22.05.2013

Wo Kinder sind, ist Gott schon da

Von Horizonte Aargau

Nicht selten herrscht Ratlosigkeit, wenn Glaubensfragen am jungen Familientisch zur Sprache kommen. «Mir genügt der Wald- und Wiesengott, ich muss nicht in die Kirche», findet der Vater. Die Mutter hingegen möchte das Kind taufen lassen, um es vom Segen eines grösseren Ganzen getragen zu wissen. Und das sind erst die ersten Beteiligten.

Dann sind da die Grosseltern, die den Nachwuchs ebenfalls betreuen und mit religiösen Ritualen vertraut machen wollen. Zur Entspannung der Lage raten Freunde schliesslich, das Kind später selber entscheiden zu lassen. «Dadurch wird dem Kind der Glaube vorenthalten. Denn ein Kind kann sich nicht für etwas entscheiden, das es nicht kennt», sagt Caroline Küng-Schweizer. Sie ist vierfache Mutter, Religionspädagogin RPI und leitet zusammen mit ihrem Mann Christoph die Fricktaler Pfarrei Wittnau. Unverständlich sind solche Entscheide für die 48-Jährige trotzdem nicht. «Es gibt so viele Vorurteile zu dem, was Kirche ist. Das Negative hat nach wie vor Nahrung.»

Die göttliche Schnecke
Für Caroline Küng ist das Religiöse Nahrung fürs Leben. «Ich gehe es nicht einen Tag lang inhalieren und lasse es danach beiseite», beschreibt sie ihre Einstellung. So durchwob sie mit ihrem Mann in der religiösen Erziehung der eigenen Kinder den Alltag mit Ritualen; mit einem Lied vor dem Essen, einem Zeichen vor dem Schlafengehen oder beim Staunen über eine prächtige Blume und die schöne Schnecke am Wegrand. «Trotzdem gingen auch unsere Kinder ab einem bestimmten Alter nicht mehr in die Kirche», erzählt Caroline Küng, erfährt aber heute wieder deren gesunde Offenheit in Bezug aufs Religiöse.

Der Selbsttest
Wie Caroline Küng wuchs auch Jutta Bossard in einer Familie auf, wo hauptsächlich die Mutter die Beziehung zum Religiösen lebte, der Vater das Geschehen «kritisch im positiven Sinn» mitverfolgte. Mittlerweile ist die 58-Jährige seit 25 Jahren reformierte Katechetin, zudem bei der Reformierten Landeskirche Aargau zuständig für die Projektstelle Pädagogisch Handeln (PH)1 und Kinder in der Kirche (KiK). Selber Mutter von zwei Töchtern, erlebte sie als Grossmutter das religiöse Erziehen nochmals von einer neuen Seite. «Meine Enkel waren getauft, irgendwann wäre der Religionsunterricht gefolgt. Aber was lag dazwischen?», fragte sie sich damals und besuchte eine Feier für Kleinkinder – «ein gelungener Selbsttest mit meinem Enkel» – wie sie sich lachend erinnert. In der Folge besuchte sie entsprechende Weiterbildungen, gestaltet seit 16 Jahren Kleinkinder-Gottesdienste und erfährt, wie durchaus empfänglich selbst kirchenferne Eltern für das Religiöse sind.

Das gemeinsame Wagnis
Damit das Religiöse nicht nur in schweren Zeiten, sondern ganz selbstverständlich Beachtung erfährt, geben Caroline Küng wie Jutta Bossard den Eltern jeweils eine Handreichung mit: Ein Liedblatt zum Beispiel, damit auch Zuhause singend gebetet werden kann. Oder ein Spruch, mit dem Eltern ihr Kind segnen können. «Kinder in den Tag schicken mit einem Segen bedeutet echte Zuwendung und Vertrauen», betont Caroline Küng. «Das ist etwas für mich wie für dich. Eine Kraft, aus der wir gemeinsam schöpfen.» Die beiden Fachfrauen verstehen aber auch, wenn Eltern Berührungsängste mit dem Religiösen haben; sich genieren, weil sie etwas falsch machen könnten. «Als Eltern darf ich meinen Kindern sagen, dass ich nicht alles weiss. Selbst der Glaube weiss nicht auf alles eine Antwort», ermutigt Jutta Bossard. «Die Sehnsucht nach dem Göttlichen ist grundgelegt in uns allen. Das Kind ist für Eltern eine Chance, sich wieder auf den Glaubensweg zu machen», rundet Caroline Küng ab und legt passend dazu ein Buch von Albert Biesinger auf den Tisch, in dessen Vorwort steht: «Wo Kinder sind, ist Gott schon da.»

Carmen Frei

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.