12.05.2022

Interview mit Martin Conrad zum Thema Willkommenskultur und Empfangsdienst
Willkommen an der Kirchentür

Von Eva Meienberg/kath.ch

  • Die Zertifikatskontrolle bei Gottesdiensten ist aufgehoben.
  • Liturgieexperte Martin Conrad plädiert dafür, die Menschen weiterhin am Kircheneingang zu begrüssen, nach amerikanischem Vorbild.

Herr Conrad, Sie sprechen von einer «neuen Willkommenskultur dank Corona». Was meinen Sie damit?
Martin Conrad: Während der Zeit der Coronamassnahmen ist an der Kirchenpforte eine Person gestanden für die Zutrittskontrolle. Mir war wichtig, dass diese Person die Leute nicht nur kontrolliert, sondern auch begrüsst, ein persönliches Wort wechselt und einen schönen Sonntag wünscht.

Wie haben die Kirchgänger auf diese Art von Türstehern reagiert?
Bei uns in Peter und Paul in Zürich haben im Laufe der Zeit die meisten die Begrüssung sehr geschätzt. Dieser eine Moment, in dem sie persönlich angesprochen worden sind, hat ihnen gefallen. Natürlich hat es auch schwierige Momente gegeben mit Menschen, die mit der Zertifikatspflicht nicht einverstanden waren. Einige «Türwächter» haben darum auch ihren Dienst quittiert.

Die Zertifikatspflicht ist aufgehoben. Bedeutet das auch das Ende des Begrüs​sungsdienstes?
Ich plädiere dafür, dass wir ihn in anderer Form beibehalten. Etwa so, wie der Dienst der Greeter in den USA.

Was machen die Greeter in den USA?
Sie begrüssen die Ankommenden. Das tönt einfach, muss aber geübt werden. Nicht alle Menschen wollen auf die gleiche Weise begrüsst werden. Die einen wollen direkt angesprochen und mit einem festen Handschlag begrüsst werden. Andere brauchen Zeit, um anzukommen. Ihnen genügen ein freundlicher Blick und ein Kopfnicken, um sich willkommen zu fühlen.

Martin Conrad ist Pastoralassistent in der Pfarrei St. Peter und Paul in Zürich. | Foto: Clemens Conrad
Wer ist überhaupt geeignet für so einen Begrüssungsdienst?
Während der Coronamassnahmen waren das meist Freiwillige, aus der Pfarrei beauftragte Personen. Es müssen offene und freundliche Menschen sein, die Freude daran haben, anderen behilflich zu sein. Gleichzeitig müssen sie auch diskret sein, um andere nicht mit ihrer Freundlichkeit zu überfordern.

Was könnten die Greeter sonst noch machen, ausser zu grüssen?
Sie könnten Türen öffnen – nicht nur symbolisch. In unserer Kirche, in St. Peter und Paul in Zürich, haben wir einen elektrischen Türöffner, weil die Tür so schwer ist. Wie schön wäre es, wenn das keine Maschine, sondern ein Mensch machen würde. Sie können den Eintretenden ein Gesangbuch überreichen oder ein Liedblatt. Das Liturgische Institut, bei dem ich bis Ende Jahr beschäftigt war, hat kürzlich ein Faltblatt mit dem Ablauf der Messe herausgegeben. Das kann man Leuten in die Hand geben, die neu sind.

Haben Sie noch mehr Ideen?
In einem Dom in Deutschland habe ich gesehen, dass den Eintretenden eine Schale mit Weihwasser gereicht wurde. Die Greeter können bei der Platzwahl helfen, junge Familien auf eine Spielecke hinweisen, bei der Kollekte mitwirken, nach dem Gottesdienst Rückmeldungen entgegennehmen und den Weg zum Kirchenkaffee weisen.

Was beinhaltet diese Willkommenskultur ausser dem Empfangsdienst?
Es geht um grundsätzliche Überlegungen zur Gastfreundschaft in Gottesdiensten: Wie wollen wir den Menschen begegnen? Wie begegnen wir Menschen, die wir nicht kennen? Dazu gehört auch die Frage, wie wir Ihnen begegnen, wenn sie unsere gewohnten Kreise stören, wenn etwa die Kinder quengeln.

Was kann ich selber dazu beitragen, dass sich andere Menschen in der Kirche willkommen und angenommen fühlen?
Ich habe mich in der Kirche auch schon fremd gefühlt. In dem Moment aber, als mir meine Banknachbarin den Friedensgruss gegeben hat und mir freundlich in die Augen geschaut hat, bin ich angekommen. Solche Zeichen brauchen wir, sie sind gar nicht so schwer. Und die Verantwortung dafür dürfen wir nicht an die Hauptamtlichen, den Pfarrer, die Gemeindeleiterin abgeben: Wir sind alle verantwortlich. Es wäre schön, wenn sich dieses Gefühl schon beim Betreten der Kirche einstellen würde. Da wiederum liegt der Ball bei den Hauptamtlichen, zusammen mit Freiwilligen an einem Empfangsdienst zu arbeiten.

Warum sind Sie gerade in der Frage der Willkommenskultur so engagiert?
Ich bin der Überzeugung, dass die Offenheit gegenüber den Anderen und damit auch die Frage, wie wir ihnen begegnen, kein Luxusthema der Kirche sein darf, sondern zu ihrer DNA gehört. Gerade in der Eucharistie sind wir alle Gäste am Tisch des Wortes und am Tisch des Leibes Christi. Und wir hören in den biblischen Lesungen immer wieder, dass uns Gott und Christus im Gast und im Anderen begegnen will.

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