08.09.2022

Das Museum Kloster Muri zeigt Dokumente aus dem Privatarchiv von Kaiserin Zita
Wie ein Blick durchs Schlüsselloch

Von Thomas Frei, chb

  • «Für Gott, Kaiser und Kinder» heisst die Ausstellung, die vom 10. September bis 6. November im Museum Kloster Muri präsentiert wird.
  • Sie zeigt erstmals ausgewählte Dokumente aus dem Privatarchiv der letzten Kaiserin von Österreich, Zita von Bourbon-Parma.
  • Die Ausstellung vermittelt einen fast intimen Blick in das Wesen dieser ebenso klugen wie auch stolzen und tiefgläubigen Frau.

Eintauchen in die Weltgeschichte, in die Geschichte Europas und in diejenige der Schweiz, des Aargaus und des Freiamts, das kann man dank seines Klosters in Muri seit bald 1000 Jahren. Jetzt setzt die Stiftung Murikultur noch einen drauf. In der Kabinettausstellung im Museum Kloster Muri, die am Samstag, 10. September, um 14 Uhr ihre Eröffnung feierte, können die Besucher einen sehr tiefen, fast schon intimen Blick werfen auf das Leben der letzten Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, Zita Maria delle Grazie Habsburg-Lothringen, geborene Bourbon-Parma (1892-1989).

Sie war die letzte Kaiserin von Europa. Neben ihrem Gemahl, Kaiser Karl I. von Österreich, regierte sie bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Karl trat 1916 die Nachfolge seines Grossonkels Franz Joseph I. an. Dessen Gemahlin, Elisabeth von Bayern, bekannt und beliebt unter ihrem Kosenamen Sisi, kam 1898 bei einem Attentat in Genf ums Leben.

Nur zwei Jahre Kaiserin

Attraktives Rahmenprogramm

Samstag, 10. September, 14 Uhr: Vernissage. Mit Grusswort der Familie Habsburg. Einführung in die Ausstellung durch Kurator Thomas Frei mit anschliessendem Apéro. Eintritt: frei.

Samstag, 24. September, 15 Uhr: Audienz bei der Kaiserin. Butlerin Zita Langenstein, Absolventin der weltberühmten Butlerschule in London und immer mal wieder im Dienste von Königin Elisabeth II., berichtet vom Wiener Hofzeremoniell und über den korrekten Umgang gemäss diplomatischem Protokoll. Eintritt: Fr. 25.–, mit Museumspass Fr. 20.–.

Sonntag, 16. Oktober, 15 Uhr: Erinnerungsorte – Über Erinnern, Ausblenden und Vergessen. Georg Kreis spricht mit Kurator Thomas Frei über Sinn und Notwendigkeit des Erinnerns und über Erinnerungsorte in der Schweiz, die Mythen bilden und Gemeinschaft stiften. Eintritt: Fr. 25.–, mit Museumspass Fr. 20.–.

Sonntag, 23. Oktober, 14 Uhr: Trouvaillen im Zita-Archiv von Muri. Das historische Erbe der Kaiserin Zita umfasst 120 Koffer, Kisten und Truhen. Historiker Josef Kunz hat alles während fünf Jahren geordnet und archiviert. Er zeigt, was die Kaiserin in ihren 97 Lebensjahren gesammelt und für die Nachwelt dokumentiert hat: Reportagen, Photos, Schatullen mit tausenden von Briefen an politische und kirchliche Führer der Welt. Eintritt: Fr. 25.–, mit Museumspass Fr. 20.–.

Samstag, 29. Oktober, 15 Uhr: Die Königinnen und Kaiserinnen in der Schweiz. Michael van Orsouw wurde schon «Spezialist für Fragen der Aristokratie» oder auch «schweizweit bekannter Spezialist für gut erzählte Historie» genannt. Der Verfasser verschiedener Sachbücher zu Royals in der Schweiz erzählt in dieser Veranstaltung, wie sich Königinnen und Kaiserinnen in der Schweiz bewegt haben – und wie die Schweiz auf sie reagierte. Eintritt: Fr. 25.–, mit Museumspass Fr. 20.–.

Sonntag, 6. November, 14 Uhr: Finissage. Letzter Rundgang durch die Ausstellung mit Archivar Josef Kunz und Kurator Thomas Frei. Eintritt: frei.

Öffentliche Führungen unter der Leitung von Archivar Josef Kunz finden statt am Sonntag, 25. September, um 15.15 Uhr; Sonntag, 9. Oktober, um 11 Uhr; Sonntag 23. Oktober, um 15.15 Uhr. Eintritt: Fr. 25.–, mit Museumspass Fr. 20.–.

Treffpunkt für alle Veranstaltungen: Besucherzentrum Museum Kloster Muri, Marktstrasse 4, 5630 Muri. Tel. 056 664 70 11, E-Mail info@murikultur.ch.

Karl von Habsburg-Lothringen und Zita von Bourbon-Parma heirateten 1911 in Schwarzau, südlich von Wien. Nach dem Attentat von 1914 in Sarajevo auf das Thronfolge-Paar Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie war Karl I. der erste Anwärter auf den Kaiserthron. Nach dem Tod Franz Joseph I. – mitten im Ersten Weltkrieg – wurde Karl zum Kaiser von Österreich und zum König von Ungarn gekrönt. Nach Kriegsende 1918 brach die Donaumonarchie zusammen, die Staaten im Osten wurden eigenständig und in Österreich die Republik ausgerufen.

Der Kaiser musste ins Exil in die Schweiz. Nach zwei gescheiterten Restaurationsversuchen in Ungarn, verbannten die Siegermächte die ganze Kaiserfamilie 1922 nach Madeira. Dort starb Kaiser Karl an den Folgen der Spanischen Grippe. Forciert durch prominente konservativ-katholische Kreise erfolgte am 3. Oktober 2004 die Seligsprechung Karls durch Papst Johannes Paul II. mit der Begründung, der letzte Habsburger auf dem Kaiserthron sei ein «vorbildlicher Christ, Ehemann, Familienvater und Herrscher» gewesen. 

Mit acht noch unmündigen Kindern war Zita danach an verschiedenen Orten in Europa unterwegs. Sie unternahm alles in ihrer Kraft Stehende, um ihren ältesten Sohn, Otto, wieder als Monarchen zu installieren. Vergeblich. Vor und während des zweiten Weltkrieges bedrohten Hitlers Schergen die Kaiserfamilie und wieder wählte sie das Exil, diesmal in Nordamerika, Quebec und Tuxedo, N.Y.

60 Laufmeter Akten

Ab 1962 lebte Zita im St. Johannes Stift in Zizers, Bistum Chur. Die Wiedereinreise nach Österreich blieb ihr bis 1982 verwehrt, weil sie nie offiziell auf den Thron verzichtete. Erst anlässlich ihres 90. Geburtstages durfte sie das Grab ihrer Tochter in Tulfes und später Wien besuchen. Zita starb 1989 in Zizers. Sie bestimmte, dass ihr Herz unter demjenigen ihres Gatten in der Loretokapelle in Muri beigesetzt werde. Der Korpus der Kaiserin liegt in der Kapuzinergruft in Wien, wie es sich für Kaiserinnen gebührt. Für Zita läuft das Seligsprechungsverfahren seit Ende 2009. Zur Begründung wird unter anderem auf ihre Pflichterfüllung in ihrer Funktion als Kaiserin und Königin verwiesen, ihre tätige Anteilnahme am Leid der Anderen sowie ihre Verbundenheit mit Christus etwa als Oblatin (Laienmitglied) der französischen Benediktinerabtei Saint Pierre de Solesmes.

Kaiserin Zita hinterliess ein umfangreiches Archiv mit Dokumenten, Briefen und Fotos. In vielen Kisten und Koffern hatte sie es auf allen Reisen mit dabei. Ihren Lebensabend verbrachte sie in Zizers bei Chur, wo sie ihr riesiges Archiv weiterpflegte und ergänzte. Heute wird dieses Archiv in Muri aufbewahrt und ist noch unter Verschluss. Sauber geordnet und verzeichnet enthält es über 60 Laufmeter Akten und ist sicher und konservatorisch einwandfrei gelagert. Die in der Ausstellung präsentierten Dokumente geben einen Überblick über Inhalt und Umfang des Archivs. Gemäss Abmachung mit den Nachkommen durften sie für diese Ausstellung allerdings nicht in aller Tiefe erforscht worden.

Gläubig, charismatisch, willensstark

Ein imposanter Turm mit den Originalkisten lässt erahnen, wie riesig das Privatarchiv der Kaiserin ist. Ein grosser Bildschirm zeigt den Besuchern in Dauerschleife Photos aus fünf Familienalben, die die Kaiserin in ihren ersten Jahren als junge Frau und Mutter angelegt hatte. In den drei Vitrinen liegt eine Auswahl von Dokumenten und Briefen, welche einen Einblick in das Leben der Kaiserin erlauben. Sie wird als politischer Mensch mit ambitionierten Zielen und auch als besorgte Gattin und Mutter sichtbar. Ein paar Objekte aus dem Archiv belegen auch ihre tiefe Religiosität. Jedes Dokument wird kurz mit dem historischen Hintergrund verknüpft und sorgfältig interpretiert.

Eine Spur mit ausgewählten Aufenthaltsorten der Kaiserin führt in den Kreuzgang des Klosters vor die Loretokapelle. Dort haben die Herzen des Kaiserpaares, Karl und Zita, in einer Steinstele ihre letzte Ruhestätte gefunden. Zwei Hörstationen lassen Menschen zu Wort kommen, welche Kaiserin Zita noch persönlich getroffen und gekannt haben. Sie bestätigen das Bild einer charismatischen, willensstarken Frau, deren unverrückbarer Glaube an Gott, die Wirksamkeit des Gebets und das Vertrauen in die göttliche Fügung sie alle Schicksalsschläge ihres Lebens meistern liessen. Daher wohl auch der absolut passende Titel der Ausstellung: «Für Gott, Kaiser und Kinder».

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