12.01.2023

Unterwegs mit den Sternsingern von Seon
Lebendiges Brauchtum für einen guten Zweck

Von Cornelia Suter

  • Sie geben vollen Einsatz für eine lebendige Tradition: Jahr für Jahr ziehen die Sternsinger durch die Strassen, verkünden die befreiende Weihnachtsbotschaft und segnen Haus und Menschen.
  • Die Mädchen und Buben fördern als Sternsinger auch die weltweite Solidarität unter Kindern und sammeln Spenden für ein Hilfsprojekt.
  • Horizonte hat die Sternsingergruppe aus Seon auf ihrer segensreichen Tour begleitet.

Rund um das Dreikönigsfest am 6. Januar ziehen junge Sternsingerinnen und Sternsinger durch die Strassen. So auch in Seon, wo sich kurz vor 16 Uhr rund zehn Sternsingerkinder in der Pfarrei St. Theresia treffen. «Die Leute werden euch fragen, ob wir die Sachen gesegnet haben, welche wir mitbringen», erklärt Katechetin Lydia Furrer ihren interessierten Schülern. Gesegnet werden deshalb als erstes Kreide, Myrrhe, Weihrauch, Wasser mit Salz und natürlich die Sticker, welche später über den Eingangstüren aufgeklebt werden.

Aktion Sternsingen

In der Schweiz machen sich jedes Jahr über 10’000 Sternsingerkinder und mehrere tausend erwachsene Ehrenamtliche in den Tagen um Weihnachten und Neujahr auf den Weg zu den Menschen und segnen die Häuser mit der Inschrift 20 * C + M + B + 23. Das Sternsingen beruht auf der Erzählung von den Weisen aus dem Osten im Matthäusevangelium. Schon im Mittelalter verbreiteten so genannte Mysterienspiele die Geschichte. In der heutigen Gestalt gibt es das Sternsingen aber erst seit 32 Jahren, als Missio den Brauch schweizweit zu koordinieren begann. Missio ist der schweizerische Zweig des gleichnamigen internationalen Missionswerkes, das in über 120 Ländern tätig ist. Missio hat das Sternsingen mit dem Solidaritätsgedanken angereichert. Seither bringen die Sternsinger nicht nur Gottes Segen zu den Menschen, sondern sammeln Spenden für Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Friedensarbeit und Ernährung von Kindern und Jugendlichen weltweit. Jedes Jahr steht ein Gastland exemplarisch im Vordergrund. Unter dem diesjährigen Motto «Kinder stärken, Kinder schützen – in Indonesien und weltweit» stellt die Aktion Sternsingen 2023 den Kinderschutz in den Fokus. In den vergangenen Jahren haben die Sternsinger in der Schweiz jeweils zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Franken gesammelt.

Nach dem gemeinsamen «Amen», geht’s dann ans Anziehen. Aus Ilaria, Simon und Joaquin werden für einen Abend Caspar, Melchior und Balthasar. «Die neuen Gewänder kommen frisch ab der Nähmaschine. Das Letzte steckt quasi noch unter der Nadel fest», sagt Lydia Furrer, welche die Kleider für Könige, Sternträger und Sternsinger alle selbst genäht hat, und lacht. «Jetzt geht es dann endlich los», sagt Damian während er auf seine Sternsinger-Kollegen wartet und meint zufrieden: «Ich freue mich schon so lange und konnte es kaum noch erwarten. Es macht Spass bei den Leuten zu Hause zu klingeln und einfach zu singen.» Und Ilaria ruft: «Es ist erst noch für einen guten Zweck! Wir sammeln nämlich für Arme Kinder in Indonesien. Die wohnen an gefährlichen Stellen ganz nahe bei den Eisenbahnlinien. Für diese Kinder sammeln wir heute Abend viel Geld.»

Die Aktion Sternsingen 2023 soll der Stiftung «ALIT» zugutekommen. Sie unterstützt seit mehr als 20 Jahren Kinder, welche aus unterschiedlichen Gründen gefährdet sind oder Opfer von Gewalt wurden.

Die alte Tradition hat unter Corona gelitten

«Wir sind die Sternsinger und ziehen heute von Haus zu Haus», singen die Kinder vor der Eingangstüre bei Familie Sternad, dem ersten Besuch an diesem Abend. Rund zwanzig Adressen stehen während für die nächsten beiden Abende auf dem Programm. Das sind einige weniger als noch vor Coronazeiten. «Während der Pandemie hatten viele Angst und wünschten keinen fremden Kontakt mehr. Deshalb wurden auch wir Sternsinger nicht mehr eingeladen. Jetzt, wo Corona fast vorbei ist, sind wir wohl etwas in Vergessenheit geraten», erklärt Lydia Furrer nachdenklich. Die Katechetin begleitet die Seoner Sternsinger schon seit mehr als 20 Jahren.

20 * C + M + B + 23

«Gott, begleite alle, die durch diese Türe ein- und ausgehen mit deinem Segen. Halte deine schützende Hand über dieses Haus.» Im Chor segnen die Sternsinger am Dreikönigsabend jedes einzelne Haus, das sie besuchen. Und bevor sie dann wieder von dannen ziehen, schmücken sie die Eingangstüre mit einem Sticker oder der Kreideaufschrift: «20 * C + M + B + 23».

Doch was bedeuten eigentlich diese Zahlen und Buchstaben? «Corona Maske Bitte», scherzt sofort ein kleiner Sternsinger und ein weiterer kontert: «Oder Cervelat, Most und Brot». Damian, welcher die Aufschrift mit seiner gesegneten Kreide über die Türrahmen schreibt, meint: «Caspar, Melchior und Balthasar. So kann ich mir die Buchstaben jedenfalls merken.» Die tatsächliche Bedeutung der Buchstaben C, M und B stammt vermutlich jedoch aus den 1950er-Jahren und wird als Abkürzung der lateinischen Worte «Christus mansionem benedicat» gedeutet. Was so viel heisst wie «Christus segne dieses Haus». Die Inschrift soll also den Segen Gottes auf das Haus und seine Bewohner herabrufen und sie vor Unglück schützen.

Herzliche Gastfreundschaft

Entsprechend freuen sich die Gastgeber natürlich über den Besuch der Sternsinger und ihr neu gesegnetes Haus. «Einige geben uns Süssigkeiten mit auf den Weg, andere machen im Garten extra ein Feuer für uns und zünden Kerzen vor dem Hauseingang an», freut sich eine Sternsingerin und Lydia Furrer schmunzelt: «Beim letzten Haus dürfen wir immer noch einkehren und bekommen ein kleines Znacht. Das ist in den letzten Jahren schon fast Tradition geworden. Dieses Jahr hatten wir jedoch gleich drei Familien, die uns dazu einladen wollten. Das wäre dann doch etwas zu viel für unsere kleinen Magen.»

Auch wenn es durch Corona also etwas weniger Anmeldungen gab als auch schon – beliebt sind die Sternsinger in Seon und Umgebung weiterhin. Deshalb werden sie auch nächstes Jahr rund um den Dreikönigstag wieder durch die Strassen ziehen. Allen voran die Sternträgerin, welche den singenden Kameraden den Weg von Haus zu Haus durch die dunkle Sternennacht leuchtet.    

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.