22.12.2022

Reportage aus dem Caritas Baby Hospital in Bethlehem
Zerbrechlich, aber stark genug fürs Leben

Von Andrea Krogmann, mca

  • Im Ort, wo Jesus geboren wurde, steht seit mehr als 60 Jahren ein Kinderspital, gegründet von den beiden Schweizern Hedwig Vetter und Pater Ernst Schnydrig sowie dem palästinensischen Arzt Dr. Antoine Dabdoub. 
  • Das Caritas Baby Hospital in Bethlehem behandelt jährlich zehntausende Kinder und Babys, unabhängig von ihrer Religion und Herkunft.
  • Finanziert und betrieben wird das Spital vom Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern. 

Der kleine Yousef Sweiti quasselt fröhlich vor sich hin. Behutsam küsst seine Schwester den Einjährigen. Hände und Beine des strahlenden Kleinkinds stecken in Verbänden, im Gesicht verschorfen zahlreiche Wunden: Yousef ist ein «Schmetterlingskind», seine Haut ist so zerbrechlich wie die Flügel eines Schmetterlings.  

Schock bei der Geburt

Bei Yousef wurde die Krankheit schon bei seiner Geburt sichtbar. Die Haut des Jungen war an vielen Körperstellen nicht richtig ausgebildet. «Ich habe das Baby nicht sofort gesehen», erinnert sich Mutter Amani. «Aber mein Mann brach beim Anblick des Kleinen zusammen», erzählt die 34-Jährige, «Man sagte ihm, das Kind wird nicht lange überleben.» Doch der Vater des Kindes, Abdelrahman, weiss von der guten Versorgung in Bethlehem und besteht auf einer Einweisung ins Kinderspital. Dort stabilisiert sich der Zustand von Yousef und die standardisierte Behandlung der genetisch bedingten Krankheit kann beginnen. Amani wird derweil von einer Sozialarbeiterin des Spitals betreut, um sich mental auf die Begegnung mit ihrem Kind vorzubereiten. «Es ist wichtig, den Familien zu zeigen, dass sie nicht allein sind», betont die Sozialarbeiterin Hiba Sa’di. «Es ist nicht einfach für eine Mutter, ein schwer krankes und entstelltes Baby zu akzeptieren.» Der Schock, der ihrem Mann bei der Geburt des Kindes widerfuhr, bleibt Amani deshalb erspart. 

Kinderhilfe Bethlehem

Der Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern finanziert und betreibt das Caritas Baby Hospital in Bethlehem im Westjordanland. Zehntausende Kinder und Babys werden dort jährlich stationär oder ambulant betreut. Alle Kinder erhalten Hilfe, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion. Das Behandlungskonzept bindet die Eltern eng in den Heilungsprozess ihrer Kinder mit ein und das Spital verfügt über einen gut ausgebauten Sozialdienst. Mit 250 lokalen Angestellten ist das Caritas Baby Hospital ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. Das Spital stärkt das palästinensische Gesundheitswesen und ist darüber hinaus führend bei der Ausbildung von Ärzten und Pflegenden in der Kindermedizin. Nur dank Spenden kann das Caritas Baby Hospital seine Aufgaben erfüllen und Kinderleben retten. www.kinderhilfe-bethlehem.ch 

Spenden: IBAN CH17 0900 0000 6002 0004 7  

Spezialisierte Betreuung nur in Bethlehem möglich

Das Kinderspital Bethlehem ist das einzige Spital in Palästina, das die Schmetterlingskrankheit effektiv behandelt. Die Krankheit kommt in den Orten um Bethlehem nicht selten vor. Aber die Aufklärungsarbeit des Kinderspitals über genetische Risiken der weitverbreiteten Verwandtenehen zahlt sich langsam aus. «In den letzten fünf Jahren haben immer mehr Paare in eine Genkartierung vor der Heirat eingewilligt», erklärt Hiba Sa’di. Die Krankheit beeinflusst das Leben der Betroffenen stark. «Das A und O der Behandlung ist eine sachgerechte Pflege der Haut und Wunden, um Entzündungen zu verhindern. Wir unterrichten die Mütter», so Sa’di, «damit können wir die Spitalaufenthalte der Kinder reduzieren.» Für die Mütter und Väter dieser Kinder ist zudem der Austausch mit anderen betroffenen Familien wichtig. Hier hilft der Sozialdienst des Kinderspitals: «Wir kennen die Familien und bringen sie miteinander in Kontakt», erzählt die erfahrene Sozialarbeiterin. 

Eine Familie hilft der anderen

Hiba Sa’di, Sozialarbeiterin des Kinderspitals, besucht betroffene Familien auch fernab von Bethlehem. | Foto: Andrea Krogmann
Im Fall des kleinen Yousef erweist sich diese Hilfe als ein Glücksfall. «Uns wurde gesagt, dass es in unserer Nähe weitere betroffene Familien gibt», erinnern sich Yousefs Eltern. Damit meinten sie Mariam und Samer Darrabi’. Zwei ihrer Söhne, darunter Joud, sind Schmetterlingskinder. Mariam erinnert sich noch gut an die eigene Situation. Auch damals gaben die Ärzte im örtlichen Krankenhaus dem Neugeborenen keine Chance. Doch die Familie insistierte und brachte Joud nach Bethlehem. Die Hilfsbereitschaft endete nicht beim Erfahrungsaustausch. «Mariam bot uns an, sich so lange um Yousef zu kümmern, bis wir uns das selber zutrauten», sagt Abdelrahman Sweiti. Mehrere Tage lang treffen sich die Familien täglich, um bei der Versorgung des Schmetterlingsjungen zu helfen. «Ich habe ihnen alles beigebracht», sagt Mariam, «jetzt stehen die Sweitis auf eigenen Füssen!»  

Sozialarbeiterin vermittelt Kontakte

Als «Vermittlerin» zwischen den Familien ist der Sozialdienst des Kinderspitals regelmässig in Kontakt mit den Familien. Diese erhalten vom Spital auch kostenloses Verbandsmaterial und Medikamente. In Anbetracht der geringen Löhne und Inflation ist diese Hilfe essenziell. Auch wenn die Schmetterlingskrankheit nicht geheilt werden kann: Die Betreuung des Kinderspitals ermöglicht den Kindern, ins Leben zu fliegen. 

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