelsorgerin, Pastoralraumleiterin sowie als Gemeindeleiterin massgeblich geprägt und weiterentwickelt hat. Kirchenrat Luc Humbel verabschiedete sie mit grossem Dank für ihre engagierte und wertvolle Arbeit.

Ebenso verabschiedet wurde Markus Ursprung, der nach 32 Jahren aus der Geschäftsprüfungskommission GPK zurücktritt, und Andreas Gubler, der das Präsidium der Synode auf das Legislaturende abgibt.

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