12.08.2021

Denkanstösse zum Fest Mariä Himmelfahrt und zur Gottesmutter Maria
Ganz Frau, bis in alle Ewigkeit

Von Carole Imboden / Gunda Brüske

  • Am 15. August feiert die katholische Kirche das Hochfest Mariä Himmelfahrt.
  • Seit 1950 besteht das Dogma, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Maria ist damit ganzer Mensch, ganz Frau, bis in alle Ewigkeit.
  • Was taugt Maria als Vorbild für heutige Frauen?


«Denn heute hast du die jungfräuliche Gottesmutter in den Himmel erhoben, als Erste empfing sie von Christus die Herrlichkeit, die uns allen verheissen ist, und wurde zum Urbild der Kirche in ihrer ewigen Vollendung. Dem pilgernden Volk ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes. Denn ihr Leib, der den Urheber des Lebens geboren hat, sollte die Verwesung nicht schauen.»

Diese verdichtete Sprache in der Präfation des Eucharistischen Hochgebets gibt wieder, was katholische Christen am Fest Mariä Himmelfahrt feiern. Gunda Brüske vom Liturgischen Institut der deutschsprachigen Schweiz schreibt über das Fest: «Langes theologisches Meditieren über Maria und ihren Sohn und eine spirituelle Versenkung in ihre Biographie haben die Kirche in der Erkenntnis sicher gemacht: Maria ist wirklich mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel, denn sie ist ganz erlöst – vom Beginn ihres irdischen Lebens an bis zu ihrer Vollendung. Das Fest Maria Himmelfahrt widerspricht damit allen leibfeindlichen Tendenzen. Was an ihr geschehen ist, dürfen alle für sich erhoffen, die an Christus glauben.»

Streit um die Rolle von Maria

Maria spiegelt als Gottesgebärerin den Wert aller Frauen auf der Welt und in der Kirche. Darauf macht auch die Aktion «Maria 2.0» aufmerksam. | Foto: BR
Maria hat durch ihre unglaubliche Geschichte eine besondere Stellung in der Kirche und unter den Gläubigen. In der Theologie entbrannte auch mancher Streit um die Rolle von Maria. Und wie sieht es für uns Menschen heute aus? Spielt Maria überhaupt noch eine Rolle?

Gegenstimmen zogen den Schluss, dass Maria Mutter des Menschen Jesus war, aber nicht Mutter seiner göttlichen Natur. Im Konzil von Ephesus 431 n. Chr. wurde die Streitigkeit, welche wohl die ganze Bevölkerung bewegte, beendet und Maria wurde der Titel «Theotokos», zu Deutsch: Gottesgebärerin, zugesprochen. Was heisst dies für uns heutige Menschen? Vielleicht fällt es uns schwer, diesen Entscheid ganz nachzuvollziehen. Vielleicht ist es auch für uns möglich, dass die Gegenstimmen auch in Betracht gezogen werden könnten? 

Selbst Gottesgebärerin werden

Maria als Theotokos kann uns aber zum Vorbild werden. Denn der Geist Gottes wirkt in jeder Zeit. Indem wir uns immer mehr auf unsere Göttlichkeit, die uns als Mensch geschenkt ist, besinnen und einkehren in unsere innere Ruhe, können wir selber zum Gebet werden. Wir können zum Segen für andere werden und so selbst zur Mutter-Gottes für die Welt von heute. Maria als Gottesgebärerin ist für uns ein Aufruf, selbst Gottesgebärerin zu werden. Ganz im Sinne von Angelus Silesius: «Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du bliebst noch ewiglich verloren.»

Maria ist Königin aller geistigen und materiellen Schöpfung. So wird sie jedenfalls in einigen Marienliedern besungen. Maria kommen die höchsten Attribute zu. Sie wird erhöht und scheint uns Menschen, vielleicht vor allem uns Frauen, unerreichbar. Trotzdem wird sie oft als Vorbild benutzt und als die Frau herausgehoben, der es nachzueifern gilt. Ist dieser Zugang zu Maria heute noch zu gebrauchen? Können sich junge Frauen mit Maria identifizieren? Will heute überhaupt jemand Maria als Vorbild sehen? 

Marias Weg gibt Inspiration und Zuversicht

Mit Maria als die vom «Fluch» aller Weiblichkeit Verschonten, wie sie viele Jahre in der Kirche aufgezeigt wurde, haben Frauen heute wohl nur sehr wenig zu tun. Und doch hat die Idee Generationen von Frauen und deren Männer geprägt, was wiederum bedeutet, dass die Auswirkungen davon wohl doch noch etwas mit den Frauen von heute zu tun haben. Vielleicht ist es an der Zeit, Maria und ihren Vorbildcharakter in die heutige Zeit zu übersetzen, wie dies bereits vor fast 40 Jahren von Papst Paul VI. in seinem apostolischen Schreiben «Marialis Cultus» gefordert wird: eine Mariologie zu entwickeln, die «biblisch begründet, ökumenisch verantwortet, liturgisch ausgerichtet und dem heutigen Menschenbild entsprechend» (vgl. Paul VI., Marialis Cultus) ist.

So stehen wir alle in der Verantwortung, Maria Ehre zu erweisen, aber auf eine moderne und aufgeschlossene Art und Weise. In einer Weise, in der Marias Mut betont wird, sich der grossen Aufgabe hinzugeben, Gottesmutter zu werden. Auf eine Weise, in der uns dieser Mut inspirieren kann, unsere Aufgaben anzugehen, auch wenn sie uns ängstigen. Inspiration schöpfen können wir aus Marias konsequentem Weg an der Seite ihres Sohnes, den sie bis in den Tod hinein begleitet hat. Und Zuversicht aus dem Umstand, dass Maria als Frau ihren eigenen Weg gefunden hat und dieser auf seine Weise enorm wichtig, wenn nicht sogar grundlegend für den Weg von Christus war. 


Katholisches Brauchtum: Kräutersegen zu Mariä Himmelfahrt

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