19.02.2018

Mehr Geld für die Integration von Flüchtlingen

Von Georges Scherrer, kath.ch / acm

  • Bei der Integration von Flüchtlingen hapert’s. Die Folgekosten belasten Kantone und Gemeinden. Mit seiner am Dienstag überwiesenen Standesinitiative will der Aargauer Grosse Rat erreichen, dass der Bund den Kantonen und Gemeinden mehr an die Asylkosten bezahlt.
  • Auch die Staatpolitische Kommission (SPK) des Ständerats hat ebenfalls an ihrer Sitzung vom 13. Februar festgehalten, dass sich der Bund stärker und länger an den Kosten für die Integration von Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen beteiligen soll.
  • Caritas Schweiz wünscht derweilen, dass der Staat «Initiativen von unten» besser honoriert und unterstützt.

 

Mit seiner am Dienstag verabschiedeten Standesinitiative rennt der Grosse Rat des Kantons Aargau zumindest bei der Staatspolitischen Kommission (SPK) des Ständerates offene Türen ein. Der Kanton Aargau verlangt, dass der Bund die Integrationspauschale erhöht und eine kostendeckende Pauschale für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) einführt. Weiter soll der Bund auch die gesamten ungedeckten Kosten für vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge während sieben Jahren bezahlen. Die Frist von sieben Jahren soll zudem erst beginnen, wenn die Bundesbehörden über das Asylgesuch entschieden haben. Derzeit startet die Frist mit der Einreise oder mit dem Einreichen des Asylgesuchs.

Mehr Geld und bessere Integration

Gegenwärtig würden die Bundesgelder nicht ausreichen, um die effektiven Kosten im Asylbereich abzudecken, hat die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates im Anschluss an ihre Sitzung vom 13. Februar 2018 festgehalten. Sie will ebenfalls, dass sich der Bund stärker und länger an den Kosten für die Integration von Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen beteiligt.

Auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) möchte die Integration der Migranten verbessern. Es geht nicht nur ums Geld, warnt der Co-Leiter der Sektion Integrationsförderung beim SEM, Tindaro Ferraro. Wichtig sei auch, dass das Vorgehen thematisiert werde.

Das SEM möchte die Integration der Migranten verbessern. Im Rahmen der Integrationsagenda Schweiz prüften Bund und Kantone zurzeit, wie sich die Integration von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen weiter verbessern lasse, heisst es in einem Papier, dass das SEM Mitte Januar veröffentlichte.

SEM rechnet mit den Landeskirchen

Auf Anfrage erklärte Tindaro Ferraro, Integration sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sowohl den Staat als auch die Zivilgesellschaft betreffe. Dies lege auch das Gesetz fest. «Integration als alleinige Aufgabe des Staates zu betrachten, macht auch keinen Sinn». Auch die Landeskirchen spielten in eine wichtige Rolle.

Das SEM weist auf die Freiwilligenarbeit hin, die von kirchlich engagierten Leuten geleistet werde, und ergänzt: «Ohne diese Hilfe geht es nicht.» Alle wichtigen Akteure, also neben den staatlichen Hilfen auch die «Initiativen von unten», sollten besser wahrgenommen werden. Die Integration müsse auf verschiedenen Schienen fahren.

«Weniger als dreissig Prozent sind erwerbstätig»

Die Argumente der Staatspolitischen Kommission und des SEM stossen bei den Hilfswerken auf offene Ohren. Auch sie orten Nachholbedarf in der Integrationsagenda Schweiz. Nur zwanzig bis dreissig Prozent der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen im erwerbstätigen Alter sind erwerbstätig und können sich eine unabhängige Existenz aufbauen (Horizonte berichtete).

Der Hauptgrund für die niedrige Erwerbsquote der Flüchtlinge sei, dass bis anhin mancherorts Asylsuchende «keine oder nur lückenhaft Integrationsmassnahmen beanspruchen durften», erklärt Marianne Hochuli von Caritas Schweiz. Der Bund zahle nichts. So liege es in der Verantwortung der Kantone, welches Angebot sie zur Verfügung stellten.

Wenn die Asyl-Entscheide dazu noch lange dauerten, heisse dies für die meisten Asylsuchenden, wertvolle Jahre zu verlieren, den Anschluss an die Bildung zu verpassen und nichts Sinnvolles erlernen und tun zu können. Diesen Missstand erkennen nun der Bund und die Kantone allmählich, stellt Marianne Hochuli fest.

Lücken im Integrationsangebot

Eine Bestandesaufnahme vom November 2017 benennt die «grossen Lücken in den Integrations-Angeboten»: Zu wenig Sprachkurse, Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, Brückenangebote, Lehrstellen und Arbeitsplätze.

Aus diesem Grund sollen Integrationsmassnahmen nun verstärkt werden und zwar prozesshaft ab Ankunft in der Schweiz bis zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit. Bund und Kantone sind über die Ausgestaltung noch am Verhandeln.

Bildung und Zugang zur Arbeit spielten eine sehr wichtige Rolle, und diese Aufgaben müsse der Staat auch finanzieren, hält Marianne Hochuli von Caritas Schweiz fest. Auch die Unternehmen seien gefragt, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.

«Rolle kirchlicher Hilfswerke für Integration ist zentral»

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Caritas spielten in diesem Prozess auf jeden Fall eine wichtige Rolle. Caritas habe in der Integrationsarbeit (Arbeitsintegration, Sprachangebote, Begleitung und Coaching) eine grosse Erfahrung und biete diese in einigen Kantonen auch aktiv an, sei dies im Mandatsverhältnis oder in der Unterstützung und Koordination der freiwilligen Arbeit.

Kirchliche Hilfswerke würden insbesondere auch in der sozialen Integration zentrale Aufgaben übernehmen. Sie leisteten sehr wichtige Basisarbeit, damit Flüchtlinge an der Gesellschaft partizipieren können. Darum bemerkt die Leiterin des Bereichs Grundlagen bei Caritas Schweiz: «Es wäre wünschenswert, dass der Staat auch solche Aktivitäten noch mehr honoriert und unterstützt.»

 

 

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