03.01.2022

Schwester Ursula legt Gelübde als Diözesaneremitin ab
«Ich habe Respekt vor diesem Schritt»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Grafikerin, Zisterzienserin, Eremitin: Am Sonntag, 8. Januar, legt Schwester Ursula Niecholat im Verenamünster in Bad Zurzach die Gelübde als Eremitin des Bistums Basel in die Hände von Bischof Felix Gmür ab.
  • Die Entscheidung für diesen Schritt ist lange gereift, mehr als einmal musste sich Schwester Ursula im Leben neu ausrichten.
  • Horizonte hat von der künftigen Eremitin erfahren, wie es ihr gelingt, unter den Menschen und trotzdem auf Gott ausgerichtet zu leben.

Unter der Altbauwohnung von Schwester Ursula Niecholat im Oberflecken von Bad Zurzach liegt ein Durchgang für Fussgänger. Ab und zu ist das Poltern eines Kickboards auf den Pflastersteinen zu hören. Das Wohngeschoss mit Sitzecke, Büro und Küche wirkt wie eine Übergangszone zwischen dem Strassenlärm und der Stille, die einen Stock höher herrscht. Im Dachzimmer stehen ein Kreuz, mehrere Ikonen und ein schlichter Tisch. Hier betet Sr. Ursula täglich.

Kirchenrechtlich anerkannt

Regelmässige Gebetszeiten bilden den stabilen Rahmen für Sr. Ursulas Leben, in dem sie sich mehr als einmal neu ausgerichtet hat. Bald beginnt für die 67-Jährige ein neuer Abschnitt: Am Samstag, 8. Januar, legt sie um 17 Uhr im Verenamünster in Bad Zurzach ihre Gelübde zur Diözesaneremitin in die Hände von Bischof Felix ab. Wer beim Wort «Eremit» an den Heiligen Bruder Klaus in der abgelegenen Schlucht denkt, liegt der Wortbedeutung nach richtig: Das altgriechische «Eremites» heisst «Wüstenbewohner». Doch Sr. Ursula erklärt, dass heutige Eremiten die «Trennung von der Welt» anders und ganz individuell leben.

«Die runde Brille war schon immer mein Markenzeichen», sagt Sr Ursula. | Foto: Roger Wehrli

Wichtig ist ihr, festzuhalten, dass «Eremit» nach dem Kodex des kanonischen Rechts (CIC) ein kirchenrechtlich anerkannter Stand mit ganz verschiedenen Ausprägungen ist. Damit ist ein eremitisches Leben möglich, das nicht zwingend an einen Orden gebunden ist. Durch das Gelübde in die Hände des Bischofs verpflichtet sich der Eremit auf die drei sogenannten «Evangelischen Räte» – Armut, Keuschheit und Gehorsam gegenüber Gott.

«Ich habe nur noch einen Chef»

Sr. Ursula ist schon eine Weile mit anderen Eremiten des deutschsprachigen Raums in Verbindung und hat sich mit dieser Lebensform eingehend beschäftigt. «Ich habe grossen Respekt vor diesem Schritt.» Doch sie spürt, dass der Eremitenstand ihr erlaubt, ihre spirituelle Berufung auf für sie stimmige Weise zu leben. «Ich merkte schon als Kind, dass ich die Berufung fürs geistliche Leben habe. Ich war witzig, manchmal übermütig, aber oft auch still und nachdenklich.»

Ursula Niecholat wuchs in der Nähe von Bad Zurzach, im deutschen Tiengen, auf. Später studierte sie Grafikerin und war in Freiburg in einer Agentur tätig. «Damals stellte ich mir die Frage, ob das der Sinn meines Lebens sei», erinnert sie sich. Eines Tages habe sie beschlossen: «Von jetzt an habe ich nur noch einen Chef, und das ist Gott.»

«Ich pflege die achtsame Verfügbarkeit. So kann ich Sorgen und Nöte der anderen besser wahrnehmen.» | Foto: Roger Wehrli

Die Ästhetik des Einfachen

Es folgten ein Schnupperjahr im Kapuzinerkloster Stühlingen und die Zeit als Schwester im Kloster Lichtental. «Aber ich blieb suchend.» Im Jahr 2002 trat Ursula Niecholat ins Zisterzienserinnenkloster Mariazell in Wurmsbach am Oberen Zürichsee ein. «In der Grafik gelten die Regeln der Einfachheit, Reduktion und Schlichtheit. Die klösterliche Einfachheit im Essen, in der Kleidung und der Lebensführung haben meinen Sinn für Ästhetik angesprochen und mich voll gepackt.»

Eremitin ohne Orden

Die Erfahrungen im Kloster waren zwiespältig: «Das Spirituelle ist meine Welt. Aber ich fühlte mich oft in extremen Situationen und spürte: Mein Wesen sucht etwas anderes», sagt Sr. Ursula rückblickend. Im Jahr 2015 verliess sie Wurmsbach und trat in Bad Zurzach eine Stelle als Sakristanin an. «Ich hoffte, ein Eremitenleben ausserhalb des Klosters führen und dennoch weiter zum Orden gehören zu können. Der Orden erlaubte das nicht.» Die benediktinisch-zisterziensischen Werte, Achtsamkeit, Verfügbarkeit und strukturiertes Leben, pflegt sie bis heute.

Die Auenlandschaft gibt Kraft

Als Sakristanin pflegt Sr. Ursula die Begegnungen mit Besuchern des Münsters. «Die Möglichkeit des Rückzugs in die Seele muss aber immer gegeben sein.» Jeden Tag fährt sie mit dem Velo durch den Flecken hinunter zur Aue «Chly Rhy». In der Natur kann sie die Schönheit der Schöpfung bewusst wahrnehmen. Und beim Blick durchs Objektiv ihrer Kamera die Welt um sich herum vergessen.

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