29.02.2016

Vergoldetes Schweigen

Von Doro Winkler

Rund 70 Prozent des weltweiten Goldes werden hierzulande raffiniert. Die Schweizer Regierung schützte die Branche bis vor kurzem mit der Geheimhaltung von Importstatistiken und wehrt sich weiterhin gegen mehr Transparenz. Das katholische Hilfswerk Fastenopfer und seine Partner setzen sich mit der Konzernverantwortungsinitiative dafür ein, dass die verarbeitende Goldindustrie künftig auch für die Einhaltung der Menschenrechte in den Abbaugebieten gerade stehen muss.

Sie heissen Valcambi, Metalor, Pamp und Argor-Heraeus, ihr Exportvolumen ist so gross wie das aller Schweizer Uhren-, Juwelier- und Pharmaunternehmen zusammen – und trotzdem sind sie in der Schweizer Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Die Rede ist von vier der sieben grössten Goldraffinerien weltweit. Drei von ihnen haben ihren Sitz im Tessin, eine im Kanton Neuenburg. Dass sie kaum jemand kennt, ist in ihrer Branche Programm. Denn das Geschäft mit Gold ist seit jeher verschwiegen und wenig transparent – genauso wie das der Grossbanken, die ursprünglich Eigentümerinnen vieler Raffinerien waren. Das Rohgold, das von Valcambi, Metalor und Co. raffiniert wird, stammt aus Ländern wie Südafrika, Peru und Burkina Faso. Dort ist der Goldabbau für die Menschen mehr Fluch als Segen:

Gifteinsatz beim Rohstoffabbau
Ganze Dorfgemeinschaften werden vertrieben, Bauernfamilien verlieren ihr Land, der offene Tagebau hinterlässt weiträumig zerstörte Landstriche. Um das Edelmetall vom Gestein zu trennen, werden Zyanid oder Quecksilber in grossen Mengen eingesetzt. Immer wieder passiert es, dass bei Unfällen oder Überschwemmungen Flüsse und Grundwasser vergiftet werden, wie etwa im Jahr 2000 im rumänischen Baia-Mare. Ungeachtet dessen boomt das Geschäft mit dem Edelmetall: Gemeinsam hatten die vier Schweizer Schmelzereien 2013 eine geschätzte Kapazität von 2 900 Tonnen Gold pro Jahr. Damit verarbeiten sie 70 Prozent des weltweiten Goldbedarfs (Minengold und Altgold). In jüngster Zeit hat der Standort Schweiz für die Goldverarbeitung weiter an Gewicht gewonnen: Kamen 2004 noch rund 1 000 Tonnen Gold in die Schweiz zur Endverarbeitung, waren es 2013 rund 3 000 Tonnen und 2235 Tonnen Gold im Jahr 2014.

Deckmantel für illegale Akte
Die Schweiz wurde nicht aus Zufall zu einer globalen Golddrehscheibe. Die Nähe zum Finanzplatz und eine Politik, die der Branche seit jeher wenig Regeln und Steuern auferlegt und sie vor der Öffentlichkeit abschirmt, haben das Geschäft begünstigt. Um den Finanzplatz zu schützen, sah der Bundesrat von 1981 bis 2013 davon ab, den Import und Export der Goldeinfuhr nach Ländern aufgeschlüsselt zu veröffentlichen. Unter diesem Deckmantel florierte in der Schweiz nicht nur der Goldhandel mit dem Apartheid-Regime in Südafrika, sondern auch mit der UdSSR, mit der im Rahmen des Kalten Krieges keine Geschäfte hätten getätigt werden dürfen.

Anzeige wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen
In den letzten Jahren ist die Goldbranche jedoch gleich mehrfach unter Druck geraten: Im Herbst 2015 machte beispielsweise die Gesellschaft für bedrohte Völker publik, dass die Schweizer Raffinerien Pamp und Metalor in Geschäfte mit «schmutzigem» Gold aus Lateinamerika verwickelt seien. Die Genfer Menschenrechtsorganisation Track Impunity Always (Trial) zeigte Argor-Heraeus 2013 wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und wegen Geldwäscherei an. Argor hatte im Jahr 2005 drei Tonnen Gold aus der Demokratischen Republik Kongo verarbeitet, just zu jener Zeit, als dort ein brutaler Krieg wütete.

Aktuelle Gesetzeslage schützt  Menschenrechte nicht
Angesichts der Häufung solcher Vorfälle und aufgrund von zunehmendem Druck aus dem Parlament und der Öffentlichkeit hat der Bundesrat 2013 die Geheimhaltung der Import- und Exportzahlen nach Ländern aufgehoben. Ein erster Schritt – aber bei weitem nicht genug. Auch bestehende Gesetze wie das Geldwäschereigesetz sowie die Edelmetallverordnung dienen lediglich dazu, die legale Herkunft des Goldes nachvollziehbar zu machen. «Um allfällige Menschenrechtsverletzungen oder Umweltvergehen im Zusammenhang mit der Förderung von Gold zu sanktionieren, reichen sie jedoch nicht», sagt Daniel Hostettler, Koordinator Entwicklungspolitik von Fastenopfer. Dies vor allem deshalb, weil der Bund die Sorgfaltsprüfung den Raffinerien selber überlässt.

Initiative will klare Regulierungen
Dem Bundesrat ist die Lücke durchaus bewusst. Er sieht jedoch keinen Handlungsbedarf, wie seine Antwort auf eine Motion im September 2015 zeigt: «Es besteht (in der Edelmetallkontrollverordnung für die Inhaber einer Schmelzbewilligung) aber keine Verpflichtung abzuklären, aus welcher Weltregion der Rohstoff stammt oder ob dieser menschenrechtskonform abgebaut wurde.» Und auch die Zertifizierungs­mechanismen der internationalen Goldbranche reichen nicht aus, um Menschenrechtsverletzungen rund um den Goldabbau zu verhindern, denn sie fokussieren vor allem auf die Verhinderung von Geldwäscherei und den Handel mit Konfliktmineralien. «Es kann aber nicht sein, dass Menschen ihr Land und ihre Lebensgrundlagen verlieren, damit private Unternehmen Profite machen können. Deshalb sind Regulierungen nötig», sagt Daniel Hostettler. Es brauche verbindliche Regeln, wie die Konzernverantwortungsinitiative sie vorsieht: Unternehmen mit Sitz in der Schweiz – und dazu gehören auch die Goldraffinerien – müssen sorgfältig prüfen, welche Auswirkungen ihre Zulieferer – in diesem Fall die Goldminen – auf Menschenrechte und Umwelt verursachen.

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