12.10.2020

Corona fördert Innovation – auch in der Kirche
«Jetzt geht es plötzlich schnell»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Die Corona-Krise fördert Veränderungen in den Pfarreien, aber auch in der Kirche weltweit.
  • Neben kleineren, praktischen Innovationen könnte die Pandemie grössere Veränderungen in der Kirche anstossen.
  • Ein Forschungsprojekt, an dem das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut SPI beteiligt ist, untersucht diese Veränderungsdynamik.

 

«Corona ist ein Testfall für die Kirchen: Haben Kirchen noch die Kraft zu grossen Veränderungen?», lässt sich Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts SPI auf der Webseite contoc.org zitieren. «Contoc» ist die Abkürzung für «Churches online in times of Corona» und bezeichnet ein internationales ökumenisches Forschungsprojekt, an dem sich das SPI massgeblich beteiligt. Auf Grundlage einer Umfrage bei Pfarrpersonen in 24 Ländern auf allen Kontinenten wollen die Theologen das kirchliche Handeln in der Coronazeit erforschen. Was ist neu entstanden in der Zeit, als Gottesdienste, Seelsorge, diakonische Arbeit und religiöse Bildung in der herkömmlichen Form wegfielen?

Ungeplant und unfreiwillig, aber rasch und flächendeckend

Um die 6‘500 Pfarrpersonen und Seelsorgende von Argentinien bis Südkorea haben Auskunft gegeben. Davon stammen 3960 Antworten aus Deutschland, 771 aus der Schweiz und 410 aus Österreich. Nun soll die Auswertung der Daten Aufschluss geben über Fragen wie: «Welche Muster der Krisenreaktion lassen sich bei Seelsorgenden und Pfarrpersonen entdecken?», «Welche Rolle spielen dabei Fragen der Digitalisierung?» und «Welche Perspektiven für die Kirchenentwicklung öffnen sich?».

Das Forschungsteam sieht in Corona einen Katalysator für Veränderungen innerhalb der Kirche. SPI-Leiter Arnd Bünker hält in seinem Statement zum Projekt fest: «Oft wurden Wandel oder Erneuerung der Kirchen erhofft. Jetzt geht es plötzlich ganz schnell. Ungeplant und unfreiwillig zwar, aber schnell und flächendeckend.»

Bargeldlose Kollekte

Die Forscherinnen und Forscher interessieren sich für die übergreifende Veränderungsdynamik. Doch auch im kleineren Rahmen hat Corona für Neuerungen gesorgt. Eine praktische Lösung, die sich zur Zeit in Aargauer Kirchen etabliert, ist das bargeldlose Bezahlen. In einigen Pfarreien ist es bereits möglich, die Kollekte mit der Bezahl-App «Twint» per Smartphone zu bezahlen. Zu diesem Zweck ist auf den Opferkörbchen ein QR-Code angebracht, der mit dem Handy gescannt werden kann. So erfolgt die Spende unkompliziert und anonym. In der Kirche Herz Jesu in Lenzburg stehen bei den Eingängen seit Anfang August elektronische Weihwasserspender. Jeder Eintretende erhält eine hygienisch einwandfreie Portion Weihwasser, ganz ohne Knopfdruck.

Für das Kloster Einsiedeln hat die Firma WT-Industries in Zug, die normalerweise im Herstellen von Werkzeugen und Formen für die deutsche Automobilindustrie tätig ist, einen Weihwasserspender entworfen und gebaut, der ebenfalls ohne Berührung auskommt und auch noch ästhetisch ansprechend aussieht. «Wir sind gespannt, wie die Besucherinnen und Besucher darauf reagieren und wie wir mit den in Einsiedeln gemachten Erfahrungen zur Weiterentwicklung des Weihwasserspenders mithelfen können», schrieb das Kloster in einer Mitteilung auf seiner Webseite Ende August.

Sünden ins Smartphone sprechen

Die Pandemie-Situation verunmöglicht auch die Beichte. Hier schafft die Smartphone-App «Confessara» des Schweizer Unternehmens «Loma Montana» Abhilfe. Wie katholisch.de berichtet, bietet die App «Katholiken eine Möglichkeit, mobil von überall aus zu beichten». Katholiken können eine Sünde in ihr Smartphone sprechen und erhalten darauf von einer künstlichen Intelligenz eine individuelle Antwort mit Empfehlungen und Bibelsprüchen aus der katholischen Glaubenswelt. Auf die Idee zu der App sei er gekommen, weil seine gläubigen Verwandten in Ecuador in der Corona-Krise darunter litten, nicht beichten zu können, sagte der Entwickler Dominique Sievers gegenüber katholisch.de.

Den Entwicklern ist bewusst, dass eine künstliche Intelligenz keine Absolution erteilen kann. Um Missverständnisse zu vermeiden, werde darauf hingewiesen, dass die Absolution nur ein Geistlicher erteilen könne. Dazu zeigt die App katholische Kirchen in der Umgebung an und erwähnt Möglichkeiten, wie ein Priester erreichbar ist. Die App sei aber «ein Mosaikstein auf dem Weg, seinen Glauben trotz Kontaktbeschränkungen auszuüben», halten sie fest.

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