26.08.2022

Anna Di Paolo wurde von Bischof Felix als Pfarreiseelsorgerin in Riniken eingesetzt
Psalm 5, Vers 9 ist ihr Leitmotiv als Seelsorgerin

Von Christian Breitschmid

  • Am 29. Mai erteilte Bischof Felix der frisch diplomierten Theologin Anna Di Paolo die Institutio.
  • Der Weg zur Pfarreiseelsorgerin von Riniken war für die 54-Jährige allerdings weder kurz noch leicht.
  • Doch Vers 9 aus dem 5. Psalm wurde der lebensfrohen Bernerin zum Lebens- und Seelsorgeleitmotiv.

Als sie im Jahr 2000 nach Langenthal zog, schickte ihr der dortige Pfarrer eine handgeschriebene Karte zur Begrüssung. So fand sie wieder öfter den Weg in die Kirche. Er war es auch, der ihr vorschlug, den Studiengang Theologie oder die Ausbildung zur Katechetin zu machen. Vielleicht spürte dieser Pfarrer mehr, als Anna Di Paolo sich damals selber zugestanden hätte. Sie wurde Pfarreisekretärin in Herzogenbuchsee und von da an ging sie, davon ist sie überzeugt, den Weg, den Gott ihr geebnet hatte.

«Nichts für Mädchen»

Bei Anna Di Paolo hatte in jungen Jahren noch gar nichts darauf hingewiesen, dass sie dereinst als Pfarreiseelsorgerin im Pastoralraum Brugg-Windisch für die Pfarrei Riniken zuständig sein würde. Aufgewachsen in einer katholischen Familie im bernischen Herzogenbuchsee als jüngstes von vier Kindern, absolvierte sie zuerst den Vorkurs an der Kunstgewerbeschule Bern, bevor sie die Ausbildung zur Hochbauzeichnerin machte und mit dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis abschloss.

«An sich hätte ich gerne einen künstlerischen Beruf erlernt, aber damals gab es für Mädchen einfach keine Lehrstellen im künstlerischen Bereich», erinnert sich Di Paolo, die zwar wohl im Jahr der sozialen Revolten und der Jugendbewegung, 1968, zur Welt gekommen war, aber dennoch immer wieder im Laufe ihrer Karriere erleben musste, dass Männer bestimmten, was Frauen zu tun hatten, auch wenn Frauen das ebenso gut oder noch besser selber konnten.

Kein schnurgerader Lebensweg

Auf der Gartenterrasse des Katholischen Kirchenzentrums Brugg-Nord in Riniken schildert Di Paolo ihren Werdegang. Der ist alles andere als gradlinig, dafür zeugt er von umso mehr Begeisterungsfähigkeit und Einsatzwillen. Nach der Lehre ging’s für eineinhalb Jahre nach Lugano, wo sie auf ihrem erlernten Beruf Italienisch lernte. Dann für sechs Monate nach Australien, um ihr Englisch zu verbessern. Weil sie danach nicht mehr in einem Büro arbeiten wollte, heuerte sie bei einer Gartenbaufirma an. Sie machte auch Erfahrungen als Arbeitslose auf der Suche nach einer neuen Chance. Daraus erwuchs ihr die Gelegenheit, das neu geschaffene Projekt «Arbeitslosenberatung» in Herzogenbuchsee zu leiten.

Das Zuhören gelernt

Anna Di Paolo arbeitete bei der Berner Denkmalpflege als Archivarin Planarchiv und Sachbearbeiterin Kulturgüterschutz. «Das war mein erster Kontakt mit Akademikern», erinnert sie sich mit einem Lächeln. Sie war bei einer Küchenmöbelimportfirma, wurde als SP-Kandidatin in den Gemeinderat von Herzogenbuchsee gewählt, arbeitete im Category Management von Coop Bau+​Hobby – «Ich habe vom Lager bis zur Kasse alles gemacht!» –, hat ihren Mann kennengelernt, eine Familie gegründet und stieg wieder ins Berufsleben ein als Empfangsdame in einer Zahnarztpraxis: «Man könnte sagen, das war meine erste Stelle als Seelsorgerin. Da habe ich gelernt, zuzuhören.»

Dreifach gefordert

Mit dem Umzug nach Langenthal begann auch ihre theologische Ausbildung. Dieser Weg hat Di Paolo viel abverlangt: «Ich habe 70 Prozent gearbeitet, und 40 Prozent meiner Zeit brauchte ich für die Uni. Wenn ich dann nach Hause kam, waren aber immer die Kinder an erster Stelle.» In dieser Zeit der dreifachen Forderung hielt sie sich immer an ihren Lieblingsvers aus Psalm 5: «Leite mich, Herr, in deiner Gerechtigkeit, meinen Feinden zum Trotz; ebne deinen Weg vor mir!» Dass sie dieser Weg in den Aargau führen würde, hätte sie nicht gedacht, aber: «Als ich zum ersten Mal vor dem kirchlichen Zentrum Lee hier in Riniken stand, da wusste ich: das ist es!»

Nach der Photoaufnahme im Lee, trifft sie vor der Kirche auf zwei ihrer Gemeindemitglieder, die vor kurzem einen schweren Verlust zu verkraften hatten. Sofort ist Di Paolo mit den beiden im Gespräch, spendet ihnen Trost und versichert sie ihres Gebets. Sie zaubert ein dankbares Lächeln auf die Gesichter der Trauernden und es wird offensichtlich, dass dieser Weg ihr Weg ist.

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