15.03.2022

Pastoralraumpfarrer Thomas Zimmermann zum dualen System der Schweiz
«Konsens ist ein wichtiges Wort»

Von Christian Breitschmid

  • Frisst das duale System wirklich seine Kinder, wie Horizonte in seiner Ausgabe Nr. 9/10 getitelt hat?
  • Die Recherche geht weiter. Diesmal im Pfarrhaus von Sins, bei Pastoralraumpfarrer Thomas Zimmermann.
  • Er arbeitet als Priester Hand in Hand mit den staatskirchenrechtlichen Behörden.

«Das duale System ist ur-schweizerisch, es hat seine Berechtigung», antwortet Pfarrer Thomas Zimmermann auf die Frage, was er vom dualen System halte. Diese weltweite Sonderform einer Kirchenstruktur, die auf der strengen Teilung zwischen der ernennungsberechtigten kirchlichen Autorität (Bischof) und der staatskirchenrechtlichen Anstellungsbehörde (Landeskirche, Kirchgemeinde oder Kirchgemeindeverband) beruht, funktioniert problemlos, solange sich beide Seiten an die Spielregeln halten.

Grenzüberschreitungen

Im Pastoralraum Zurzach-Studenland war das, laut Aussagen von Pfarrer Stüdli, Felix Vögele, (Präsident des Pfarreienverbandes Zurzach-Studenland) und Tobias Fontein (Bistumsregionalverantwortlicher), nicht mehr der Fall. Fontein sagte dazu: «Es führt immer zu Konflikten, wenn in diesem System Grenzüberschreitungen passieren und Zuständigkeiten nicht eingehalten werden.» Von solchen Problemen kann Thomas Zimmermann in Sins nicht berichten. Er hat im Auftrag von Bischof Felix den Pastoralraum Oberes Freiamt mit seinen sechs dazugehörigen Kirchgemeinden aufgebaut und steht diesem nun als verantwortlicher Pfarrer vor.

Rückblickend sagt er: «Die Zusammenfügung der Pfarreien wurde von Seiten der Kirchenpflegen mit viel Pragmatismus geführt. Die geographische Kleinräumigkeit und das ähnliche kulturelle Umfeld unserer Gemeinden haben diese Zusammenfügung ebenfalls erleichtert. Zudem hatten sich die Pfarreien wegen des Priestermangels schon vor der Gründung des Pastoralraums arrangiert und arbeiteten zusammen.»

Anspruchsvolle Verzahnung

Die Bedingungen für eine konfliktfreie Zusammenarbeit vormals eigenständiger Pfarreien mit je eigenem Priester zu einem Verbund mit einem verantwortlichen Priester für mehrere Pfarreien mit je eigener Kirchenpflege, die würden immer komplexer, sagt Pfarrer Zimmermann: «Diese pastorale und staatskirchenrechtliche Verzahnung ist bereits in Bezug auf eine Pfarrei anspruchsvoll. Wie schnell kann es zu klimatischen Veränderungen kommen, wenn es in der Kirchenpflege oder im Pfarreiteam Neubesetzungen gibt. Wenn sich dieses Pfarreigebilde in einem Pastoralraum potenziert, dann stehen plötzlich mehrere Pfarreien mit unterschiedlichen Pfarreigeschichten und -kulturen und ihren Kirchenpflegen einer Pfarreileitung gegenüber.»

Priester, nicht Manager

Probleme entständen dann, meint Zimmermann, wenn auf der einen Seite des dualen Systems das Verständnis für die andere Seite fehle oder wenn Machtspiele eine zielführende Diskussion verhinderten. «Ich bin ein Freund von flachen Hierarchien. Wir haben hier in all den Jahren eine Kultur des Vertrauens geschaffen. Konsens ist ein wichtiges Wort.» Zum Pastoralteam gehören
nebst dem Pfarrer ein Kaplan, eine pastorale Mitarbeiterin, eine Sekretärin, ein Sakristan, sieben Katechetinnen und ein Leiter Administration und Organisation.

Letzterer ist es, der den Pfarrer von vielen Managementaufgaben entlastet und ihn für seine Kernaufgabe, die Seelsorge, frei macht. Diese Entlastung hat Zimmermann dem Vorstand des Zweckverbandes zu verdanken, der eingesehen hat, dass ein Pfarrer primär für die Menschen, für Seelsorge und Verkündigung zuständig ist und nicht für die Gewinnoptimierung einer Firma, der
zunehmend die Kunden davonlaufen.

Kirchenferne Kirchenpfleger

Wenn es einen Punkt gibt, den Thomas Zimmermann am dualen System beanstandet, dann ist es der, dass zunehmend Mitglieder von Kirchenpflegen im Grunde zu den sogenannt Kirchenfernen gehören. «Ich habe von Fällen gehört, wo Leute für die Kirchenpflege angefragt wurden, obwohl sie erwähnten, dass sie nichts von der Kirche verständen und auch nie hingingen. Das ist dann schwierig für einen Priester, wenn er solchen Kirchenpflegern erst erklären muss, warum er dies oder jenes braucht, um seine Aufgabe erfüllen zu können.»

Diesem und weiteren Problemfeldern des dualen Systems wird Horizonte in den nächsten Beiträgen zum selben Thema auf den Grund gehen. Dazu sollen noch ein Kirchenpflegemitglied und je ein Repräsentant des Bistums und der Landeskirche zu Wort kommen.


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