20.12.2021

Kinderhilfe Bethlehem sammelt an Weihnachten wieder für armutsbetroffene Kinder
Kinderspital in Bethlehem schenkt Kindern Zukunft

Von Andrea Krogmann, Bethlehem

  • Ein 7-jähriges Mädchen leidet an einer seltenen Erbkrankheit. Im Kinderspital Bethlehem kann man ihr helfen.
  • Auch dieses Jahr werden in den Weihnachtsgottesdiensten wieder Spenden gesammelt für die Arbeit der Kinderhilfe Bethlehem.
  • Hier die Reportage über Hoffnung, Mut und Zusammenhalt über alle Grenzen hinweg.


«Drei, zwei, eins – ich komme!» Schnell und geschickt jagt Sali über den Platz vor ihrem Elternhaus hinter ihren Cousins und Cousinen her. Versteckenspielen steht auf dem Nachmittagsprogramm. Dass die zierliche 7-Jährige im Rollstuhl sitzt, tut der Spielfreude der Kinder keinen Abbruch. Dabei ist der abgelegene Ort Dura, südwestlich von Hebron, alles andere als ein Paradies für Rollstuhlfahrerinnen. Darum fahren Salis Eltern sie die eineinhalb Kilometer zur Schule auch regelmässig im Auto. Die hügelige Schotterpiste wäre mit dem Rollstuhl schlicht nicht zu bewerkstelligen.

Seltene Erbkrankheit

Sali hat spinale Muskelatrophie (SMA), eine seltene neuromuskuläre Erberkrankung die zu Muskelschwund, Lähmungen und verminderter Muskelspannung führt. Statistisch gesehen ist einer von 10’000 Menschen davon betroffen. Im Kinderspital in Bethlehem ist sie die einzige Patientin mit SMA. Auch von Salis jüngeren Schwestern, Siwar (6), Sila (4) und Gheena (2), hat keine von den Eltern das mutierte Gen auf Chromosom 5 geerbt, das für SMA verantwortlich ist. Dem Krankheitsbild entsprechend kann Sali frei sitzen, aber nicht laufen.

«Gott hat mich so gemacht»

Das Engagement der Familie macht viele von Salis alltäglichen Schwierigkeiten wett. Alle fassen mit an, damit das Mädchen so normal wie möglich aufwachsen kann. Den Platz vor dem Haus hat Vater Nizar rollstuhlgerecht gestaltet. Aufmerksam achten die Kinder darauf, dass keine Hindernisse auf der Spielfläche liegen, die den Reifen des kleinen Elektrorollstuhls zum Verhängnis werden könnten. Und selbstverständlich werden wie beim Versteckspiel die Spiel­regeln an Salis Handicap angepasst.

Meistens fühle sie sich «ganz normal wie alle anderen Kinder, nur manchmal fehlen mir meine Beine», vertraut Sali der Frau von der ­Zeitung an, beim Spielen mit Freundinnen etwa oder auf dem Weg zur Schule, in die sie so gerne geht. Doch dann obsiegt wieder das Selbstvertrauen. «Gott hat mich so gemacht», sagt sie, und beendet mit diesem Satz jede Diskussion über ihre Krankheit.

Kinderspital konnte helfen

Dass ihre Erstgeborene anders ist als andere Kinder, merkten die Eltern Iman und Nizar etwa zehn Monate nach Salis Geburt. Die Tochter wollte laufen lernen, aber es ging nicht. Damit begann für die junge Familie eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Sogar in Jordanien wurde das kleine Mädchen ein paar Monate behandelt, allerdings ohne Erfolg. In Salis Fall brachte schliesslich ein Gentest die Diagnose: SMA Typ 2.

Mit dieser Gewissheit und vielen Fragen wandte sich die Familie 2020 schliesslich an das Kinderspital in Bethlehem. Seither wurde Sali schon dreimal stationär im Spital aufgenommen, einmal sogar für mehr als zwei Wochen. Der Grund für die Hospitalisierungen waren immer Lungenentzündungen, für die SMA-­Patienten besonders anfällig sind.

Keine Angst mehr

Die anfängliche Angst des Mädchens vor dem Spital hat sich inzwischen gelegt. Sogar für das Blutabnehmen hat das Team in Bethlehem inzwischen einen guten Weg gefunden, der Sali die verhasste Prozedur erträglich macht. Dass Mutter Iman im Spital übernachten kann, wann immer Sali stationär behandelt werden muss, ist ebenfalls sehr wichtig für die tapfere Patientin.

Für Iman ist klar: Alleinlassen will sie ihre Tochter auf gar keinen Fall, auch wenn sie sich immer Sorgen macht, wie die zu Hause gebliebene Familie wohl ohne sie zurechtkommt. Sali sei eine glückliche Patientin, betont Nader Handal, Salis behandelnder Kinderarzt im Caritas Baby Hospital, und meint damit nicht nur das fröhliche Gemüt der jungen Palästinenserin.

Neue Bedrohung: Corona

Ihre Familie hat die Herausforderungen der Krankheit gut verstanden und kümmert sich aufmerksam um das Mädchen. Zum Beispiel versuchen alle Angehörigen, Sali möglichst vor Ansteckungen zu schützen. Jede Grippe etwa könnte für das geschwächte Immunsystem der Patientin schwerwiegende Folgen haben. Seit das Coronavirus aufgetaucht ist, vermeidet die Familie darum jegliche Familienfeiern.

Sali absolviert nicht nur ihre täglichen Atemübungen voller Motivation, sie glänzt auch in der Schule mit besten Noten. Ihr Ziel ist es, später einmal selber Ärztin zu werden, und zwar am liebsten im Kinderspital in Bethlehem. Sali: «Ich will allen Armen helfen, die kein Geld für die Behandlung haben!»

Kinderhilfe geht online

Die Kinderhilfe Bethlehem macht mit einer eigenen Website auf die Weihnachtskollekte für das Kinderspital in Bethlehem aufmerksam. Unter www.weihnachtskollekte.ch finden sich Informationen zur Arbeit des Kinderspitals, zur aktuellen Situation in Bethlehem und zu den Spendenmöglichkeiten.

Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz und Protektor des Caritas Baby Hospital in Bethlehem, betont in einer kurzen Videobotschaft die Bedeutung des ­Spitals für die Region und bittet um Unterstützung der diesjährigen Weihnachtskollekte. Diese wird in allen Weihnachtsgottesdiensten in der Schweiz traditionell für das Kinderspital in Bethlehem aufgenommen.

Betrieben wird das Caritas Baby Hospital vom Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern. Es ist das einzige Spital im Westjordanland, in dem ausschliesslich Kinder behandelt werden − unabhängig von der religiösen oder sozialen Herkunft ihrer Familien.

Spenden:

Kinderhilfe Bethlehem, IBAN CH17 0900 0000 6002 0004 7

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