21.06.2017

Segen für Mensch, Hund und Kuscheltier

Von Andreas C. Müller

Mit dem Hund in die Kirche? Zu früheren Zeiten undenkbar. Mittlerweile widmet sich die Theologie auch den Tieren und es gibt eigens Tiergottesdienste. Horizonte hat eine solche Feier im Fricktal besucht – dort wurden sogar Plüschtiere gesegnet.

«Das ist der erste Gottesdienst in dieser Art», begrüsst Jacqueline Loretan an jenem lauen Samstagnachmittag im Juni bei strahlendem Sonnenschein alle Anwesenden bei der Chorndlete-Kapelle oberhalb von Frick. Der Ausblick auf die Gemeinde mit ihrem von Weitem sichtbaren Kirchturm ist herrlich, ein Stoffpony direkt vor dem kleinen Dachreiter der Kapelle zeigt an, dass beim heutigen Gottesdienst die Tiere im Mittelpunkt stehen. Eine Gegen 30 Männer, Frauen und Kinder mit gesamthaft fünf Hunden und vielen, vielen Stofftieren haben sich eingefunden. Die Hunde beschnuppern einander, werden teils kurz mal laut, doch die Stimmung bleibt friedlich. Die Kinder packen sich mit ihren Stofftieren auf die Bänke oder tummeln sich auf einer Picknickdecke.

Keine Selbstverständlichkeit

In den Bankreihen Platz genommen hat auch Regina Voss mit ihrem Terrier Soraya. Die gebürtige Fricktalerin nimmt zum ersten Mal an einem Tiergottesdienst teil «und findet es schön, dass es so etwas gibt.» Seit einer Begebenheit im Kloster Fahr nehme sie ihren Hund immer mit in die Kirche. Früher sei das nicht selbstverständlich gewesen und noch vor zwanzig Jahren hätte sie sich das nicht getraut. Eine Schwester im Fahr hätte sie dann erstmals ermutigt, ihren Hund – damals Bolero – in die Kirche mitzunehmen. Auch Tiere seien Geschöpfe Gottes, habe die Benediktinerin gemeint.

Pfarrer Thomas Sidler ist inzwischen in die Tunika geschlüpft, hat Headsetmikrophon und Gitarre montiert: «Wir wollen heute Danke sagen für unsere Tiere, an sie denken und ihnen etwas Gutes vom Liäbgott her wünschen», begrüsst er die Anwesenden. «Auch die Tierli hat der liebe Gott gemacht und hat sie gern… so wie ihr eure Tiere und Stofftiere gern habt, fährt Thomas Sidler fort, der sich in einer einfachen und direkten Sprache gekonnt auch an die Kinder richtet.

Mediale Aufmerksamkeit und Skepsis

Wir werden in der nächsten halben Stunde zusammen singen, beten und auch etwas über unsere Tiere erzählen, erläutert Jacqueline Loretan den Ablauf. Die Idee zu diesem speziellen Gottesdienst am 10. Juni 2017 sei ihr im Laufe ihrer Tätigkeit als Pfarreisekretärin gekommen. «Mein Hund Taro war sehr viel im Pfarrhaus mit dabei.

Töfffahrer, Autofahrer – alle bekämen einen Gottesdienst», so Jacqueline Loretan. «Aber die Haustiere?» Und weil sie beobachtet habe, wie wichtig ihrem Sohn und anderen Kindern das Plüschtier sei, kam sie auf die Idee, die Kuscheltiere doch auch gleich einzubeziehen. Sie habe «bei ihrem ehemaligen Chef, Pfarrer Sidler angefragt», ob er sich vorstellen könne, einen solchen Gottesdienst zu gestalten. Dieser sei darauf eingestiegen und so habe sich eins ums andere ergeben.

Sogar die Aargauer Zeitung widmet dem Anlasse ihre Aufmerksamkeit: Möglicherweise ein «Irrweg» oder «PR-Gag» müsse das sein, schreibt Thomas Wehrli, Ressortleiter Fricktal, in einem Zwischenruf. Die Idee polarisiert – auch an der Basis. «Ich habe mich gefragt, ob man damit nicht einfach nur Leute anlocken will, meint beispielsweise Horizonte-Leserin und Sakristanin Maria Meier aus Zeihen.

Kinderlebenswelt ernst nehmen

Thomas Sidler ist mit Tiersegnungen vertraut. Als eine Seuche umging, wurde er sogar schon zur Segnung von Hunderten von Hühnern gerufen. Plüschtiere hingegen sind auch für den gestandenen Seelsorger etwas Neues. «Wir Katholiken segnen ja auch Gegenstände wie beispielsweise Motorräder oder Eheringe», erklärt der 64-Jährige. Allerdings, so präzisiert er, gehe es bei so etwas immer um den Menschen und darum, dass er sich mit Blick auf den gesegneten Gegenstand an die Feier und sein Vertrauen zu Gott erinnert. Übersetzt auf die Plüschtiere heisse das: «Ich will den Kindern mitgegeben, dass Gott sie in gleichem Masse begleiten will, wie ihnen das Plüschtier in vielen Momenten Gefährte, Zuflucht und Trost ist.» Und überhaupt: Es sei doch wichtig, dass die Kirche die Lebenswelt der Kinder ernst nehme – und dazu gehörten nun mal Plüschtiere.

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