08.02.2023

Der Synodale Prozess geht mit der Prager Synode in die kontinentale Phase
«Hello Prague, this is Wislikofen calling»

Von Eva Meienberg

  • Die Online-Delegierten nehmen in der Propstei Wislikofen an der Synode in Prag teil.
  • Über religiöse und sprachliche Barrieren hinweg leben die Teilnehmenden Synodalität.
  • Am Dienstagabend haben Tatjana Disteli und Helena Jeppesen den Schweizer Beitrag vorgetragen.

Dienstag ist Tag drei der Kontinentalen Synode in Prag. Seit vergangenem Freitag befindet sich die Dreierdelegation aus der Schweiz, bestehend aus Bischof Felix Gmür, Tatjana Disteli, Generalsekretärin der Landeskirche Aargau und Helena Jeppesen von Fastenaktion, in Prag.

Die Online-Delegierten aus der Schweiz nehmen gemeinsam aus der Propstei in Wislikofen an der Kontinentalsynode teil. | Foto: Roger Wehrli

«Tagsüber führen wir viele interessante Gespräche mit Menschen aus aller Herren Länder», schreibt Tatjana Disteli in ihrem Prager Tagebuch, das sie auf Horizonte laufend publiziert. Zum Auftaktgottesdienst am Sonntag sei die Kirche «brechend voll» gewesen», berichtete sie aus der Hauptstadt in Tschechien. «Presse überall.»

In der Propstei Wislikofen geht es ruhiger zu und her. Zehn Schweizer Online-Delegierte haben sich hier im Bildungshaus zusammengefunden. Das physische Treffen ist aussergewöhnlich. Die meisten der insgesamt 390 Online-Delegierten sitzen, versprengt im ganzen Land, allein hinter ihren Computern.

Die Wislikofer Online-Delegation besteht aus der RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger, Mentari Baumann, Geschäftsleiterin der Reformgruppe «Allianz Gleichwürdig Katholisch», Claire Jonard, der Koordinatorin des Zentrums für Berufspastoral in der Westschweiz, der Tessiner Theologin Valentina Anzini, Marie-Antoinette Lorwich, Westschweizer Theologin, Marjan Marku, Priester im St. Galler Domkapitel, Schwester Luiza Milani, in der Thurgauer Migrationspastoral tätig,  Simon Spengler, Sprecher der Zürcher Kantonalkirche, Felix Terrier, Priester des Bistums Basel und Malika Schaeffer verantwortlich für den Webauftritt und die sozialen Medien der Kantonalkirche in der Waadt.

Die Wislikofer Gruppe mag es direkter und lebt dabei gleich Synodalität. Der Begriff bedeutet: Gemeinsam auf dem Weg sein. Das sei «nicht einfach», hört man auch in der Sitzung der Wislikofer Gruppe immer wieder. Auch hier sind sich nicht alle einig. Nicht zur Ordination der Frauen, nicht zur Ehe für alle, nicht zum Bild der Kirche.

In der Pause lausche ich im Gang einem Zwiegespräch zum Thema Ehe für alle. Es wird hart geführt. Aber nach dem Kaffee kehren auch die Kontrahenten gemeinsam an die Sitzung zurück. Neben den Meinungsverschiedenheiten gibt es auch Sprachbarrieren. Zum Glück helfen versierte Übersetzerinnen und Übersetzer, dies zu überwinden. Gelebte Synodalität ist kein Spaziergang.

Gelebte Synodalität

Um neun Uhr sind die deutschsprachigen Delegierten im Benediktsaal bereit. Die französisch sprechenden Delegierten ziehen sich in ein anderes Zimmer zurück. Nun folgen online die Beiträge der verschiedenen Länder. 200 Delegierte aus ganz Europa sind in Prag. Jede Delegation hat sechs Minuten Redezeit.

Fast vollständig. Bis auf Schwester Luiza Milani sind alle Online-Delegierten der Synode versammelt |Foto: Eva Meienberg

Gut zuhören, kritisch reflektieren

Im Benediktsaal herrscht gespannte Aufmerksamkeit. Auf einer Grossleinwand sind die Referentinnen und Referenten zu sehen. Die Wisklikofer Gruppe hört aufmerksam zu. Ab und zu schmunzelt jemand über das Ringen der Übersetzerinnen und Übersetzer um die richtigen Worte. Dann und wann vernimmt man ein angespanntes Schnauben im Saal. Wer verstehen will, muss sehr gut zuhören. Auch wenn die längst widerlegt geglaubten Argumente ermüden.

Die grossen Fenster im Sitzungsraum geben die Sicht frei auf die weiten Felder hinter dem ehemaligen Benediktinerkloster. Anders als im quirligen Konferenzhotel in Prag kann die Wislikofer Gruppe die gehörten Beiträge aus aller Welt in Ruhe reflektieren. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb die Urteile hier in der idyllischen und komfortablen Umgebung des Klosters oft kritischer ausfallen als bei den Schweizer Delegierten in Prag.

Ist das Kirchensprache?

Die Sprache vieler Referierenden ist voller Metaphern. Manchmal sind sie treffend, manchmal verwirrend. Oft nicht greifbar. Ist das die Kirchensprache, die so viele von der Basis nicht mehr verstehen, wie in den Voten der Delegierten moniert wird?

Die Positionen der verschiedenen Länder sind allerdings auch sehr verschieden. Da ist der laute Ruf nach Ökumene aus Lettland, der Apell aus Luxemburg, das schallende Schweigen derjenigen, die nichts sagen, ebenso wahrzunehmen. Die Monegassen sind besorgt, ihre Jungen nicht mehr zu erreichen. In Moldawien will man sich erst mal die synodale Methode aneignen und richtet einen klaren Fokus auf Migrantinnen und Migranten.

In der ukrainischen Eparchie Mukatschewe kommen Vorbehalte gegen die Bedürfnisse einzelner Anspruchsgruppen zum Vorschein. LGBTQI sei ein politisches Thema und kein Problem der Kirche. Im Votum der Nordischen Länder wünscht man sich die Beteiligung der Frauen und dass die Kirche im Einklang stehe mit der modernen Welt.

Verunsicherung über das Abschlusspapier

Beim Mittagessen in Wislikofen gibt das zweite Abschlusspapier viel zu reden. Erst am Morgen haben die Delegierten erfahren, dass ein solches Dokument nach Rom geschickt werden müsse. Die Bischöfe hätten dieses allein zu verfassen. Das ist nicht synodal, sind sich viele in der Gruppe einig.

Nach dem Essen folgt der Austausch mit den Delegierten in Prag. Das zweite Abschlussdokument gibt auch in Prag zu reden. Bischof Felix Gmür will sich dafür einsetzen, dass es nur ein gemeinsames Abschlussdokument geben solle. Allenfalls könne es ein Begleitdokument der Bischöfe geben. Etwas anderes ergebe schlicht keinen Sinn, findet der Bischof.

Prag – Wislikofen

Die Kommunikation zwischen Wislikofen und Prag geht durch das Mikrophon eins Laptops. Wer reden will muss sich vor den Computer stellen und laut und deutlich sprechen. Jede Frage und  jede Antwort wird auf Deutsch und Französisch übersetzt.

Auch die Prager Gruppe weiss nichts Genaues über die Schlussredaktion des Abschlussdokuments. Helena Jeppesen motiviert die Wislikofer Gruppe, einen eigenen Text zu verfassen, der vom sechsköpfigen Redaktionsteam in den Abschlusstext eingearbeitet werde.

Extreme Spannungen und Paradigmenwechsel

Bischof Felix Gemür ergreift das Wort: «Spannungen, hier sind die extremen Spannungen das zentrale Thema». Solche Spannungen nehmen alle Delegierten in ihren Austauschgruppen wahr. Es gehe jetzt darum, respektvoll mit den zugrundeliegenden Differenzen umzugehen, sagt Tatjana Disteli.

Bemerkenswert findet die Generalsekretärin der Aargauer Landeskirche, dass alles besprochen werden könne. «Das erlebe ich zum ersten Mal auf diese Weise.» Alle Themen würden auf den Tisch gelegt: Gottesbild, Sündenverständnis, Moralvorstellungen. Letztlich gehe es um die Frage nach Rechtgläubigkeit. Und diese Frage werde in allen Ländern gestellt, in Ost und West. Was die Länder unterscheide, seien die Mehrheitsverhältnisse, sagt Tatjana Disteli. Was jedoch deutlich zu spüren sei, ist der Wunsch, gemeinsam auf dem Weg zu einer Kirche zu sein.

Theologisch sehen Bischof Felix Gmür und Tatjana Disteli einen Paradigmenwechsel. Viel häufiger würden die Texte aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil zitiert. Bischof Felix Gmür erinnert, dass es Länder gebe, welche diese Texte erst seit kurzer Zeit rezipieren, da sie vorher schlicht verboten gewesen seien. In Lettland etwa seien die Texte erst vor fünf Jahren ins Lettische übersetzt worden.

Vortrag der Schweizer Delegation

Die Spannung in Prag und Wislikofen steigt. Um 18 Uhr wird die Schweizer Delegation ihr Votum abgeben. Klar ist jetzt schon, vortragen werden die Frauen. Um 18 Uhr treten Tatjana Disteli und Helena Jeppesen, beide in Schwarz, vor das Publikum. «Die Zeit drängt: Wir sehen die Notwendigkeit einer echten Umkehr. Deshalb ist die jetzige synodale Erfahrung für viele ein wichtiges Hoffnungszeichen…», sagt Tatjana Disteli. Die Rednerinnen prangern den sexuellen und spirituellen Missbrauch an und verlangen die Anerkennung der Würde und Berufung aller Getauften, sprich die Gleichberechtigung in der katholischen Kirche.

Sie machen auf die schweizerischen Strukturen der Mitbestimmung aufmerksam. Sie könnten ein Vorbild für die Weltkirche sein. Helena Jeppesen und Tatjana Disteli fordern Inklusion für Frauen, queere Menschen, Arme, Flüchtende, Menschen anderer Herkunft, Kranke, Menschen mit Behinderung. Für die Synode im Herbst wünschen sie sich: Beratung der Rolle der Frau in der Kirche unter der Mitwirkung von Frauen – synodal eben.

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