04.05.2023

Die Klöster zeigen, was sie der Welt zu bieten haben
Klostermarkt im Hauptbahnhof Zürich

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Morgen Freitag, 5., und übermorgen Samstag, 6. Mai, findet im Hauptbahnhof Zürich ein Klostermarkt statt.
  • Mehr als 20 Ordensgemeinschaften aus der Schweiz und dem nahen Ausland verkaufen ihre Produkte, präsentieren Kunsthandwerk und Kulinarisches.
  • Ebenso wertvoll werden aber die Begegnungen der Passantinnen und Passanten mit den anwesenden Nonnen und Mönchen sein.

Am Rand des Dörfchens Le Pâquier-Montbarry verläuft ein einziges Gleis. Vor dem Gebäude aus dunklem Holz hält jede halbe Stunde der Zug von Palézieux nach Gruyères. Aber nur dann, wenn die einzige wartende Passagierin zuvor den Knopf neben dem Lichtsignal gedrückt hat.

Klostermarkt 5./6. Mai 2023

Der Klostermarkt im Hauptbahnhof Zürich findet statt am Freitag, 5., und Samstag, 6. Mai 2023, jeweils von 11 bis 19 Uhr.

www.klostermarkt.org

Karmelitinnen kommen mit dem Lieferwagen

Eine Strasse windet sich durchs Dorf hinauf. Dort, wo sie hinter dem Hügel verschwindet, liegt das Monastère du Carmel. Zwölf Ordensschwestern des Karmeliterordens leben, beten und arbeiten hier. In der klostereigenen Backstube entstehen die Biscuits du Carmel, mit denen die Schwestern Abnehmer in der Westschweiz beliefern und so einen Teil ihres Auskommens bestreiten. In den letzten Wochen ging es in der Backstube besonders geschäftig zu und her. Die Teigproduktion läuft auf Hochtouren, fürs Ausstechen und Formen braucht es zeitweise die ganze Gemeinschaft. Auf grossen Blechen ziehen die Schwestern die frischen Sablés, Haselnussmakronen und Spitzbuben aus dem Ofen. Dieser Tage laden sie die kostbare Fracht in einen Lieferwagen und fahren damit nach Zürich.

Schwester Anne-Elisabeth lebt seit 30 Jahren im Kloster du Carmel in Le Pâquier. Zurzeit hat sie das Amt der Priorin inne. | Foto: Marie-Christine Andres

Ein Schwätzchen mit der Priorin

Im Zürcher Hauptbahnhof verkehren auf 26 Gleisen 3000 Züge pro Tag, die Geschäfte haben 365 Tage im Jahr geöffnet, täglich reisen 367‘000 Passagiere an und ab. In der Bahnhofhalle, mit 131 Metern Länge und 26 Metern Höhe der grösste überdachte öffentliche Platz der Schweiz, verkaufen die Karmelitinnen am Freitag und Samstag, 5. und 6. Mai, ihre Guetzli. Am Klostermarkt im Hauptbahnhof bieten zwanzig Klöster und Ordensgemeinschaften aus der Schweiz und dem weiteren deutschsprachigen Raum ihre Produkte zum Verkauf an. Daneben gibt es kulturelle und handwerkliche Begleitveranstaltungen und die Gelegenheit für einen Schwatz mit Ordensleuten.

Mehr als schneller Genuss und Gewinn

«Den Mut, das zu organisieren, finde ich super», sagt Schwester Anne-Elisabeth. Sie lebt seit 30 Jahren im Monastère du Carmel und hat im Moment das Amt der Priorin inne, das alle drei bis sechs Jahre einer anderen Schwester anvertraut wird. Schwester Anne-Elisabeth findet es wertvoll, dass der Klostermarkt im HB Zürich Platz für Begegnungen bietet. Auch Pater Thomas Fässler, Einsiedler Benediktinermönch und Initiator des Klostermarkts, betont diesen Aspekt: «Der Austausch wird für beide Seiten eine Bereicherung sein: Hier Menschen aus Klöstern, die für mehr stehen als schnellen Genuss und Gewinn – da Menschen aus der Welt, die davon erzählen, was ihr Leben prägt, an Herausforderndem und Schönem.»

Die Honigguetzli aus dem Kloster Carmel sind in der Westschweiz bekannt. | Foto: Marie-Christine Andres

Hunger nach spiritueller Nahrung

In Begegnungen erfährt Schwester Anne-Elisabeth immer wieder, wie gross der Hunger der Menschen nach spiritueller Nahrung ist: «Wir stecken in einer Zeit des Wandels. Vielleicht ist es jetzt als Kloster unsere Aufgabe, da zu sein und unser spirituelles Leben zu teilen.» Ebenso gibt es seit Kurzem die Möglichkeit, eine gewisse Zeit im Kloster zu verbringen. Nach nur einem Monat und ein wenig Mund-zu-Mund-Propaganda gebe es schon viel Resonanz, berichtet Schwester Anne-Elisabeth.

Häufig lese man über den Niedergang von Klostergemeinschaften und diskutiere über die Nutzung der Gebäude. Und doch übten die Klöster eine grosse Anziehungskraft auf die Menschen aus, sagt Schwester Anne-Elisabeth. Deshalb hoffe sie, dass die Bischöfe sich im laufenden synodalen Prozess auch die Frage stellten, was das Ordensleben heute zur Erneuerung der Kirche beitragen könne, «denn offenbar haben die Klöster die Kraft, die der Kirche häufig fehlt.»

Bis bald am Bahnhof!

Die Schwestern im Monastère du Carmel sind zwischen 42 und 89 Jahre alt. Viele Dinge entscheidet nicht die Priorin alleine, sondern die ganze Gemeinschaft. «Bei Diskussionen kann es durchaus kontrovers zu und her gehen, aber es ist wichtig, dass alle ihre Meinung sagen können», findet Schwester Anne Elisabeth. Die Teilnahme am Klostermarkt im Hauptbahnhof war zuerst umstritten. Obwohl die Schwestern jedes Jahr am Klostermarkt in St. Maurice vertreten sind, zögerten sie angesichts des Umfangs des Projekts. Doch dann nahmen sie den Kalender zur Hand, rechneten minutiös aus, wann welche Sorte in welcher Menge produziert werden muss, und packten die Arbeit an. Nun freuen sie sich auf die Begegnungen im Zürcher Hauptbahnhof.

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