08.10.2018

Sechs Frauen, ein Gebet - Interreligiöses Frauengebet

Von Redaktion «zVisite» / Dossier zur Woche der Religionen

  • Das «Dossier zur Woche der Religionen» erscheint mit der nächsten Horizonte-Printausgabe. Es thematisiert die Rolle der Frau in den verschiedenen Religionsgemeinschaften.
  • Zur Woche der Religionen feiern sechs Frauen verschiedener Religion gemeinsam ein interreligiöses Gebet. Die einen mit, die anderen ohne offiziellen Priestersegen.
  • Dieser Beitrag stellt die Frauen vor, die sich dafür engagieren, dass die Vorarbeit von Ahninnen, die sich schon in früheren Zeiten für das Anliegen der Frauen eingesetzt haben, weitergeführt wird.

 

 

Béatrice Menzi

Béatrice Menzi arbeitet als Sekretärin für den Aargauer Interreligiösen Arbeitskreis. Die gebürtige Katholikin lernte auf einer Auslandsreise die Ba’hai­ Gemeinschaft kennen und entschloss sich, dieser beizutreten. Die Bahai berufen sich auf die Lehren Bahá’u’lláhs, der die Religion ins Leben rief.

In Bahiyyih Khanum, die älteste Tochter Bahá’u’lláhs, sieht Béatrice Menzi ein Vorbild: «Ihre Geschichte hilft mir, den unerschütterlichen Glauben an das Gute, die Baha’i­Vision einer geeinten Welt, praktisch umzusetzen.» Die in Persien 1846 geborene Bahiyyih Khanum erlebte turbulente Zeiten in der Geschichte der Bahai­Gemeinschaft. Sie hatte einen starken Glauben und half stets anderen Menschen. «Sie war nicht nur eine stille Beobachterin, sondern nahm aktiv an den Geschehnissen jener Zeit teil», sagt Béatrice Menzi. «Bahiyyih Khanum scheute sich nicht vor schwierigen Aufgaben. Sie hatte heldenhafte Charaktereigenschaften und setzte diese ganz in den Dienst ihrer Religion.»

 

 

Susanne Andrea Birke

Die römisch-­katholische Theologin wuchs in Deutschland auf. In ihrer Familie spielten die Kirche und der christliche Glaube keine Rolle. Für sie persönlich allerdings schon. Heute ist Birke bei Bildung und Propstei der römisch­-katholischen Landeskirche im Aargau tätig und leitet den Arbeitskreis «Regenbogenpastoral». Sie gestaltet Segens- und Solidaritätsfeiern für gleichgeschlechtlich Liebende mit.

Eine besondere Beziehung hat Susanne Andrea Birke zur Heiligen Brigid von Kildare. Die Tochter einer Sklavin und eines Adligen, die einst zusammen mit ihrer Mutter verkauft, später dann freigelassen wurde, gründete in Kildare das erste irische Nonnenkloster. Die spätere Äbtissin eines Doppelklosters steht für Friedensarbeit, soziales Engagement und für die Bewahrung der Schöpfung. «Gemäss einer Quelle, sorgte der Heilige Geist dafür, dass bei der Weihe von Brigid von Kildare ‘versehentlich’ das Formular für die Bischofsweihe verwendet worden ist», sagt Birke. «Damit war der Weg für sie frei.»

 

 

Jasmina El Sonbati

Die Tochter eines ägyptischen Vaters und einer österreichischen Mutter verbrachte ihre Kindheit in Kairo. In Basel und Wien studierte sie Romanistik. Heute unterrichtet sie an einem Basler Gymnasium. Die Autorin des Buches «Gehört der Islam zur Schweiz?» engagiert sich für einen liberalen Islam und gründete den Verein «Offene Moschee Schweiz». In diesem Rahmen leitet die Muslimin auch muslimische Gebete.

In der Königin von Saba sieht Jasmina El Sonbati eine Frau, die eine politische Funktion einnimmt: Dank ihres Verhandlungsgeschicks gegenüber König Salomon wird ein Krieg verhindert. «Die Königin von Saba wird nicht nur als gehorsame, gottgefällige und tugendhafte Frau dargestellt, sondern als eine Frau, die Macht hat und diese für den Frieden einsetzt», sagt Jasmina El Sonbati. «Die Königin von Saba sehe ich als Gegenkonzept zum männlichen Herrscher.»

 

 

Vasanthamala Jeyakumar

Die gebürtige Tamilin ist geweihte Hindupriesterin in der reformierten Hindugemeinschaft Saivanerikoodam (die Schule nach der Regel der Hauptgottheit Shiva) im Haus der Religionen in Bern. Dort arbeitet sie auch im Restaurant und ist Stellvertreterin des Restaurantleiters. Bereits als Kind war sie fasziniert vom Tempel und den Gottheiten.

In der Frauenfigur Thilakavathiyar sieht Vasanthamala Jeyakumar eine Vorreiterin für die Gleichberechtigung der Frauen im Priesteramt. Der Legende nach vollzog die vom Schicksal gebeutelte Thilakavathiyar im Tempel kultische Handlungen: Sie reinigte den Raum und knüpfte Blumengirlanden für die Gottheiten. Durch ihre Gebete konnte sie ihren Bruder vor Krankheit schützen und ihn davor bewahren, vom Glauben abzufallen. «In dieser Figur finde ich etliches von meiner eigenen Geschichte, deshalb ist sie mir so wichtig.»

 

 

Melanie Handschuh

Erst studierte Melanie Handschuh römisch­katholische Theologie in Tübingen und in Dublin. Weil sie sich jedoch als Frau in den Hierarchien der römisch­ katholischen Kirche ungleich behandelt fühlte, konvertierte sie zum Christkatholischen Glauben. In Bern machte sie daraufhin ein Ergänzungsstudium in Christkatholischer Theologie. 2012 wurde Melanie Handschuh zur Priesterin geweiht. Heute arbeitet sie als Pfarrerin in der Christkatholischen Kirchgemeinde Zürich und im ökumenischen Pfarrteam am Flughafen Zürich.

Für Melanie Handschuh spielt die Christkatholikin Anny Peter (1882–1956) eine wichtige Rolle: «Sie hat sich mit ganzem Herzen und all ihrer Kraft für das kirchliche Frauenwahlrecht und die Bildung und Weiterbildung von Frauen in Kirche und Gesellschaft eingesetzt.»

 

 

Denise Alvarez-Braunschweig

Die Bernerin wuchs in einem traditionellen jüdischen Haus auf, wurde Primarlehrerin, Schauspielerin und später Feldenkrais­-Therapeutin. In der Jüdischen Gemeinde Bern war sie Vorstandsmitglied und war als Religionslehrerin tätig. Heute führt sie Interessierte durch die Berner Synagoge. Die Jüdin gehört zu den Mitinitiantinnen des jüdischen Frauengottesdienstes und zu den Vorbeterinnen im Minchagebet, dem Gebet am Samstagnachmittag.

In der Prophetin Miriam, der Schwester Moses und Aarons, hat Denise Alvarez-Braunschweig eine Ahnin gefunden, die ihr viel bedeutet «Miriam war bereits als Kind mutig: Sie rettete ihren Bruder Moses und führte ihn zu seiner Mutter zurück.» Beim Auszug aus Ägypten führte Miriam nach der Durchquerung des Schilfmeers den Freudentanz und den Gesang der Frauen an. Ihr ganzes Leben lang floss an Miriams Seite eine Wasserquelle, die mit ihrem Tod versiegt. «Wir können Miriam erinnernd in unserem Innern erahnen», sagt Denise Alvarez­-Braunschweig.

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