27.06.2015

Kirche ist keine Privatveranstaltung

Von Andreas C. Müller

Aus der gesamten Schweiz trafen sich die Vertreter der katholischen staatskirchenrechtlichen Körperschaften am 26. und 27. Juni 2015 in Muri zur Plenarversammlung der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ. Vor dem geschäftlichen Teil am Samstag debattierten am Freitagabend Bischof Felix Gmür, die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer und Luc Humbel, Kirchenratspräsident der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau, über Frauenordination, Asylpolitik und das Verhältnis von Kirche und Staat.

«Ich glaube auch, dass Frauen und Männer unterschiedlich sind. Aber warum sollte deshalb eine Frau nicht als Priesterin wirken dürfen?», fragte Ständerätin Pascale Bruderer an die Adresse von Bischof Felix Gmür. Dieser hatte vor den anwesenden Mitgliedern der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ in Muri auf die Frage hin, warum die Frauenordination für die katholische Kirche ein Problem darstelle, auf den Unterschied zwischen den Geschlechtern verwiesen: «Frauen haben vielleicht eine andere Aufgabe, den Glauben weiterzugeben.»

Erklärungsnot bei der Asylpolitik
So sehr der Basler Bischof beim Thema Frauenordination in Erklärungsnot geriet, so sehr rang Ständerätin Pascale Bruderer bei der Asylpolitik um Antworten. Den im Saal anwesenden Vertreterinnen und Vertretern der kantonalkirchlichen Körperschaften bot sich ein spannender Diskurs. «Warum hat der Staat Angst, uns als Kirche dabei zu unterstützen, wenn wir Flüchtlingen helfen?», wollte Luc Humbel von der Aargauer Bundespolitikerin wissen. «Das kann ich nicht beantworten», räumte Pascale Bruderer ein. «Wir haben wirklich Probleme bei der Bereitstellung von Plätzen.» Sobald Menschen in ihrem Ort, in ihrem Quartier mit der Aufnahme von Flüchtlingen konfrontiert würden, gebe es Widerstände. Die Ständerätin versprach, sich dafür einzusetzen, Brücken zu bauen, um Ängste abzubauen, meinte aber auch, dass die Kirchen dahingehend vor Ort aufgrund ihrer Nähe zu den Menschen Bedeutendes leisten könnten.

Zufriedene Gäste
Beim anschliessenden Apéro im Garten vor der Klosteranlage zeigten sich die Gäste zufrieden. Im Urteil der Zuhörerinnen und Zuhörer hatte die SP-Ständerätin viele Sympathiepunkte gesammelt. «Sie kam sehr gut rüber, war gut informiert», fasste Thomas Frank, Generalsekretär der staatskirchenrechtlichen Körperschaft St. Gallen seinen Eindruck zusammen. «Lebensnah und einfach sympathisch», meinte auch Karl Huwyler von der Vereinigung der katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug VKKZ und ergänzte mit Lob für den Auftritt von Bischof Felix Gmür: «Eine sozial engagierte Politikerin und ein durchaus nicht weltfremder Bischof – Das war schon fast einvernehmlich.»

Benediktiner als Gastgeber
Unter den Anwesenden fanden sich nebst Vertretern der katholischen kantonalkirchlichen Vertretungen weitere illustre Gäste: Beispielsweise der Aargauer Grossratspräsident Markus Dieth oder der christkatholische Kirchenratspräsident Ernst Blust. Als Gastgeber hob sich der Benediktinerabt von Muri-Gries, Benno Malfèr, in seinem schwarzen Ordensornat ab. In seinem Grusswort an die Anwesenden erinnerte der Abt an die besondere Geschichte des Klosters Muri, das nach seiner Aufhebung im Jahre 1847 seinen Fortbestand im österreichischen Gries bei Bozen sichern konnte.

Im Grunde kein Gegensatz
Die Diskussion von Ständerätin Pascale Bruderer und dem Bischof Felix Gmür, moderiert vom Aargauer Kirchenratspräsidenten und RKZ-Vizepräsidenten Luc Humbel, lieferte unter sommerlichem Abendhimmel im Freien willkommenen Gesprächsstoff. Die Ständerätin hatte dem Bischof und den Kirchen wiederholt für ihr gesellschaftliches Engagement Respekt gezollt. Konkret nannte die Sozialdemokratin die persönlichen Mails, die der Basler Bischof im Vorfeld der letzten Asylgesetzrevision an verschiedene Bundespolitiker versandt hatte. Auch erinnerte sie an das Engagement der Kirchen zugunsten von Menschen mit einer Behinderung. Einen eigentlichen Gegensatz zwischen den Positionen des Bischofs und den ihren als sozialdemokratische Ständerätin wollte Pascale Bruderer nicht herausstreichen: «Auch die Kirche bringt sich ein mit dem Ziel, etwas für die Gesellschaft, für die Menschen zu tun.» Gerade wenn in der Wandelhalle im Bundeshaus auf jedem Schrittmeter Interessenvertreter lobbyierten und die Werte des Menschen hierbei zu kurz kämen, gewännen die Kirchen eine wichtige Bedeutung, indem sie uns daran erinnerten.

Begegnung auf Augenhöhe
Bischof Felix Gmür nahm den Ball gern auf, fokussierte in seinen Ausführungen aber auch die Struktur der Kirche in der Schweiz und ihre Rolle gegenüber dem Staat: «Die römisch-katholische Kirche, die von aussen oft als ein monolithischer Block wahrgenommen wird, ist ein feines Geflecht von Menschen, Verantwortlichkeiten, Hierarchien, Organisationen und Institutionen.» Jeder Christ sei sowohl seiner Kirche wie auch dem Staat verpflichtet. Auch der Bischof halte Treue zur Eidgenossenschaft, gelobe die Förderung eines guten Einvernehmens zwischen Kirche und Staat. Im Gegenzug anerkenne der Staat die Eigenständigkeit der Kirche. «Diese ist keine Institution des Staates. Kirche und Staat verstehen sich als Partner.»

Zusammenarbeit auf neuer Grundlage
Allerdings seien weder das Bistum noch die Pfarreien öffentlich-rechtliche Körperschaften und könnten deshalb nur mit Behelfsstrukturen als staatliche Rechtssubjekte agieren, führte Felix Gmür unter Verweis auf das in der Schweiz gewachsene, duale System der Kirche weiter aus. «Meist sind das die Kirchgemeinden und die kantonalen Körperschaften.» Mit diesen Ausführungen blickte der Basler Bischof bereits auf den geschäftlichen Teil der RKZ-Plenarversammlung am Samstag. Die Römische-Katholische Zentralkonferenz RKZ will nach dem Rückzug des Fastenopfers aus der Mitfinanzierung kirchlicher Aufgaben im Inland die Zusammenarbeit mit der Schweizer Bischofskonferenz SBK auf eine neue Grundlage stellen. «Ziel ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, hatte RKZ-Generalsekretär Daniel Kosch gegenüber Horizonte im Vorfeld erklärt. «Eine Zusammenarbeit basierend auf einer verbindlichen Vereinbarung ist nur schon deshalb wichtig, weil man sich nicht über Finanzierungsfragen verständigen kann, ohne dass auch ein inhaltlicher Dialog stattfindet.»

Gefahr, dass Kirche an den Rand gedrängt wird
Dass sich innerhalb der katholischen Kirche verschiedene Stimmen Gehör verschaffen, hatte auch Ständerätin Pascale Bruderer in ihren Ausführungen erwähnt und in diesem Zusammenhang die Vielfalt innerhalb der katholischen Kirche gewürdigt. Diese gründe auf einem gemeinsamen Nenner, auf dem Glauben, der den Menschen ein Zuhause und Orientierung schenke, aber auch auf Werten und auf dem Einsatz für die Menschenwürde. Bischof Felix Gmür erinnerte bei seinen Ausführungen zur Partnerschaft zwischen Kirche und Staat allerdings auch daran, dass in jüngster Zeit seitens verschiedener gesellschaftlicher Kräfte eine Tendenz zu erkennen sei, welche die Kirchen aus dem öffentlichen Leben zu drängen suche. «Man denke nur an den ungehinderten Zugang von Seelsorgenden zu Namen von Spitalpatienten oder an das Herausfallen des konfessionellen Religionsunterrichts aus der ordentlichen Stundentafel.»

Anwalt der Schwachen
In seiner Kritik an die Adresse gesellschaftlicher Kreise, welche danach trachteten, die Kirchen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, fand der Basler Bischof deutliche Worte. Kirche sei keine private Veranstaltung, sie gehöre in die Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang konterte der Bischof auch Vorwürfe, wonach sich die Kirche zu sehr in die Politik einmische. «Kirche muss in dieser Gesellschaft politisch Stellung nehmen, weil die Sorge um das Wohl von Mensch und Welt, der Schutz unserer Lebensbedingungen, zu ihrem religiösen Auftrag gehört.» Den Schutz des Lebens definierte der Basler Bischof als Kernanliegen der christlichen Kirchen. Aus diesem Grunde habe die Schweizer Bischofskonferenz gegen die Präimplantationsdiagnostik Position bezogen und äussere sich in der Debatte um die Beihilfe zum Suizid. «Weil sie sieht, dass so die Schwächsten, Armseligsten, Schmerzverzerrten, Müden nicht gestützt, geliebt, begleitet und umsorgt werden, sondern kurzerhand eliminiert.»

 

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.