Leserbeiträge

«Tut um Himmels Willen etwas Tapferes!»

24.02.2022

Von Peter Calivers, dipl. theol. und Sozialarbeiter HFS, Sursee

Jetzt muss ich meinem Ärger doch Luft machen – wegen der 4 neuen ständigen Diakone.

Es geht mir mehr um den Kurs der Redaktion als um die 4 betroffenen Personen. Da ich H.P. Stierli persönlich kenne und schätze, ist der 2. Artikel zur Diakonatsweihe durchaus informativ und schildert eine persönliche Entscheidung, die sich im Laufe der Zeit geändert hat und die ich respektiere. Solche Entscheide muss jede und jeder selber treffen und es steht mir nicht zu, darüber her zu ziehen, wenn ich sie – ebenfalls aus persönlichen Gründen – nicht so gefällt hätte und nur schwer nachvollziehen kann.

Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren pensioniert nach über 18 Jahren (missiofreiem) Dienst als Diakonieverantwortlicher in der katholischen Kirche in Zofingen. Der Artikel über die Weihe und die Predigt des Bischofs war schlicht unsäglich, auch wenn er natürlich kirchenrechtlich korrekt festgehalten hat, dass die 4 jetzt eben Kleriker sind. Dieses ganze Gesäusel um «etwas Besonderes», «auserwählt» usw. entspricht doch einer alten «Fangtradition» respektive theologischem Berufungsgeschwurbel der Kirche. Davon lassen sich – und ich rede jetzt nicht von den 4 neuen Diakonen, sondern von der Lage der Kirche generell – schwache Persönlichkeiten und mental schon klerikal geprägte (junge) Männer noch so gerne umgarnen, heute vielleicht wieder mehr als in den Jahren nach dem Konzil. Dazu hat Adolf Holl schon Ende des letzten Jahrhunderts (Neuauflage 2003 im Kreuz Verlag) in seinem Buch «Mystik für Anfänger» das Wesentliche gesagt. Jaja, ein «Ketzer», dem der Lehrstuhl in Wien entzogen wurde, natürlich unter Johannes Paul II resp. Josef Ratzinger.

In je 7 Lektionen schreibt er, was angehende Mystiker*innen jeweils verlernen und entsprechend neu lernen sollten. Das erste Kapitel ist überschrieben mit: «Das Erste, was die Anfänger verlernen müssen, ist das Fasziniertsein vom Pompösen, Gewaltigen, Bedeutenden und so weiter.» Das geht so weiter und gehört zum Hellsichtigen, was Theologie als Ideologiekritik leisten kann. Die Bischöfe wagen es nicht, als Verantwortliche in ihren Diözesen Klartext zur Situation in ihren Bistümern zu sprechen und ducken sich weg von dem, was von oben als Schelte folgen könnte. Dabei ist Vieles längst am Bröseln und das Volk, das noch etwas erwartet, fühlt sich zu Recht von «denen da oben» nicht verstanden in ihren Anliegen. Kein Wunder – ist die Amtskirche doch seit Jahren damit beschäftigt, die Strukturen aufrecht zu erhalten und berechtigte Anliegen mit schönen, pseudoliberalen Sprüchen von sich fern zu halten. Unter Berufung auf Entscheidungen, die sie «nur in der Weltkirche» fällen können. Was umso mehr stimmt, wenn die alleinigen, ausschliesslich männlichen Entscheidungsträger in einem System ähnlich der Kommunistischen Partei der Sowjetunion kein Rückgrat haben und sich entweder die Karriere nicht verderben oder dann (evangelisch notwendigen) Ärger von sich fern halten wollen. Mein verstorbener Schwiegervater hat so was lapidar umschrieben: «Links schnorre ond rächts frässe.»

Kurz: Mir fehlt im Horizonte zunehmend die kritische Distanz zu den Geschehnissen in der Kirche. Natürlich: es ist ein kirchliches Mitteilungsblatt mit einem redaktionellen Mantel-Teil, der aber zunehmend verarmt, wie mir scheint. Und ja: die guten Ansätze an der Basis dürfen und sollen als Good News thematisiert werden. Es hat mich noch zu den Zeiten in Zofingen genervt, ewig unseren Bischof auf der Titelseite zu sehen und seine pseudoliberalen Sprüche in Interviews lesen zu dürfen. Sorry Herr Gmür: das habe ich mir inzwischen abgewöhnt. Und eben: eine kritischere Haltung gegenüber unserem Diözesanbischof dürfte da und dort eben doch zu Wort kommen, statt 1:1 solche altersschwache Berufungstheologie an bestem Leseplatz zu verbreiten.

Ich bin inzwischen zur Ansicht gelangt, dass ganz viele Berufene (Frauen und Männer) aus ideologischen und strukturellen Gründen noch lange keine Chance auf priesterliches Wirken haben werden. Die katholische Kirche ist von beängstigender Stabilität. Die Aufforderung, um Berufungen zu beten, ist nicht falsch, aber im aktuellen Kontext der Kirche heuchlerisch. Es gibt sie, Mann muss sie nur sehen wollen. All diese Leute sind entweder demütig genug, das zu tun, was sie dürfen oder sind in ihren Berufungen auf Dauer frustriert. Oder sie gehen wie viele andere den Weg aus der Kirche. Es scheint mir theologisch inzwischen total falsch, priesterliches Wirken ans Amt – mit unsäglichen Zusatzbedingungen – zu binden. Da bin ich reformiert geworden. Die Kirche wird aus ihrer Krise – von der Missbrauchskrise ganz zu schweigen – nicht herauskommen, wenn sie nicht im Sinne des Evangeliums zu denken beginnt. Vielen Trägern der Amtskirche geht es um sich selber, das Evangelium scheint mir da auf verlorenem Posten. Der synodale Prozess, so wie er jetzt aufgegleist wurde, scheint mir dafür ein klares Indiz. Ich bedaure sehr, dass ich nicht einfach aus der Amtskirche austreten kann. Denn an der Basis macht die Kirche durchaus vieles richtig und gut. Ich selber habe von den (staatlichen) Kirchensteuern als Diakoniemitarbeiter sehr profitiert und eine konstruktive Kirchenpflege und ein gutes Team und Mitstreitende vorgefunden. Das hat mich auch an der der Aufgabe gefallen und mich gehalten.

Wie sagte doch Zwingli (allerdings in Zusammenhang mit dem 2. Kappeler Krieg unpassend) richtig: «Tut um Himmels Willen etwas Tapferes!» Das gilt sowohl für uns alle als besonders für unsere Bischöfe. Und für Sie als Redaktion dürfte etwas mehr kritischer Mut auch angesagt sein. Für mich endet der Lebensabschnitt Kirche möglicherweise im Austritt (für die entgehenden Steuern gibt es Lösungen!), ein Unterfangen, das mir nicht leicht fällt und Mut und Kraft verlangt.