26.05.2021

Seelsorgerwechsel im Bistum Basel gilt als ungeschriebenes Gesetz
«Seelsorger sind Wanderarbeiter»

Von Christian Breitschmid

  • Im Bistum Basel gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Alle Leitungspersonen in der Seelsorge sollten nach acht bis zwölf Jahren ihren Arbeitsort wechseln.
  • Das hat gute Gründe, denn auch Priester, Diakone und Pfarreiseelsorger sind nicht davor gefeit, in Routine zu verfallen.
  • Ein Wechsel ist für Seelsorger wie auch Gemeindemitglieder eine Chance, sagt der Personalverantwortliche des Bistums Basel.

Donata Tassone-Mantellini und Andreas Brun sind gemeinsam verantwortlich für das Personal des Bistums Basel. | Foto: Bistum Basel
Seit wann diese Regel im Bistum Basel gilt, das kann der diözesane Personalverantwortliche, Andreas Brun, nicht genau sagen, aber: «Als ich 1994 die Berufseinführung hier begann, gab’s diese Regel auf jeden Fall schon länger. Es ist auch weniger eine Regel als vielmehr ein Bestreben, den Leitungspersonen in der Seelsorge neue Perspektiven zu eröffnen. Ein Wechsel, so alle acht bis zwölf Jahre, ist sowohl für die Pfarrei als auch für ein Team und für die Leitungsperson selbst anregend und inspirierend.» Darum hält Bischof Felix an der bewährten Regel fest, auch wenn beim aktuellen Seelsorgermangel eine freigewordene Stelle oft nicht nahtlos wiederbesetzt werden kann.

«Unsere Personaldecke ist dünn», bestätigt Andreas Brun, «und sie nimmt noch weiter ab. Es fehlt uns an Nachwuchs, und dadurch sind wir sehr gefordert. Wenn jemand per 31. eines Monats an einem Ort aufhört, dann kann man nicht davon ausgehen, dass am 1. schon die neue Person anfängt. Wir haben viele offene Stellen, aber die Faustregel bleibt dennoch sinnvoll, auch mit weniger Leuten.» Diakon Andreas Brun, der seit 1. Juli 2020 zusammen mit Donata Tassone-Mantellini die Personalverantwortung im Bistum Basel innehat, vergleicht die Personalwechsel in der Diözese mit der Blutauffrischung in einem Verein oder mit der Waldpflege, wo Bäume aus dem Bestand gehauen werden, um neu aufzuforsten: «Wenn ich einen Wechsel vornehme, bringt das neues Leben.»

«Ein Wechsel tut gut»

Wenn die liebgewordene Pfarreiseelsorgerin oder der Pfarrer, Diakon, Gemeindeleiter, der so viel für die Gemeinde getan hat, weiterziehen, geschieht das aus gutem Grund: «Ein Wechsel tut gut», sagt Andreas Brun. «Auch in der Privatwirtschaft bleibt heute niemand mehr ewig an der gleichen Stelle. Durch einen Wechsel kann man Gewohnheiten leichter verändern und sich innerlich neu ausrichten.»

Man müsse sich auch bewusst sein, so der erfahrene Gemeinde-­ und Pastoralraumleiter weiter, dass man als Seelsorger nie alle Pfarreimitglieder in gleichem Masse anspreche. Da könne dann ein Wechsel durchaus für beide Seiten eine Chance bedeuten.

Wechsel auf eigenen Wunsch

Pastoralraumleiter Simon Meier wechselt per 1. September 2021 vom Pastoralraum Region Brugg-Windisch nach Muri als Spital- und Heimseelsorger. | Foto: Roger Wehrli
Simon Meier ist seit acht Jahren als Seelsorger in der Region Brugg­-Windisch tätig. Zuerst als Gemeindeleiter der Pfarrei Brugg, dann der Pfarrei Windisch und seit November 2016 als Pastoralraumleiter. Es war seine Aufgabe, diesen Pastoralraum aufzubauen, und das hat er auch geschafft. «Ich konnte in den letzten fünf Jahren die Früchte meiner Arbeit geniessen», erzählt Simon Meier mit Freude. «Aber ich wollte auch nochmals etwas Neues erleben. Ich meine, ich bin jetzt Anfang 50… Darum machte ich noch die Ausbildung zum Spitalseelsorger.»

Per 1. September 2021 wird Simon Meier seine neue Stelle als Spital­- und Heimseelsorger in Muri antreten. Tut es nicht weh, einen Ort zu verlassen, an dem man so viel aufgebaut und erreicht hat? «Ich bin ja nicht ganz weg», antwortet Simon Meier. «Ich wohne mit meiner Familie weiter in Brugg. Aber ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe, denn ich bin Theologe geworden, um Seelsorger zu sein.» Darum wandte sich Simon Meier vor einem Jahr an die Personalverwaltung des Bistums, mit dem Wunsch, einen Stellenwechsel zu vollziehen.

Gemeinsame Suche

So wie bei Simon Meier passieren viele Stellenwechsel im Bistum Basel. Dazu Andreas Brun: «Entweder nehmen die Leute mit uns Kontakt auf, weil sie sich neu ausrichten oder weiterentwickeln wollen, oder es läuft vielleicht nicht so gut in ihrer Pfarrei, und sie möchten an einem anderen Ort neu starten.»

Aber auch von Seiten der Personalstelle wird das Gespräch gesucht, wenn die Zeit reif ist: «Wir suchen auch von uns aus den Kontakt, gerade, wenn jemand schon länger an einer Stelle ist. Dann fragen wir mal nach, wie sie oder er die Zukunft sieht, beurteilen die Kompetenzen und suchen gemeinsam nach der besten Lösung. Seelsorgerinnen und Seelsorger sind Wanderarbeiter und werden im Alter eher gerne sesshaft.»

Niemand wird gezwungen

Diakon Thomas Frey wechselt nach sechs Jahren Pastoralraumleitung in Laufenburg per 1. August 2021 als Gemeindeleiter nach Interlaken. | Foto: Roger Wehrli
Niemand, auch kein Priester, wird zu einem Wechsel gezwungen. Im Bedarfsfall setzt das Bistum mehr auf Überzeugung als auf Zwang. Diakon Thomas Frey zum Beispiel war 18 Jahre lang Seelsorger in Dottikon, bevor er vor sechs Jahren als Pastoralraum-­ und Gemeindeleiter nach Laufenburg wechselte. «Das war vor allem für meine beiden Jungs damals hart, weil sie in Dottikon aufgewachsen sind», erzählt der 59­-Jährige, der am 1. August dieses Jahres nach Interlaken weiterzieht. «Meine Söhne sind jetzt selbstständig, und ich habe noch einmal eine neue Herausforderung gesucht.»

Auch Thomas Frey sieht die Faustregel, die im Bistum Basel gilt, primär als Chance für die jeweiligen Stelleninhaber: «Es gibt ja keinen Zwang von Seiten des Bistums. Es ist eher ein Appell an die jeweiligen Stelleninhaber. Bei mir war es ja auch so, dass man auf meine familiäre Situation Rücksicht genommen hat, als ich noch in Dottikon tätig war. Aber es ist für niemanden sinnvoll, 30 oder 40 Jahre am selben Ort zu sein. Ich habe mich ganz bewusst für eine Stelle in der Diaspora entschieden. In Interlaken kann ich von meinen Sprachkenntnissen profitieren. Ich spreche Deutsch, Englisch und Portugiesisch, was da oben von grossem Nutzen ist.» Andreas Brun war es, der ihn auf diese Stelle aufmerksam gemacht hatte.

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