27.07.2020

Sommerserie Teil 3: «Etwas für die Umwelt tun!»

Von Christian Breitschmid

  • Im dritten Teil der Horizonte-Sommerserie «Kirche und Klima» geht es um einen Überblick über das bereits Erreichte im Zusammenhang mit dem kirchlichen Umweltmanagementsystem (UMS) «Grüner Güggel» und um die noch zu erreichenden Ziele.
  • Dazu traf sich Horizonte zum Gespräch mit Brigitta Bölsterli, Umweltbeauftragte und Vizepräsidentin der Kirchenpflege des Pastoralraums Region Lenzburg, und dem kirchlichen Umweltberater und Mitglied der Fachstelle oeku Kirche und Umwelt, Andreas Frei.
  • Fazit: die Bewahrung der Schöpfung ist eine Grundaufgabe für jeden Christenmenschen, und die Bemühungen des «Grünen Güggels» sind keinesfalls flügellahme Versuche, das Gewissen zu beruhigen, sondern Bestandteil eines weltweiten Umdenkens.

 

Frau Bölsterli, Sie haben für Ihren Pastoralraum und sein Umweltteam am 28. Juni das Zertifikat «Grüner Güggel» entgegennehmen dürfen – Horizonte hat darüber berichtet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Brigitta Bölsterli:
Mir persönlich eigentlich nicht so viel. Eine Auszeichnung ist ein Papier, das man weglegen oder vielleicht irgendwo aufhängen kann. Mir ist aber viel wichtiger, dass das Zertifikat «Grüner Güggel» ein Label ist, das man nach aussen tragen kann. Um diese Vermarktung nach aussen geht es. Ohne Label ist das viel schwieriger. Für uns intern ist es jetzt wichtig, dass wir den Prozess weiterführen und das, was wir hier angefangen haben, vervollständigen und immer etwas perfekter machen. Wir waren ja die ersten im Kanton Aargau, die den «Grünen Güggel» erhalten haben. Dieses Label will ich nun nach aussen tragen. Ich will auch alle reformierten Kirchgemeinden in unserem Pastoralraum kontaktieren und ihnen erklären, was wir hier gemacht haben. Ich hoffe, dass so noch andere auf den Geschmack kommen.
Andreas Frei: Das Label hat auch noch einen weiteren Effekt: Es garantiert die Kontinuität. Nach zwei Jahren gibt es ein Zwischenaudit und nach vier Jahren eine Rezertifizierung. So ist eine Kontrolle von aussen garantiert. Ohne das Label würde das niemand kontrollieren.

Herr Frei, mit dem Pastoralraum Lenzburg sind es schweizweit nunmehr 27 zertifizierte Kirchgemeinden oder Institutionen. Wie beurteilen Sie diese Zahl im Hinblick auf die Ziele, die sich der Verein oeku Kirche und Umwelt gesteckt hat?
Andreas Frei:
Es ist ein Anfang. Es ist nicht berauschend, aber es gibt Hunderte von Kirchgemeinden und Pastoralräumen in der Schweiz, und somit gibt es noch viel Luft nach oben. Wir sind ja ein ökumenischer Verein und adressieren immer beide Konfessionen. In unseren Augen sind diese 27 immer noch Pioniergemeinden, die erkannt haben, dass die Bewahrung der Schöpfung wichtig ist. Darum nehmen sie auch etwas Geld in die Hand und stellen Personal zur Verfügung. Aber ich habe schon das Gefühl, es werden noch mehr werden. Dabei kommt uns auch die gegenwärtige gesellschaftliche und klimatische Situation entgegen. Leider, muss man sagen. Aber auch der Papst, der mit seiner Umweltenzyklika ja als «grüner Papst» bezeichnet wurde. Das ist für uns natürlich hilfreich. Aber ja, wir wünschen uns mehr.

Gibt es denn Regionen, wo noch gar nichts läuft oder gibt es auch eigentliche Hot Spots?
Andreas Frei: Ja, eindeutig. Man sieht, wo es Menschen gibt in der Kirche, denen das ein wichtiges Anliegen ist und die das innerkirchlich fördern. In der Schweiz hat das im Kanton Thurgau angefangen – im katholischen Thurgau, und in zwei Gemeinden im Kanton Zürich. Das waren Meilen und Bülach. Die reformierte Kirchgemeinde Bülach war die erste umweltzertifizierte Gemeinde in der Schweiz überhaupt. Ansonsten liegen die Katholiken vorn. 22 der 27 zertifizierten Gemeinden sind katholisch, und generell kann ich sagen: im Thurgau, in Zürich, im Aargau und in Bern gibt es «Grüne-Güggel»-Gemeinden, sonst noch keine. Im Kanton St. Gallen fängt’s aber jetzt auch an.

Für die Zertifizierung hat Lenzburg einen 59-seitigen Umweltbericht vorgelegt. Wer je eine wissenschaftliche Analyse selber gemacht und verschriftlicht hat, weiss, wieviel Arbeit das bedeutet. Wie beurteilen Sie, Frau Bölsterli, Aufwand und Ertrag dieser Aufgabe?
Brigitta Bölsterli:
Ich würde sagen, das hebt sich ziemlich gut auf. Während des Prozesses ist man ja immer auf das fokussiert, was gerade am Laufen ist. Dabei füllt man zwar das grüne Datenkonto mit all den gesammelten Daten, aber ohne Umweltbericht wäre man nicht gezwungen, diese Daten  wirklich anzuschauen, zu analysieren und sich selber zu fragen: Wo stehen wir hier? Haben wir viel verbraucht? Es lohnt sich, diesen Aufwand zu betreiben. Auch, um eine Basis zu haben, wenn man im folgenden Jahr die neuen Daten vergleicht und sieht, wie und wo man sich verbessert hat. 

Die Umfrage von Horizonte bei den Kirchgemeinden im Kanton Aargau hat gezeigt, dass die meisten Pfarreien mehr für die Umwelt tun könnten. Herr Frei, wie motiviert man diese Gemeinden dazu, mehr zu tun?
Andreas Frei:
Ich versuche einerseits, ihnen klarzumachen, dass in einem zeitgenössischen Christentum oder Glauben die Bewahrung der Schöpfung ein eminent wichtiges Thema ist. Es geht um den Umgang mit unseren Ressourcen, um deren Erhalt, auch für die nachfolgenden Generationen. Und zweitens erkläre ich ihnen, dass man mit dem Grünen Güggel sogar Geld sparen kann. Natürlich auf lange Frist, denn zuerst muss man ja Geld investieren, um dieses Umweltmanagement einzurichten. Aber nachher kann man viele Energiekosten sparen – etwa in der Kirche, wenn weniger geheizt wird. Und schliesslich sage ich auch immer: Denkt an die Jugend. Ihr wollt doch als Kirche junge Menschen ansprechen. Wenn Ihr vorausgeht und die Bewahrung der Schöpfung als wichtiges Thema anschaut, wie es die Klimajugend eben auch tut, dann lassen sich hier gute Synergien schaffen. 

Im Kanton Bern zum Beispiel haben die reformierten Kirchgemeinden gratis Räume zur Verfügung gestellt als Treffpunkte für die Aktivisten der Klimajugend. Könnte das auch ein Ansatz sein?
Brigitta Bölsterli: Bei uns hat der Zentrumsbetreuer der JuBla die Jugendlichen mal zusammengerufen, um mit ihnen zusammen ihren Abfall zu sortieren. Er stellte ihnen eine Belohnung in Aussicht, wenn sie am Ende eine gewisse Menge «echten» Abfall zusammenbrächten. Sie hatten drei oder vier volle Abfallsäcke. Nach dem Sortieren blieb nur noch eine Handvoll Abfall übrig. Damit hat er bei den Jungen das Interesse geweckt. Einige von ihnen machen jetzt mit bei der Umgebungsarbeit für mehr Biodiversität. Sie bauen zum Beispiel Pfefferminze an, um daraus Sirup zu machen.

Gibt es noch mehr solche praktischen Tips, wenn eine Gemeinde damit beginnen möchte, mehr in Sachen Umweltschutz zu tun?
Andreas Frei: Da es sich beim «Grünen Güggel» um ein Umweltmanagementsystem handelt, betrachtet man immer das Ganze und fängt nicht einfach irgendwo mal mit etwas an. Es beginnt mit einer Ist-Analyse: Wie läuft es mit dem Papier? Wie mit dem Abfall? Mit der Energie? Dann macht man Begehungen der Liegenschaften. Dabei geht es nicht primär um Sanierungen oder Neubauten, sondern es geht um Betriebsoptimierung. Was kann man im laufenden Betrieb optimieren? Darin steckt Sparpotenzial. Das sind viele kleine Dinge, aber Kleinvieh macht auch Mist. Wichtig ist auch das Thema Heizungsersatz. Wir müssen wegkommen von fossilen Energieträgern, denn die sind es, die unser Klima aufheizen.
Brigitta Bölsterli: Und wichtig ist es auch, dass man diesbezüglich sensibilisiert ist und früh genug daran denkt. Nicht, dass man einfach wartet, bis die alte Heizung kaputt geht und dann unter Zeitnot einfach schnell wieder das einbaut, was man vorher schon hatte.
Andreas Frei: Das Schöne ist es ja, dass man beim Energiesparen derzeit sehr unterstützt wird. Das Bundesamt für Energie bietet Unterstützung. Auch Kantone und Gemeinden helfen – etwa mit Energieberatern, die sie gratis vorbeischicken, wenn man optimieren will.
Brigitta Bölsterli: Der Kanton Aargau ist da aber noch nicht so gut. Wir bekommen bei unserer Heizung jedenfalls keine Unterstützung. Zum Glück gibt es noch den Ökofonds der Landeskirche…

Frau Bölsterli, den Kirchen laufen die Mitglieder davon. Glauben Sie, durch Ihr Umweltengagement einige davon bei der Stange halten oder gar zurückgewinnen zu können?
Brigitta Bölsterli: Ich wäre froh, es wäre so. Ich hatte aber im Gegenteil ein, zwei Diskussionen deswegen. Einer fand: «Jetzt spinnt ihr also auch noch und steigt auf diesen Zug auf.» Ein anderer brachte Kirche und Umwelt nicht zusammen und war der Ansicht, Kirche sei doch Kirche, den Rest müssten doch andere machen. Ich glaube schon, dass es da noch Aufklärungsarbeit braucht, obwohl an unserer Kirchgemeindeversammlung sowohl der Antrag für den Grünen Güggel als auch der Antrag für die neue Heizung zu Null durchgekommen sind. Also die Sensibilisierung scheint da zu sein, aber ob das mehr Leute in die Kirche bringt, das kann ich nicht sagen.
Andreas Frei: Ich glaube, es gibt Mitglieder einer Kirchgemeinde, die vielleicht nicht zur Kerngruppe gehören, aber doch immer noch dabei sind und die sich Gedanken machen über die Umwelt. Die finden es dann positiv, dass ihre Kirchgemeinde auch etwas unternimmt. Das merkt man zwar nicht, aber diese bleiben dadurch noch etwas überzeugter Mitglieder der Kirche.

Die Menschen wollen Antworten und sie suchen nach echter Spiritualität. Sie aber predigen Sonnenenergie, Recyclingpapier und bessere Wärmedämmung. Wie erklären Sie den Suchenden, dass das Eine mit dem Anderen zusammenhängt?
Andreas Frei: Der «Grüne Güggel» ist zwar ein Umweltmanagementsystem und tönt wahnsinnig technisch, aber der «Grüne Güggel» ist sehr offen für spirituelle Prozesse in eine Pfarrei. Zum Beispiel in Schöftland hat Gemeindeleiter Beat Niederberger ganz klar gesagt, ihr Ziel sei es, dass sich das Denken der Leute verändere. Sie sollen die Bewahrung der Schöpfung ernster nehmen. Ihm ginge es weniger um die Grüne-Daten-Konten. Dafür ist der «Grüne Güggel» sehr offen. Wer die Schöpfungsspiritualität mehr fördern will, kann das im Zuge der Zertifizierung sehr gut machen.
Brigitta Bölsterli: Ich bin ja in der Kirchenpflege. Ich gehöre damit zur «grauen» Seite, also der staatskirchenrechtlichen. Bewahrung der Schöpfung gehört aber als spirituelles Thema klar zur «schwarzen», also der pastoralen Seite. Damit sich diese zwei Seiten finden, müssen beide auf den Weg gehen. Vielleicht musste die graue Seite einfach mal etwas Vorarbeit leisten, aber wir müssen auch bei diesem Prozess lernen, miteinander auf dem Weg zu sein. Das steht und fällt aber mit der jeweiligen Gemeindeleitung.

Der Verein oeku Kirche und Umwelt hat sich die Bewahrung der Schöpfung auf die Fahne geschrieben. Ein Aufruf, der durch Greta Thunberg in jüngster Zeit wieder viel Publizität bekommen hat. WWF und Greenpeace kämpfen seit Jahrzehnten einen endlosen Kampf in dieser Hinsicht. Was bietet der «Grüne Güggel», was all diese Menschen und Institutionen nicht bieten?
Andreas Frei: Ich würde sagen, oeku und der «Grüne Güggel» haben eine ähnliche Botschaft wie der WWF. Mit den Zielen des WWF decken wir uns sehr. Unser Angebot ist einfach gezielt auf ein kirchliches Publikum ausgerichtet. Es ist eine Ergänzung. WWF erreicht vielleicht ein anderes Segment, Familien und Nicht-Kirchliche. Oeku und der «Grüne Güggel» wollen klar Menschen in der Kirche ansprechen. Wir sind so wie der grüne Daumen der Kirche. Wobei grün immer mit der der politischen Partei in Verbindung gebracht wird. Ich möchte aber die Überzeugung für den «Grünen Güggel» aus theologischer oder kirchlicher Argumentation bringen. Also Bewahrung der Schöpfung als eine kirchliche Aufgabe, die zu einem zeitgemässen Christentum dazugehört.
Brigitta Bölsterli: Kann man nicht auch einfach sagen, beim «Grünen Güggel» wird konkret etwas gemacht, wohingegen der WWF einfach gross und sehr bekannt ist, viel Geld hat und vielleicht auch ein paar Skandale, hohe Löhne bezahlt und so weiter? Wenn ich mir nämlich überlege, was ich vom WWF weiss und was die tun, dann kommt mir nicht viel Konkretes in den Sinn. Aber der «Grüne Güggel» ist konkret.
Andreas Frei: Das finde ich sehr schön. Danke, dass du das sagst. Es stimmt, denn schon bei der ersten Sitzung wird gefragt: «Was denken die Mitarbeiter? Welche Schöpfungsleitlinien wollen wir uns geben?» Es wird also ganz konkret.

Wäre eine Zusammenarbeit mit einer grösseren Umweltorganisation denk-, vielleicht sogar wünschbar oder konzentrieren Sie sich bewusst auf die Schweiz und Ihre Kirchgemeinden?
Andreas Frei:
Wir sind offizieller Netzwerkpartner des KirUm, des Kirchlichen Netzwerks Umweltmanagement in Deutschland. Für die Schweiz hat oeku die Funktion übernommen, einerseits ökumenisch und andererseits gleich für die ganze Schweiz die Zertifizierungsstelle zu sein. Wir sind aber kein Mitglied des KirUm, sondern ein strategischer Partner. Weitere Bestrebungen zu Kooperationen oder gar Zusammenschlüssen mit grösseren Umweltorganisationen gibt es nicht. Es gibt aber Bestrebungen, mit Freikirchen zusammenzuarbeiten. Die Freikirchen sind eben auch aktiver geworden. Da gibt es zum Beispiel den Grünen Fisch. Und es gibt, von Frankreich her, eco eglise, ein niederschwelliges Angebot, um sich als umweltbewusste Kirchgemeinde zu bezeichnen. Da gibt es jetzt Gespräche, um herauszufinden, wie man oeku auch in der Westschweiz etablieren könnte – allenfalls in Kombination mit eco eglise.

Wenn Sie beide heute auf die Kirchenlandschaft Schweiz schauen, wo sähen Sie diese Kirchenlandschaft im Hinblick auf die gesteckten Umweltziele gerne in zehn oder 20 Jahren?
Andreas Frei: Ich würde es gern sehen, dass es in 20 Jahren eine Selbstverständlichkeit wäre, dass eine Kirchgemeinde den «Grünen Güggel» hat, und dass sich eine Kirchgemeinde rechtfertigen müsste, wenn sie ihn noch nicht hat.
Brigitta Bölsterli: Das kann ich unterstützen! (beide lachen herzhaft)
Andreas Frei: Ich wünschte mir auch, dass die Kirche wieder ein Ort werden kann für suchende Menschen. Für Menschen, die Zukunftsängste haben und sich fragen, wie’s weitergeht. Dass man sie ernst nimmt und ihnen die Möglichkeit gibt, etwas zu tun in dieser Kirche, um gegen all diese Krisen, die Klimakrise, die Biodiversitätskrise, die Ressourcenkrise, etwas zu tun. Was den Menschen gut tut, ist, wenn sie etwas tun können. Das gibt ihnen Genugtuung. Sie haben dann nicht mehr das Gefühl, machtlos zu sein, sondern sie tun etwas dagegen. Die Kirche soll wieder ein Ort werden, wo man etwas machen kann. Früher war sie das mal.
Brigitta Bölsterli: Also mir gefällt der Ansatz sehr, dass man etwas dazu beitragen kann. Ich bin aufgewachsen als Konsument der Kirche. Aber selber dazu beitragen zu können, dass etwas besser wird, das ist ein ganz toller Ansatz.
Andreas Frei: Und genau das braucht es: Leute, die sich engagieren. Der «Grüne Güggel» funktioniert nur mit Leuten, die sich engagieren. Wenn es keine Leute gäbe wie Brigitta Bölsterli, die aus Überzeugung sagen: «Hier setze ich mich ein», dann geht’s nicht. Darum ist das immer das erste, was ich einer Kirchgemeinde sage, die sich dafür interessiert: «Ihr braucht mindestens zwei oder noch besser drei Leute, die sich dafür interessieren und die das wirklich wollen. Wenn Ihr das nicht habt, dann kommt der Güggel nicht zum Fliegen.»

Im Moment lassen China und die USA ihre Muskeln spielen. Es geht um Märkte und Ressourcen. Keine dieser Grossmächte ist dafür bekannt, ressourcenschonend oder menschenfreundlich zu wirtschaften. Was nährt angesichts solcher Umstände bei Ihnen noch die Hoffnung, etwas Nachhaltiges für die Erde und ihre Geschöpfe tun zu können, geschweige denn, dass es je ein Umdenken gäbe?
Brigitta Bölsterli: Also Hoffnung geben mir die Demokratien, die wirklich funktionieren. Das ist zum Beispiel unsere oder auch die in Deutschland. Ein bisschen Hoffnung gibt mir auch die Aktion Black Lives Matter. Zuerst müssen die Leute merken, dass es ihnen schlechter geht, dann erst beginnen sie, ihr Hirn einzuschalten und zu überlegen, was sie eigentlich wollen. Aber im Kleinen beginnt das langsam.
Andreas Frei: Natürlich denke ich manchmal: «Ach, das bringt doch nichts», vor allem, wenn ich wieder mal eine konzentrierte Dosis negativer Nachrichten bekomme. Aber das blende ich dann wieder aus, weil ich weiss, dass ich da eh nichts machen kann, in China, in Brasilien oder in den USA. Ich versuche dann, da etwas positiv zu verändern, wo ich es wirklich kann. Und da bin ich mit Brigitta einer Meinung, dass wir hier eine Demokratie haben, bei der es sich lohnt, sich einzusetzen. Und dabei soll die Schweiz auch den anderen Ländern vorausgehen. Die Schweiz ist nicht unbedeutend. Wir können zeigen, dass es klappt, wegzukommen von fossilen Energieträgern, weg vom ganzen Abfall und von der Ressourcenverschwendung – und trotzdem ein gutes Leben haben. Es gibt einen schönen Spruch, den man Martin Luther zuschreibt: «Wenn ich weiss, dass morgen die Welt untergeht, dann pflanze ich heute noch ein Bäumchen.» Es gibt aber noch einen zweiten schönen Spruch, den ich auch gerne zitiere. Der richtet sich an alle Menschen, die auch gerne mal verzweifeln. Es heisst da: Wenn in einem Wald ein Baum gefällt wird, dann gibt es einen grossen Lärm und man sieht die Zerstörung. Aber man sieht nicht, dass alle anderen Bäume rundherum wachsen. Das heisst, es sind immer die negativen Schlagzeilen, die knallen und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und alles, was funktioniert und wächst und gut ist, nimmt man nicht wahr.

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