05.09.2022

Dorothee Fischer tritt per Ende Jahr von ihrem Amt als Aargauer Kirchenrätin zurück
«Ich habe nichts alleine bewirkt»

Von Interview: Jeannette Häsler Daffré/kathaargau, chb

  • Kirchenrätin Dorothee Fischer verlässt nach achteinhalb Jahren den Kirchenrat der Römisch-​Katholischen Kirche im Aargau per Ende Jahr.
  • Sie behält weiterhin ein Teilpensum als Heimseelsorgerin.
  • Im Interview mit Horizonte verrät sie mehr über ihre Beweggründe und Zukunftspläne.

Dorothee Fischer-Hollerbach hat entschieden, ihr Amt als Kirchenrätin der Aargauer Landeskirche nach achteinhalb Jahren per Ende 2022 niederzulegen. Um mehr Zeit für eine Standortbestimmung zu haben, hat sie diesen Juli auch die Leitung des Pastoralraums Region Brugg-Windisch abgegeben. Während der letzten zwölf Jahre hat Dorothee Fischer das Leben der römisch-katholischen Kirche in der Region Brugg-Windisch als Theologin, Seelsorgerin und Ansprechpartnerin im Kirchenzentrum Paulus Birrfeld sowie als Gemeindeleiterin in der Pfarrei St. Marien Windisch massgeblich geprägt. Ein Jahr lang amtete sie auch als Kommunikationsverantwortliche des Pastoralraums.

Als Kirchenrätin war sie verantwortlich für das Ressort Katechese-Medien und somit auch für die ökumenisch getragene Aus- und Weiterbildung der katechetisch Tätigen. Nach wie vor bleibt die 55-Jährige im Auftrag der Landeskirche mit einem 30-Prozent-Pensum im Pflegezentrum Süssbach und für die Alterswohnungen Schönegg in Brugg als Heimseelsorgerin tätig. Dieses Interview, in gekürzter Fassung, lesen Sie auch in der Horizonteprintausgabe Nr. 37/38, die am 8. September erscheint.

Frau Fischer, Sie haben zwei Legislaturperioden als Kirchenrätin mitgeprägt und nehmen sich jetzt eine Auszeit für eine Standortbestimmung. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Dorothee Fischer: Es sind verschiedene Gründe. In diesen zwölf Jahren im Pastoralraum war ich in verschiedenen Funktionen tätig und konnte vieles mitgestalten, mitprägen und Erfahrung sammeln. Neben der Arbeit im Kirchenrat und der seelsorglichen Arbeit in der Pfarrei habe ich seit vier Jahren meine Arbeit im Pflegeheim. All diese Aufgaben zusammen sind etwas viel geworden. Jetzt ist für mich auch von der Lebensphase her ein idealer Moment, um zu schauen, wie es beruflich weitergeht, wo ich Schwerpunkte setzen will, wie meine nächsten zehn Jahre Berufstätigkeit aussehen sollen.

Was waren Ihre Höhepunkte und Erfolge während dieser Zeit im Kirchenrat?
Ich erlebte viele schöne Begegnungen und durfte interessante Geschäfte begleiten, beispielsweise das neue Personalreglement oder die Anstellungsbedingungen für Katechetinnen und Katecheten, an denen wir arbeiten, oder auch die Intensivierung ökumenischer Zusammenarbeit im Bereich Katechese. Das gute Team im Kirchenrat war einer der Gründe, weshalb ich mich hier lange und gerne engagiert habe. Wir hatten als Gremium ein sehr gutes Miteinander. Auch in meinem Ressort und im Stipendienfonds für Menschen in Ausbildung im Bereich Theologie, Katechese, Kirchenmusik, Sozial- oder Jugendarbeit konnte ich immer mit sehr kompetenten und liebenswerten Menschen zusammenarbeiten.

Speziell in Erinnerung bleiben mir die Kirchenratsklausuren, an denen immer Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Politik oder Kirche zu Kaminfeuergesprächen eingeladen wurden. Das war persönlich eine wertvolle Horizonterweiterung. Ein Highlight war auch die jährliche Diplomübergabe an die neu ausgebildeten Katechetinnen und Katecheten. Es war immer eine Freude zu sehen, was für tolle Menschen sich engagieren und sich auf diesen Weg begeben.

Welche Anliegen standen für Sie als Kirchenrätin im Vordergrund?
Mein Anliegen war es, von der staatskirchenrechtlichen Seite her die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Arbeit vor Ort in den Pastoralräumen, in der Seelsorge, in der Katechese möglichst gut umgesetzt werden kann.

Worauf sind Sie stolz?
Ich hatte nie den Eindruck, dass ich allein etwas bewirkt habe. Es war immer eine Teamarbeit innerhalb des Kirchenrats, mit den Kommissionen und der Fachstelle Katechese-Medien. Am ehesten möchte ich hier die gute ökumenische Zusammenarbeit nennen, die sich noch intensiviert hat in der ganzen Region Nordwestschweiz, wozu ich sicher einen Anstoss geben konnte.

Gab es auch Knackpunkte in Ihrer Arbeit, in Ihrem Ressort Katechese-Medien?
Als grösste Herausforderung empfand ich die Komplexität der Geschäfte. Diese sind äusserst vielfältig, und es ist sehr wichtig, sich da gut vorzubereiten. Wir behandeln Finanzfragen, Rechtliches oder Strukturen. Dem gerecht zu werden, neben der Arbeit in der Pfarrei, im Pastoralraum, im Pflegeheim und mit Familie, war nicht immer einfach.

Als Heimseelsorgerin, Pastoralraumleiterin und Kirchenrätin hatten sie eine Mehrfachrolle innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau. Wie konnten sie damit umgehen?
Es war anspruchsvoll. Gleichzeitig gab es auch viele Verbindungslinien. Es ist meine Stärke, verschiedene Perspektiven einzubringen. Denn es liegt mir, zu vernetzen, verschiedene Erfahrungen und auch Wissen einzubringen und auf der anderen Seite den Informationsvorsprung aus dem Kirchenrat wieder für die tägliche Arbeit mitzunehmen. Es war für beide Seiten wertvoll und fruchtbar und nur möglich, weil ich als strukturierter Mensch mich gut organisieren kann. Als Familienfrau mit drei erwachsenen Kindern, davon eines pflegebedürftig, bin ich es gewohnt, dass alles sehr gut geplant werden muss.

Welche aktuellen Themen und Herausforderungen stehen aus Ihrer Sicht für die römisch-katholische Kirche im Vordergrund – im Aargau aber auch darüber hinaus?
Aus meiner Sicht ist es wichtig, auf ein gutes Miteinander zwischen Kantonalkirche und Bistum zu achten und den guten Beziehungen Sorge zu tragen, auch wenn es personell immer enger wird. Von Seiten des Bistums sehen wir schwindende personelle Ressourcen, zum Beispiel für die Kommissionen und Regionalleitungen. Es wird allgemein schwieriger, Stellen in der Seelsorge und in Leitungspositionen zu besetzen. Spürbar werden auch die schwindenden finanziellen Mittel.

Als grösste Herausforderung sehe ich den Relevanzverlust unserer Kirche. Die gute Arbeit, die vor Ort geleistet wird, hat zunehmend weniger gesellschaftliche Bedeutung. Die Frage ist, wie die Kirche ihren wichtigen gesellschaftlichen Auftrag weiter erfüllen kann, trotz schwindender Ressourcen und der grossen Glaubwürdigkeitskrise. Darüber hinaus sind wir eine Migrationskirche mit einer grossen Vielfalt an Nationalitäten, Kulturen und christlichen Prägungen, die zusammengeführt werden müssen. Da wird das neue Projekt «Zukunft Vielfalt Kirche Aargau» helfen, diese Einheit in der Vielfalt zu gestalten.

Wie sehen Sie die Rolle der Frau in der römisch-katholischen Kirche?
In meinen verschiedenen Rollen habe ich erfahren, dass ich als Frau sehr vieles absolut gleichberechtigt mitgestalten kann. Für mich war das eine schöne Erfahrung, die in unserem Bistum möglich, jedoch nicht selbstverständlich ist. Aber das ist und bleibt ein Thema. Alle finden es wunderbar, dass Frauen in verschiedenen Gremien und Stufen gute Arbeit leisten. Dennoch ist für die Leitungsebene der Kirche nur das Geschlecht ausschlaggebend. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit der Kirche, das ist meines Erachtens heutzutage so nicht mehr vermittelbar.

Gibt es etwas, das Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben möchten?
Ich wünsche ihr oder ihm Leidenschaft für das, was katechetisch Tätige vor Ort leisten. Die Religionslehrerin oder der Religionslehrer ist manchmal noch der einzige Kontakt zur Kirche. Zudem erwarte ich einen grossen Einsatz dafür, die Menschen bestmöglich zu unterstützen, die hier arbeiten oder die sich in Aus- und Weiterbildung auf den Weg machen. Und dann wünsche ich Begeisterung für ein vernetztes Unterwegssein als Landeskirche mit dem Bistum, in der Ökumene und auch mit den kantonalen Stellen.

In welche Richtung wird es für Sie weitergehen?
Ich bin jetzt noch in meiner Standortbestimmung. Im Kirchenrat bleibe ich bis Ende Jahr und führe auch mein Engagement im Pflegezentrum weiter. Aber da jetzt überall erfahrene Leute gesucht werden, bin ich in der luxuriösen Lage, für die Zukunft aussuchen zu dürfen, wo ich meine Schwerpunkte setzen möchte. Ich habe sehr gerne im Kirchenrat, in der Pfarrei und in der Spezialseelsorge gearbeitet. Mein Wunsch ist es auf jeden Fall, mich wieder etwas mehr auf einen Bereich zu fokussieren.

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