17.07.2023

Sie kennt sich aus in den Wettinger Katakomben
Sommerserie «Kirche backstage», Teil 1: Lisa Zandonella, Ministrantin

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Wer macht eigentlich die Arbeit hinter den Kulissen der Kirche?
  • Die «Horizonte»-Sommerserie geht «backstage» und stellt Menschen vor, die ihre Aufgabe im Hintergrund erfüllen.
  • Zum Beispiel die Ministrantin Lisa Zandonella, die sich in den Katakomben der Kirche St. Sebastian in Wettingen für den Gottesdienst bereit macht.

Am Sonntagmorgen, kurz nach neun Uhr, steigt Lisa Zandonella hinunter in die Katakomben. Dort erwarten sie aber weder dunkle Gänge noch leere Gräber, sondern säuberlich aufgereihte Turnschuhe und weiss gestrichene Schranktüren. «Katakomben» ­nennen die Ministrantinnen und Ministranten den Raum unter der Sakristei in der Kirche ­St. Sebastian Wettingen. Hier ziehen sie sich um und machen sich für den Gottesdienst bereit. Lisa Zandonella erklärt: «Bei einem normalen Gottesdienst treffen wir etwa 15 Minuten vorher in den Katakomben ein, bei einer speziellen Feier brauchen wir etwa 30 Minuten zum Vorbereiten.»

«Schnuppertraining»

Lisa ist zehn Jahre alt und ministriert seit einem Jahr. Von Gottesdienstbesuchen mit den Eltern kannte sie die Minis, wie sich die Ministrantinnen und Ministranten selber nennen: «Es hat mich immer wundergenommen, was die genau machen», erinnert sich Lisa. Als dann Oberministrantin Tamara im Religionsunterricht Werbung fürs Ministrieren machte, war Lisas Interesse geweckt, und nach einem «Schnuppertraining» habe sie sich entschieden, Ministrantin zu werden, erklärt Lisa. «Meine Eltern haben früher auch ministriert. Sie waren mit meiner Entscheidung einverstanden.» Vor einem Jahr wurde Lisa feierlich in die Ministrantenschar St. Sebastian aufgenommen.

3 Fragen an Lisa Zandonella

Was würde passieren, wenn du deinen Job nicht machen würdest?

Dann müsste die Sakristanin einspringen oder mein Mini-Gspändli müsste alles alleine machen. Es wäre schon ziemlich blöd, wenn ich eingeteilt wäre und nicht erscheinen würde.

Was würde dir helfen, deine Arbeit noch besser zu machen?

Hmmm… wenn es statt der Hostie ein Kuchenstück oder ein Glacé gäbe…

Woran glaubst du?

Ich glaube an die Geschichten von Jesus, welche uns die Religionslehrerin erzählt und die ich in meiner Bibel gelesen habe.

Das lateinische «ministrare» bedeutet «dienen». Die Kinder und Jugendlichen bereichern mit ihrer Anwesenheit den Gottesdienst. Die Minis übernehmen in der Liturgie eine wichtige Funktion. Durch ihre Kleidung zeigen sie, dass jeder Gottesdienst ein besonderes Fest ist. Sie tragen Kerzen in den Gottesdienstraum und beleuchten das, was besonders wichtig ist bei diesem Fest, zum Beispiel den Moment, wenn aus dem Evangelium vorgelesen wird. Auch decken sie den Altar mit einem Kelch und mit Brot und Wein, bei besonderen Anlässen schwingen sie das Weihrauchfass oder tragen das Kreuz.

Üben am Samstagmorgen

Etwa einmal im Monat hat Lisa Dienst. Falls ein Datum auf dem Plan einmal nicht passt, kann sie versuchen, mit einem anderen Mini zu tauschen. Die Minis sind vor allem bei den Gottesdiensten in der Kirche St. Sebastian im Einsatz, helfen aber auch in der Kirche St. Anton und in der Klosterkirche in Wettingen aus. Vor dem ersten Ernsteinsatz übten die neuen Minis mehrere Samstagvormittage lang die unterschiedlichen Abläufe von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier mit ihren Besonderheiten. Wann kommen die Kerzen zum Einsatz? Wann muss der Gong erklingen? Bis die Minis in jedem Detail sattelfest sind, braucht es ein wenig Erfahrung: «Manchmal fühle ich mich noch unsicher und bin froh, dass ältere Minis dabei sind.» Nach dem Gottesdienst geht die Arbeit hinter den Kulissen weiter: «Wir Minis erledigen dann unser Ämtli und leeren zum Beispiel die Kollektenkörbli, zählen das Geld und verpacken es in Couverts.»

Kurse und Anlässe für Minis

Die Deutschschweizerische Arbeitsgruppe für Ministrant*innenpastoral damp fördert seit 1984 die Arbeit von und mit Ministrantinnen und Ministranten in den Pfarreien der Deutschschweiz. Als ehrenamtliche Arbeitsgruppe im Auftrag der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz DOK bietet die damp Kurse und Events für Minis, Minileiterinnen und -leiter sowie für Präses an.

www.minis.ch

Ist Ministrieren gefährlich?

Ein grobes Missgeschick ist Lisa beim Ministrieren noch nie passiert. «Ich habe aber schon von ein paar Pannen gehört», erzählt sie. Zum Beispiel, dass eine Ministrantin über ihren Rocksaum gestolpert sei und den Kopf am Altar angeschlagen habe. Oder dass sich beim schwungvollen Segnen der Bürstenkopf vom Stiel löste und durch die Kirche flog. Doch Lisa beruhigt: «Ich glaube, wenn man das Ministrieren richtig macht, ist es nicht gefährlich.» Davor, dass sie – wie andernorts schon geschehen – wegen der Weihrauchdämpfe in Ohnmacht fällt, hat sie keine Angst: «Ich vertrage Weihrauch gut und rieche ihn eigentlich gerne.»

Achterbahn

In einem Werbespot fürs Ministrieren würde Lisa die lässigen Ausflüge und Anlässe erwähnen, die die Minis rund ums Jahr erleben. Es gibt einen Skitag, einen Spaghettiplausch, einen Filmabend oder einen Spielemorgen. Höhepunkt ist der Ausflug in den ­Europapark, wo sich Lisa auf fast alle verrückten Achter­bahnen traut. Das Fliegen fasziniert sie, und sie kann sich vorstellen, später einmal Rega-Pilotin zu werden. Auch ihr Lieblingsplatz in der Kirche ist in luftiger Höhe: «Auf der Empore bei der Orgel gefällt es mir am besten. Dort habe ich einen super Überblick über die Kirche.» Wenn Lisa einen Wunsch frei hätte, würde sie gerne einmal auf den Kirchturm steigen und den Blick über Wettingen geniessen.

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