06.05.2021

Beeindruckende Ausstellung zum Thema Suizid
«Leben, was geht!» geht auf Reisen

Von Christian Breitschmid

  • Kantonsschullehrer Martin Steiner hat vor einem Jahr das Thema Suizid aus der Tabuzone geholt. Seine Ausstellung «Leben, was geht!» wurde zuerst in der Kantonsschule Wohlen gezeigt, dann im Wohler Chappelehof.
  • Aktuell gastiert die interaktiv-multimediale Ausstellung in Bremgarten und wandert anschliessend weiter durch den Aargau und andere Deutschschweizer Kantone.
  • In «Leben, was geht!» erzählen die Überlebenden. Das macht die Beschäftigung mit dem Thema Suizid zu einer sehr persönlichen Erfahrung.


Als Kantonsschullehrer Martin Steiner im März 2020 seine interaktiv-multimediale Ausstellung «Leben, was geht!» zum ersten Mal zeigte (den Bericht von Horizonte lesen Sie hier), konnte niemand ahnen, dass das Thema dieser Ausstellung ein Jahr später auf so drastische Weise an Aktualität gewinnen würde. Die Coronapandemie hat dafür gesorgt, dass bislang selbstverständliche Freiheiten plötzlich eingeschränkt wurden. Die noch unbekannten Auswirkungen, die eine Infektion mit Covid-19 auf eine erkrankte Person langfristig haben können, vergrössern die Unsicherheiten und Ängste, welche die Menschen weltweit quälen.

Zweimal mehr Suizidversuche

Die Angst um die eigene Gesundheit ist das eine. Hinzu kommt bei vielen Arbeitnehmern und Gewerbetreibenden nach über einem Jahr Coronamassnahmen die Angst vor schwerwiegenden Gewinneinbussen, dem Verlust der Arbeitsstelle, vor möglichem Konkurs. Dass angesichts eines drohenden oder tatsächlichen Ruins ein Mensch mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen, kann nicht erstaunen. Aufhorchen lassen jedoch die jüngsten Medienberichte, die im Coronajahr 2020 von mehr als doppelt so vielen Suizidversuchen bei Kindern und Jugendlichen berichteten als im Vorjahr.

Martin Steiner kennt als Vater und Pädagoge die Ängste und Nöte, die Kinder und Jugendliche plagen. Für ihn ist klar: «Die Coronakrise und die Pandemiemassnahmen haben schon bestehende Probleme noch akzentuiert.» Eine Beobachtung, die auch Bärbel Hess Bodenmüller, Religionslehrerin und Mitarbeiterin der schulinternen Beratungsstelle an der Alten Kantonsschule Aarau, bestätigt: «Ich sehe eine grosse Verunsicherung bei den Jugendlichen. Vieles ist unter den jetzigen Umständen nicht mehr so einfach planbar wie vorher. Wenn zum Leistungsdruck in der Schule auch noch familiäre Probleme hinzukommen, dann kann eine Zusatzbelastung wie die Coronakrise das Fass zum Überlaufen bringen.» Auch an der Alten Kanti Aarau hat sich im vergangenen Jahr eine Schülerin das Leben genommen. Ein weiterer Schüler hat es, zum Glück ohne Erfolg, versucht.

«Man muss aufmerksam sein»

Dramatisieren will Bärbel Hess die Lage nicht: «Man muss schon sehen, dass viele mit der Situation gut klarkommen. Aber man muss aufmerksam sein und die vorhandenen Hilfsangebote auch nutzen.» Sie selber hat sofort reagiert, als sie vom Projekt der Fachstelle Jugend und junge Erwachsene bei der Aargauer Landeskirche erfahren hat und liess eine sogenannte «Ent-Sorgungs-Stelle» in der Alten Kanti einrichten. Diese Installation gibt jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Ängste zu deponieren sowie Hoffnung und Zuversicht zu tanken.

Wie beim Gang durch die «Ent-Sorgungs-Stelle», sollten auch die Besucher der Ausstellung «Leben, was geht!» mit Smartphone und Kopfhörern bewaffnet sein. An den einzelnen Stationen der Ausstellung erzählen nämlich Hinterbliebene und Fachleute rund um den Themenkreis Suizid von ihren Erfahrungen. In einer intimen Wohnzimmeratmosphäre kann man so quasi in Kontakt treten mit Überlebenden und das eigene Empfinden für die vielen Zeichen um einen herum schärfen. Die professionell gemachte Website www.leben-was-geht.ch informiert die Besucher vor und nach der Ausstellung weiter.

Informationen zur Ausstellung

«Leben, was geht!» gastiert noch bis 20. Mai 2021 im Zeughaus, Schellenhausstr. 2, in Bremgarten.
Die Ausstellung ist geöffnet von Mittwoch bis Sonntag, jeweils von 15 – 19 Uhr.

Weitere Daten: 
Aug./Sept. 2021, Aarau, Stadtbibliothek
21. Okt. – 11. Nov. 2021, Zug, Shedhalle
Feb. 2022, Schwyz, MythenForum
Feb./März 2022, Sarnen, Burg Landenberg
Aug./Sept. 2022, Uri, Theater

Aktualisierte Daten siehe online.

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