31.10.2019

Weihnachten mitten im Herbst

Von Andreas C. Müller

  • Bereits zur Herbstferienzeit starten viele Geschäfte ihr Weihnachtsgeschäft, woran sich nach wie vor viele Menschen stossen, wie Horizonte herausfand.
  • Das Phänomen sei nicht neu, erklärt der Marktleiter einer grossen Migrosfiliale. Das ganze sei der Logistik geschuldet. «Mitnichten», meint dazu der Theologe und Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki: «Alles nur, um den Konsum voranzutreiben».

 

Niedliche kleine Weihnachtswichtel lachen mich aus dem Regal im Einkaufszentrum an. Daneben stehen Nikoläuse, kleine süsse Engel in allen Farben und Formen. Und mitten drin ein Weihnachtsbaum – geschmückt mit vielen roten und goldenen Kugeln. Dies, so verrät mir der Marktleiter, sei dieses Jahr der Trend in Sachen Weihnachtsschmuck.

Verfrühter Weihnachtsverkauf: «Ein Stimmungskiller«

Ich schlendere über den roten Teppichboden im Weihnachtsmarkt im Buchser Wynecenter. Dieses ist voll mit Kundschaft, immer wieder begegne ich Besuchern in der festlich geschmückten Abteilung im Untergeschoss. Doch nicht alle sind begeistert von dieser vorweihnächtlichen Stimmung. Immer wieder höre ich den Satz: «Es ist mir noch viel zu früh».

 

«Ein absolute Zumutung»

«Sobald der Weihnachtsmarkt steht, bin ich neugierig, was es alles zu kaufen gibt», verrät mir jedoch eine Kundin, die fröhlich durch die geschmückten Regale zieht. Ohne dass ich überhaupt danach gefragt habe, zeigt sie mir, was sie soeben entdeckt hat. In der Hand schüttelt sie eine Schneekugel und streckt sie mir entgegen – wohl der einzige Schnee, der momentan fällt, geht mir durch den Kopf.

Eine weitere Kundin kommt dazu und schüttelt, anstelle einer zweiten Schneekugel, energisch ihren Kopf. «Ich finde das eine absolute Zumutung», schimpft sie über das Angebot. «Das hat überhaupt nichts mehr mit Weihnachten zu tun».

Die ältere Dame aus der Region möchte, genauso wie die andere Kundin, nicht mit Namen genannt werden. Der Ärger über das Weihnachtsangebot bei notabene 16 Grad und Sonnenschein lässt sie aber trotzdem nicht los: «Mitten im Herbst feiern wir bereits Weihnachten», rüffelt sie und läuft, ohne auch nur einen einzigen Blick auf die glitzernden Kugeln zu werfen, aus dem Laden. Ich drehe mich zu den Lichterketten um. Aussenbeleuchtung für Sträucher und Tannenbäume blinken mir entgegen. Ich stelle mir vor, wie ich diese heute Nachmittag mit T-Shirt und kurzen Hosen im Garten montieren könnte. Keine kalten Hände, keine feuchten Stromstecker. So gesehen hat Weihnachten im Herbst ja doch etwas Gutes.

«Es geht den Läden nicht um Jesus»

Theologe Thomas Wallimann-Sasaki, Präsident a.i. der bischöflichen Kommission «Justizia et Pax», sieht es kritisch: «Es geht den Läden nicht um Jesus», meint er und hält für einen kurzen Moment inne. «Es geht auch nicht um Weihnachten, sondern nur darum, den Konsum voranzutreiben», so der Sozialethiker. Die Leute seien nicht mehr daran interessiert auf etwas zu warten, zu «plangen». Und nach einer Pause meint Thomas Wallimann-Sasaki nachdenklich: «Der Advent fällt ab sofort eigentlich aus. Man kauft sich die Ware jetzt und braucht sie häufig sofort. Das verfrühte Weihnachtsangebot in den Läden nimmt», so fürchtet Wallimann, «den Leuten die Vorfreude und die Möglichkeit, bewusst zu warten».

«Mama, wann ist denn Weihnachten?», höre ich eine zarte Stimme fragen, welche mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität, ins Wynecenter in Buchs holt. Neben mir steht eine Familie mit einem kleinen Mädchen. Ihre Augen leuchten, sie freut sich sichtlich auf das Weihnachtsfest. «Für die Kinder ist es nicht gut, sie müssen ja trotzdem warten bis Weihnachten und werden ungeduldig», erklärt mir ihre Mutter, die 35-jährige Susanne Meister aus Merenschwand.

Die Logistik ist schuld

Seit seiner Lehre arbeite er schon in der Migros, und seit da beginnen die Weihnachtsvorbereitungen auch immer um dieselbe Zeit, erklärt mir der Marktleiter des Wynecenter Buchs, Christoph Schmid. «Wir starten in den grossen Filialen immer in der Kalenderwoche 42. Die kleineren Geschäfte folgen in der Kalenderwoche 43». Dies sei vor allem auf die Logistik zurückzuführen. «Wenn die Ware bei uns eintrifft, bin ich froh, sie auf die Mallfläche bringen zu können», erklärt uns der Fachmann. In den Lagern sei schlicht zu wenig Platz, um alles Verkaufsmaterial, welches von den Logistikzentren angeliefert wird, noch für ein paar Wochen zur Seite zu stellen. Zudem sei die Arbeit für den Aufbau nicht zu unterschätzen, gibt der Marktleiter weiter zu bedenken. «Das Tagesgeschäft läuft normal weiter und die Verkäuferinnen räumen die zusätzliche Ware in die Weihnachtsregale ein. Das braucht entsprechend Zeit», erklärt Christoph Schmid.

Zum Schluss möchte ich vom Marktleiter aber trotzdem noch wissen, was in seiner Weihnachtsabteilung denn besonders empfehlenswert sei. «Die selbstgesteckten Adventskränze unserer Floristinnen sind dieses Jahr neu im Angebot», verrät uns Christoph Schmid mit stolzer Stimme und führt weiter aus: «Auch die hellblauen Meerjungkatzen und Wassertiere sind dieses Jahr neu und sehr beliebt».

Meerkatzen, Delphine und Wassermänner für den Baum

Ich werfe einen kurzen Blick zum Regal mit den Wassertieren. Fische, Wassermänner und glitzernde Delfine sind zu sehen – alles eher aussergewöhnlicher Schmuck für den Weihnachtsbaum. Und ich schmunzle beim Gedanken, dass, wer Weihnachten bereits im Oktober feiert, seinen Tannenbaum ja durchaus mit Delfinen und Wassermännern schmücken kann.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.