23.02.2023

Am Samstag eröffnet die Ausstellung im Müllerhaus Lenzburg
«Luise Thut inspiriert uns»

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Am 28. Februar feiert die Schweizer Hospiz-Pionierin Luise Thut ihren 95. Geburtstag.
  • Vor 35 Jahren, als die Palliativbewegung in der Schweiz noch weitgehend unbekannt war, setzte Luise Thut alle Hebel in Bewegung, um die Hospizbewegung im Aargau zu etablieren.
  • Nun widmet sich eine Ausstellung im Müllerhaus Lenzburg dem Lebenswerk dieser Frau, die sich für ein Lebensende in Würde einsetzte.


Der Tisch ist gedeckt, aus dem Backofen duftet die Käsewähe. Doch die Hauptperson wird zum Mittagessen nicht erscheinen. Luise Thut, die am 28. Februar ihren 95. Geburtstag feiert, nimmt nicht mehr viele Termine wahr.

Am Tisch in der Wohnung von Beatrice Koller Bichsel sitzen jedoch drei von Luise Thuts Weggefährtinnen, denen es mühelos gelingt, die Pionierin und ihr Werk präsent zu machen: «Luise Thut inspiriert uns, weil sie anpackte und die Leute mitriss, mit ihrer Willensstärke und ihrem Charme», sagt Carmen Frei. Die Kulturmanagerin organisiert im Auftrag der Luise-Thut-Stiftung zusammen mit Beatrice Koller Bichsel und Susanna Vanek die Ausstellung LEBENSwerk lebensENDE, die Leben und Wirken der Aargauer Hospiz-Pionierin würdigt.

Ausstellung LEBENSwerk lebensENDE

Ausstellung ab Samstag, 25. Februar bis 4. März 2023 im Müllerhaus Lenzburg, jeweils 14 – 19 Uhr. Vernissage: Samstag, 25.2. 15 Uhr. Das Rahmenprogramm greift Themen rund ums Lebensende auf. Etwa die Podiumsdiskussion am Montag, 27.2. 18 Uhr, zur Frage: «Hat der Friedhof ausgedient?»

Schlüsselerlebnis in den USA

Ausstellungsmacherin Carmen Frei hebt speziell hervor: «Als Gerontologin bin ich fasziniert von der Tatsache, dass Luise Thut ihr Lebenswerk anpackte, als sie bereits 60 Jahre alt war.» Das Schlüsselerlebnis hatte Thut im Jahr 1989, als eine Freundin in den USA an Krebs starb, liebevoll umsorgt in einem Hospiz. Zu jener Zeit war die Palliativpflege in der Schweiz kaum bekannt und Luise Thut realisierte: «Das ist mein Thema, für das ich mich engagieren möchte.» So wird sie im Buch Ein Haus fürs Leben von 2015 zitiert.

Von diesem Schlüsselerlebnis bis zur Eröffnung des ersten stationären Hospizes im Aargau vergingen 16 Jahre. In dieser Zeit verfolgte Thut ihre Vision zielstrebig. Zuerst bildete sie sich in den USA zur Hospizleiterin aus und suchte den Kontakt zu Pionierinnen der Hospizbewegung, Cicely Saunders und Elisabeth Kübler-Ross, zu denen sich eine Freundschaft entwickelte. In den 1990er-Jahren baute Thut im Aargau mit Freiwilligen das Angebot der ambulanten Sterbebegleitung auf. 2001 gründete sie den ersten Trauertreff.

Eine ansteckende Vision

Beatrice Koller Bichsel lernte Luise Thut in der ersten Zeit des ambulanten Hospizes kennen: «Sie war eine begnadete Netzwerkerin, die mit Hartnäckigkeit und Charme immer wieder wichtige Leute von ihrer Idee überzeugte», sagt sie. Koller Bichsel liess sich selbst auch von Thuts Vision anstecken und trat in den Vorstand des Vereins Hospiz Aargau ein. Dieser führt das Hospiz operativ. Heute ist Koller Bichsel Präsidentin des Stiftungsrats der Luise-Thut-Stiftung, deren Zweck die finanzielle und beratende Unterstützung der von Luise Thut in der Schweiz eingeführten Hospiz-Philosophie ist.

Susanna Vanek gehört ebenfalls zum Stiftungsrat der Luise-Thut-Stiftung und ist verantwortlich für die Kommunikation. Sie lernte Thut im Jahr 1998 kennen, als sie für die Aargauer Zeitung ein Porträt über sie schrieb. «Luise Thut hat einen grossen, tiefen Glauben an Gott», sagt Vanek. Dieser Glaube daran, dass sich alles fügen wird, liess Thut immer wieder Hürden überwinden: «Weil niemand Sterbebegleitung kannte, wurde das Hospiz mit der aktiven Sterbehilfe gleichgestellt. Das war eine der Schwierigkeiten der Anfangszeit», sagt Vanek.

Freiwillige sind das Herzstück

Das erste stationäre Hospiz wurde im Jahr 2005 im Reusspark im ehemaligen Kloster Gnadenthal eröffnet. Carmen Frei war zu dieser Zeit Kommunikations- und Kulturbeauftragte des Reusspark und betont Thuts Pionierrolle: «Ihre grosse Leistung ist, dass sie gegen alle Widerstände an ihrer Vision festhielt. Inzwischen hat sich die Situation grundlegend geändert. Palliative Pflege hat sich in Spitälern und Pflegeheimen etabliert.» Heute befindet sich das stationäre Hospiz in Brugg und verfügt über zehn Einzelzimmer.

Freiwillige, die Sterbende in den letzten Tagen und Stunden begleiten, halten Hände, lesen aus dem Lieblingsbuch vor, lachen, singen oder beten mit den Patienten. Die Freiwilligen sind das Herzstück der Hospizarbeit, denn Sterben in Würde erfordert Zuwendung und Zeit. «Ohne sie wäre unsere Arbeit undenkbar», sagt Thut im Buch von 2015.

Die Ausstellung LEBENSwerk lebensENDE thematisiert neben Thuts Leben und Wirken gerade auch den Aspekt der Freiwilligenarbeit und motiviert die Besucher, über ihr eigenes gesellschaftliches Engagement nachzudenken. Besonders freut die Gastgeberinnen, dass diesmal die Hauptperson nicht fehlen wird. Denn Luise Thut hat vor, die Ausstellung und einzelne Punkte des Rahmenprogramms zu besuchen.

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