02.03.2023

Seit 2011 wird am zweiten Fastensonntag der Tag des Judentums gefeiert
Warum findet der Tag des Judentums keine Beachtung?

Von Eva Meienberg

  • Am diesjährigen zweiten Fastensonntag gibt es einen Stau im Liturgischen Kalender.
  • Der Tag des Judentums findet in den Aargauer Pfarreien keine Beachtung.
  • Die Liturgikerin Gunda Brüske findet die Durchführung des Tages des Judentums wichtig angesichts des zunehmenden Antisemitismus‘.

Am kommenden Sonntag hat der liturgische Kalender drei Einträge. Neben dem zweiten Fastensonntag wird sowohl der Tag der Kranken als auch der Tag des Judentums begangen. «Eine liturgische Zumutung» sei das, sagt die Liturgiewissenschaftlerin Gunda Brüske. Aus pastoraler Sicht verstehe sie, dass man sich am kommenden Sonntag auf den Tag der Kranken konzentriere.

Gunda Brüske ist Co-Leiterin des Liturgischen Institutes der deutschsprachigen Schweiz | Foto: zvg

Dieser Entscheid bildet sich in den Agenden der Aargauer Pfarreien ab. Da finden sich viele Einträge zum Tag der Kranken, aber kein einziger Eintrag zum Tag des Judentums. Seit der Einführung habe es nie einen Hype um den Gedenktag gegeben, sagt Gunda Brüske. Die Durchführung sei wohl davon abhängig, ob die Verantwortlichen sich im jüdisch-christlichen Dialog engagierten. Sie selbst bedauert das Schattendasein des Gedenktages. «Gerade jetzt, wo wieder vermehrt antisemitische Übergriffe bekannt werden, wäre es um so wichtiger, sich der gemeinsamen Wurzeln des Judentums und des Christentums bewusst zu werden», sagt die Theologin.

Jüdisch-christlicher Dialog in der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz

In der Schweiz wird der Tag des Judentums seit 2011 am zweiten Fastensonntag begangen. Dies geht auf das Engagement der Jüdisch/Römisch-katholischen Gesprächskommission (JRGK) zurück, die seit 1990 für die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) für den jüdisch-christlichen Dialog arbeitet.

Wegweisend für diesen Dialog in der Römisch-katholischen Kirche war die päpstliche Enzyklika Nostra aetate, die während des Zweiten Vatikanischen Konzils entstand. Nach der menschlichen Katastrophe der Shoah musste sich auch die Römisch-katholische Kirche mit ihrem Verhältnis zum Judentum auseinandersetzen.

Eine neue Theologie im Verhältnis zum Judentum

Mit Nostra aetate sei der Grundstein gelegt worden, das Verhältnis zum Judentum in der Zukunft positiv zu bestimmen, schreibt der Jesuit und Judaist Christian Rutishauser, der Mitglied des JRGK ist, in der Wegleitung zum Tag des Judentums. Mit der Enzyklika sei eine fast zweitausendjährige Theologie verabschiedet worden, in der sich die Kirche als Verus Israel, als wahres Israel, an die Stelle des Judentums gesetzt hatte. Daher hätten die Juden stets negativ beurteilt und politisch verdrängt werden müssen.

Ein augenfälliges Beispiel dafür war die Fürbitte, in der an Karfreitag für die «treulosen Juden» gebetet wurde, dass auch sie «Jesus Christus erkennen». Papst Johannes XXIII. strich das «treulos» 1959 aus der Fürbitte. 1976 wurde die neue Fürbitte approbiert. Seither beten Katholikinnen und Katholiken an Karfreitag: «für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat. Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will».

Neue Ideen für den Tag des Judentums

Gunda Brüske fragt sich, ob der Tag des Judentums angesichts zunehmenden Antisemitismus‘ nicht mehr Beachtung finden sollte. Eine Hilfe wären neue liturgische Handreichungen. Vielleicht wäre es möglich, den Tag wie in Österreich auf den 17. Januar zu legen. Das würde einerseits die Vervielfachung von Anlässen an einem einzelnen Sonntag vermeiden und andererseits ermöglichen, Handreichungen von dort zu nutzen, sagt die Liturgikerin.

Während der Tag des Judentums vermutlich nicht nur im Aargau ein Mauerblümchen-Dasein fristet, kommen säkularere Projekte zum Fliegen. Der JRGK hat Mitte Februar bestätigt, dass das Projekt Doppeltür in Lengnau realisiert werden könne. Die gleichnamige Stiftung konnte ein jüdisches Doppel-Tür-Haus und eine Mikwe, die für die rituellen Bäder gebraucht wurde, kaufen. Neben dem Kulturweg zwischen Lengnau und Endingen soll es also in Zukunft auch ein Begegnungszentrum geben, in dem die Geschichte des jüdisch-christlichen Zusammenlebens in der Schweiz vermittelt wird.

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