01.02.2024

Weiterbildung für katechetisch Tätige und weitere Interessierte
Wo Leben und Tod sich begegnen

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Der Friedhof ist kein trister Ort, sondern ein wertvoller Lern- und Lebensraum.
  • Eine Weiterbildung für katechetisch Tätige am 23. Februar 2024 ermuntert zu einem Friedhofsbesuch mit Kindern und Jugendlichen.
  • Eine Führung auf dem Friedhof Liebenfels in Baden zeigt, wie viel Leben in dem Ort steckt, wo die Toten ruhen.

Freitagmorgen, die Sonne glitzert auf den frisch verschneiten Ästen. Das Tor aus Beton überragt die Bäume, es markiert den Zugang zum Friedhof und weist hinauf in den Himmel, verweist auf jene andere, unsichtbare Welt. Wer zum ersten Mal hier ist, hält beeindruckt inne, bevor er oder sie hindurchschreitet.

Christiane Burgert von der Fachstelle Katechese–Medien (links) leitet die Weiterbildung mit zwei Kolleginnen und den Friedhofsgärtnern. Einer davon ist Robert Suter (rechts). | Foto: Roger Wehrli

Hier, auf dem Friedhof Liebenfels in Baden, wird die Weiterbildung «Wie ist das mit dem Tod? Was Kinder bei einem Friedhofsbesuch lernen können» (siehe Box) stattfinden. Christiane Burgert von der Fachstelle Katechese-Medien leitet den Nachmittag zusammen mit zwei Berufskolleginnen und dem «Friedhofsgärtner», der deswegen in Anführungszeichen steht, weil er viel mehr macht als Gartenarbeit. Robert Suter ist beim Werkhof der Stadt Baden angestellt. Er arbeitet im Wechsel mit seinen Kollegen eine Woche im Krematorium, dann zwei Wochen draussen auf dem Friedhof.

Fuchs, du hast die Kerze gestohlen

Kinder könnten auf dem Friedhof eine Menge lernen, sagt Christiane Burgert. Und zwar nicht nur theoretisch, sondern lebensnah und praktisch. Zum Beispiel erfahren die Kinder, dass es ein Beruf ist, den Friedhof zu pflegen, die Gräber vorzubereiten und die Bestattung zu begleiten.

Die Kinder erleben, dass der Friedhof kein «gfürchiger» Ort ist, sondern ein stiller und schöner Ort, wo sich viel Leben versteckt.  Hier hat die Natur Spielraum auf Ökoflächen und Magerwiesen. Blindschleichen, Eichhörnchen, Marder oder Dachse wohnen auf dem Friedhof. Suter erzählt: «Nachdem auf einem Familiengrab mehrmals die Kerze aus einer Laterne verschwunden war, vermutete die Familie nächtliche Vandalen als Täter. Die privat aufgestellte Wildkamera zeigte dann aber, dass nachts ein Fuchs die Laterne geschickt öffnete und sich mit der Kerze in der Schnauze davonmachte.»

Emotionen und Fakten

Christiane Burgert war schon mit Schulklassen auf dem Friedhof und hat gemerkt, dass sie sich oft für Fakten interessieren. «Wie viel PS hat dein Auto?», fragte ein Kind den Bestatter, der zufällig vorgefahren war. Auch die Namen und Jahreszahlen auf den Gräbern geben zu Gesprächen Anlass: Wie alt wurde eine Person? Wie lange ist sie schon tot? Wer war miteinander verwandt? Richtig geleitet, wird ein Friedhofsrundgang für Kinder zu einer guten Mischung aus emotionalem und religiösem Erleben, Wissensvermittlung und Naturerlebnis.

Auf dem Friedhof Liebenfels sind Angehörige verschiedener Religion beerdigt. | Foto: Roger Wehrli

Ein Ort für die Lebenden

Während seiner Arbeit allein auf dem Friedhof zu sein, beschert Suter immer wieder schöne Momente. Zum Beispiel dann, wenn es an einem Wintermorgen zuerst noch dunkel ist, dann die Sonne leuchtend aufgeht und ihre Strahlen sich in den Fenstern der Abdankungshalle spiegeln. Suter ist überzeugt: «Der Friedhof ist nicht für die Toten, er ist für die Lebenden. Ein Ort des Erinnerns, ein Ort des Lebens.» Für die Trauerverarbeitung hilft es, einen Ort zu haben, an dem man die Toten besuchen kann. So gibt es einen Ort für die Trauer und das Totengedenken, der örtlich getrennt ist vom täglichen Leben, das ja weitergeht.

Jetzt anmelden für die Weiterbildung am 23. Februar


Weiterbildung «Was Kinder bei einem Friedhofsbesuch lernen können» am Fr, 23. Februar 2024, 13.30 bis 17.30 Uhr. Mit Führung über den Badener Friedhof Liebenfels und Impulsen zur didaktischen Umsetzung in Religionsunterricht und Katechese. Anmeldung bis 16. Februar unter aareka.ch/weiterbildungskurse/

Feuer oder Erde

Christiane Burgert sagt: «Mit jüngeren Kindern, Erst- oder Zweitklässlern, kann man auf den Dorffriedhof gehen. Doch mit Jugendlichen, zum Beispiel mit Firmanden, sind grössere Friedhöfe wie jener in Baden interessant.» Auf dem Friedhof Liebenfels etwa sind alle Religionen vertreten. Die verschiedenen Bestattungsarten und -rituale sind etwas, das bei älteren Kindern auf Interesse stosse, weiss Christiane Burgert.

Eingepackt in seine warme Arbeitsjacke deutet Robert Suter auf eine Handvoll Grabsteine auf einem ansonsten leeren Schneefeld: «Das ist das muslimische Grabfeld, wo Badener Muslime nach Mekka ausgerichtet beerdigt werden können.» Für Muslime ist die Erdbestattung ein Muss. Konservative oder orthodoxe Christen wünschten meist ebenfalls eine Erdbestattung. Für Hindus und Buddhisten hingegen ist die Feuerbestattung zentral. Bei einer hinduistischen Beerdigung wird die verstorbene Person erst nach einem mehrstündigen Ritual in der Abdankungshalle ins Krematorium überführt, das Teil der Friedhofanlage ist. «Es ist eindrücklich, die anderen religiösen Kulturen zu erleben», findet Robert Suter.

Wer glaubt, ist zufriedener

Die Angestellten des Werkhofs haben täglich Kontakt mit trauernden Angehörigen. Offenheit und Toleranz seien die wichtigsten Eigenschaften bei diesen Begegnungen, sagt Suter. Er und seine Kollegen gehen soweit möglich auf individuelle Wünsche ein: «Wir sind relativ offen und machen möglich, was wir können», erklärt Suter. Er geht unverkrampft mit den Themen Sterben, Tod und Glauben um. Als gläubiger Katholik, der sich auch in der Badener Kirchenpflege engagiert, hat er die Erfahrung gemacht, dass der Glaube und die religiösen Rituale helfen, Zufriedenheit zu finden: «Solange der Mensch und sein Wohlergehen bei einer Religion im Mittelpunkt stehen, habe ich gegen diese Religion nichts einzuwenden.» Das Unverkrampfte ist Christiane Burgert wichtig: «Wenn die Erwachsenen entspannt mit dem Thema Tod umgehen, werden das die Kinder auch tun.»

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