01.06.2023

Sie kommt aus dem katholischen Fricktal und tourt als mehrfache Preisträgerin mit ihrer Satire auf den Bühnen.
Patti Basler – dieser Frau ist nichts heilig

Von Eva Meienberg

  • Mit Humor will Patti Basler den Menschen helfen, nicht am Wahnsinn unserer Welt zu verzagen.
  • Heilig ist ihr nichts. Da halte sie es mit Jesus, sagt die Fricktalerin.
  • Das gemeinsam gesungene «Stille Nacht» berührt Patti Basler noch heute.

Worüber machen Sie lieber Witze über Religion oder über Politik?
Patti Basler: Als Satirikerin bin ich auf einen Mainstream angewiesen, ich muss am Allgemeinwissen meines Publikums anknüpfen. Das wird immer schwieriger, weil die Menschen weniger Allgemein-, dafür viel mehr Individualwissen haben. Theologische und biblische Kenntnisse werden immer seltener. Insofern ist Politik ergiebiger.

In Ihrer Satire gibt es viele religiöse Bezüge. Was würde Ihren Texten fehlen, wenn Sie darin auf Religion verzichten müssten?
Das ist eine seltsame Frage. Der Gedanke, dass es ein «Religionsverbot» geben könnte, ist mir noch nie gekommen. Oft geht es ja um literarische Leitmotive, die einer Geschichte einen Rahmen und eine Einbettung geben. Diese Kontextualisierung ist aber nicht nur theoretischer Natur. Da schwingen 2000 Jahre christlicher Prägung unserer Gesellschaft mit. Deshalb inspiriert Religion zur Kreativität. Die einigermassen abstruse Schöpfungsgeschichte mit moderner Wissenschaft zu vereinbaren, braucht einiges an kreativer Kraft. Und natürlich musste ich als Katholikin bereits im Beichtstuhl Lügen erfinden. Gebote und Bibeltexte sind sowohl Gelehrten als auch dem glaubenden Volk ein herausfordernde Quelle, die ausgelegt und interpretiert werden will. Bibelexegese ist auch nicht viel anders als die Analyse eines Gedichts.

Sie sagen: «Hoffnung und Humor sind artverwandt.» Wie meinen Sie das?
Beide helfen uns, nicht zu verzagen am Wahnsinn unserer Welt. Ohne Humor und ohne Hoffnung würden wir verzweifeln an unserem irdischen Dasein und am Wissen um unsere Endlichkeit. Am befreiendsten und befreitesten wird ja immer an Beerdigungen gelacht, wenn eine lustige Anekdote über die Verstorbenen erzählt wird. Die Monty-Phyton-Szene, bei der die Gekreuzigten im Angesicht ihres Hinschieds ein munteres Lied pfeifen, ist etwas vom Grossartigsten, das der britische Humor je hervorgebracht hat. Ein fröhliches Verspotten des Todes, dem so der Schrecken genommen wird. Und nichts anderes ist die Hoffnung auf ein Jenseits.
Religion und Kultur, zu der auch der Humor zählt, schaffen etwas Bleibendes, das über das materielle, irdische und körperliche Dasein des Individuums hinausgeht und Bestand hat.

Patti Basler macht gerne Witze über Religion. Die seien schwieriger als politische Witze, weil den Menschen zunehmend das religiöse Wissen fehle. | Foto: Gerry Nitsch

Vor zwei Jahren publizierte dieses Pfarrblatt verschiedene Karikaturen zu Ostern. Das provoziertes erboste Rückmeldungen. Der Vorstand liess daraufhin eine Karikatur entfernen. Darauf zu sehen war ein knuffiger Jesus, der freudestrahlend und quicklebendig vor der Grabkammer steht und den muffligen Tod tröstet mit den Worten: «Ach komm, nimms sportlich, jeder hat mal einen schlechten Tag.» Haben Sie auch schon einen Rückzieher gemacht, nach Reaktionen aus dem Publikum?
Dabei zeigt genau diese Karikatur, worum es im christlichen Glauben und im Humor geht: Den Sieg über den Tod als Endgegner. Und das liebevolle Trösten des Feindes. Unverständlich, dass so etwas provozieren kann, obwohl es gleich zwei christliche Kernbotschaften enthält.
Ich überlege mir vorher, ob und wie ich etwas auf die Bühne oder aufs Blatt bringe und ändere es danach meist nicht mehr. Dabei hilft, dass ich möglichst nicht über andere Religionen lustig mache. Witze übers Christentum hingegen sind mit Kirchensteuern verdiente Selbstkritik.

Heilig ist mir jedoch nichts. Ich habe Respekt vor allen Menschen. Vor einem Papst, einer Pfarrerin, einem religiösen Würdenträger oder einer Politikerin allerdings kein Quäntchen mehr als vor den einfachsten Menschen. Da halte ich es mit Jesus.

«Fressen, saufen, herumhuren, danach beichten – und alles ist wieder gut: Das passt mir natürlich. Das Fasten leider weniger.» Dieses katholische Klischee, das Sie bemühen, hält sich wacker. Wieso ist das lustig, obwohl es mit der Realität nichts mehr zu tun hat?
Es hat mit der Realität sehr viel mehr zu tun, als uns lieb ist. Die Welt ist so hedonistisch wie nie. Wir wollen uns selbst verwirklichen, Fun haben, das Leben geniessen. Und dies kulinarisch, mit berauschenden Substanzen und sexuell. «Fressen, saufen, herumhuren», damit sind gleich drei der sieben Todsünden benannt. Verzichten, also «fasten», wollen wir nicht, es sei denn wir versprechen uns davon Schönheit und Gesundheit. Lieber erkaufen wir uns Absolution in Form von CO2-Ablass-Briefen oder mit Spenden. Heute nennt man das «Karma-Punkte». Und so betrügen wir uns selbst, weil wir wissen, dass all der Ablass gar nicht so viel bringt.

Das gemeinsam gesungene «Stille Nacht» und das Vaterunser berühren Sie, sagten Sie in einem Interview. Meinen Sie das ernst? Und was genau berührt Sie?
Da werden Kindheitserinnerungen evoziert, natürlich berühren die mich. Gemeinsames Singen schüttet zudem Glückshormone aus. Religionsgemeinschaften haben früh erkannt, wie verbindend dies sein kann.

Sexismus, Diskriminierung von queeren Menschen, Missbrauch: Diesen Themen muss sich die katholische Kirche stellen. Taugen diese Themen für Satire? Gibt es sowas wie Opferschutz in ihrem Metier?
Opferschutz kann ich mir selber auferlegen. Täterschutz hingegen gibt es nicht. Im Gegenteil.

Als Kind wollten sie Pfarrerin sein, «mehr wissend als der Pöbel und Bibeltexte erklären». Heute machten sie das auf der Bühne, sagen Sie. Woher kommt Ihr Sendungsbewusstsein?
Sendungsbewusstsein ist ein grosses Wort. Es ist so eine Sache mit der Kunst: Sie ist keine Frage des Wollens, sondern des Müssens. Es muss raus. Am besten zu einem geneigten Publikum.

Wenn man das Schweizer Fernsehen fragt, steht Frauen ja gar kein Sendungsbewusstsein zu. Da ist der Sender nicht viel weiter als der Vatikan.

«Laut + Leis» ist der neue Podcast von kath.ch.

Er behandelt relevante und aktuelle Themen rund um Religion, Ethik und Gesellschaft.

Produzentin und Host des Podcasts ist Sandra Leis: Sie hat langjährige journalistische Erfahrung, arbeitete für den Berner «Bund» und die «NZZ am Sonntag». Die letzten zehn Jahre war sie für Radio SRF 2 Kultur als Journalistin und Redaktionsleiterin tätig.

Cover des neuen Podcasts «Laut + Leis» von kath.ch

Ob im Gespräch mit einem spannenden Gast oder in der klugen Debatte: Sandra Leis lädt alle zwei Wochen Menschen ein, die sich mit der Welt auseinandersetzen, über den eigenen Tellerrand hinausschauen und etwas zu sagen haben.

In der ersten Episode fragt Sandra Leis die Kabarettistin Patti Basler, wie ihre katholische Herkunft sie geprägt hat und warum sich die Kirche reformieren muss. In der zweiten Episode geht es um unseren Umgang mit Geld. Die 30-jährige «Zeit»-Redaktorin Anna Mayr ist in Armut aufgewachsen und verfügt jetzt über ein gutes Einkommen. Was das mit ihr macht, erzählt sie in ihrem neuen Buch und im Podcast.

Zu finden ist der Podcast «Laut + Leis» auf der Webseite kath.ch/podcast und auf allen gängigen Podcast-Plattformen.



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